Es sind mehrere Schwarze Personen abgebildet - mit Science-Fiction Kleidung und Ausrüstung vor einem futuristischen Hintergrund
Afrofuturismus ist eine Science-Fiction Utopie für Schwarze Menschen weltweit (Bild ist AI-generiert nach dem Prompt "africanfuturism cyberpunk comic panel by Jack Kirby and Alex Toth, 1968, in the style of 60s Marvel") | Bild: Wikimedia Commons lizenzfrei

Der Gedanke an die Zukunft Afrikas sprengt den Rahmen

»Afro-Amerikaner sind, im wahrsten Sinne des Wortes, Nachfahren von fremden Entführten und leben einen Sci-Fi-Albtraum, der von Intoleranz angetrieben wird.« Das schreibt Mark Dery, ein amerikanischer Schriftsteller, Kulturkritiker und Dozent, in seinem Essay »Black to The Future« im Jahr 1994. Er stellt sich die Frage, warum so wenige Schwarze Schriftsteller*innen sich dem Science-Fiction Genre annehmen, wenn es doch eigentlich deren Lebensumstände perfekt trifft.

von Naima Soule

19.08.2024
Veröffentlicht im iz3w-Heft 404
Teil des Dossiers Utopie & Praxis

Derys Vorschlag klingt erst einmal passabel. Alltagsrassismus, racial profiling, mass incarceration (die hohen Zahlen Schwarzer Männer im Gefängnis) – vielleicht ist »Sci-Fi-Albtraum« eine treffende Bezeichnung für die Black experience in den USA. Und da haben wir schon ein Problem: Dery spricht aus einer rein US-amerikanischen und noch dazu weißen Sicht. Als Nicht-Betroffener ist Afrofuturismus ein reines Gedankenspiel für ihn, das er seinen Schwarzen Schriftsteller-Kolleg*innen als Tipp weitergibt.

Als Kind kannte ich keine afrofuturistischen Geschichten. Damals ging es meistens um das Afrika der Vergangenheit oder der Gegenwart. Es braucht ja auch so viel Aufarbeitung der afrikanischen Geschichte und Gegenwart, dass der Gedanke an die Zukunft Afrikas den Rahmen sprengt – vor allen Dingen der Gedanke an eine bessere Zukunft oder gar an eine Utopie.

Ich imaginiere, dass man Afrika endlich in Frieden und sich selbst überlässt.

Auf das Genre Afrofuturismus bin ich vor wenigen Jahren im jugendlichen Alter gestoßen. Für mich war es zuerst eine Kunstrichtung. Bilder von Schwarzen Cyborgs und hochtechnologisierten Lebensräumen, so wie man es eben aus der Science-Fiction kennt.

Die allererste Storyline, die sich fast schon realistisch für mich angefühlt hat, war »Black Panther« von Marvel: Das erste Mal konnte man hier Schwarze Menschen in einem futuristischen Kontext sehen. In mir und vielen anderen afrodiasporischen Menschen hat der Film etwas ausgelöst, und zwar ein Gefühl der Hoffnung und den Wunsch, ein reales Wakanda, oder Afrika, der Zukunft zu schaffen. Schwarze Kinder konnten sich nun einen Schwarzen Superhelden als Vorbild nehmen.

Dennoch wird auch in Black Panther der Westen zentriert, was nur logisch ist, weil die Story im Westen entwickelt wurde. Als afro-diasporische Person imaginiere ich eine afrikanische Utopie anders. Ich träume nicht von Raumschiffen, sondern ich träume davon, dass meine Verwandten genauso gut leben können wie ich. Dass Kinder in die Schule gehen können, ohne dass das Schulgeld ihre Eltern in den Ruin treibt. Ich träume von nachhaltigen Wohnräumen. Ich imaginiere politische Entscheidungsträger, die den Westen dezentrieren und nicht erlauben, dass Ressourcen, die im eigenen Land gebraucht werden, exportiert werden. Ich imaginiere Gemeinschaft, Pan-Afrikanität. Und, dass der Westen Afrika auf Augenhöhe begegnet.

Ich imaginiere, dass man Afrika endlich in Frieden und sich selbst überlässt.

Aber auch das ist einfach nur ein westlicher Gedanke.

Naima Soule arbeitet im iz3w und studiert Publizistik und Ethnologie.

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 404 Heft bestellen
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