
Internationalismus statt Ethnonationalismus
Zum antijapanischen und antikolonialen Widerstand in Asien
Die Biographien asiatischer Menschen, die gegen den Faschismus gekämpft haben, sind wenig bekannt; insbesondere die von Frauen. Für manche ging nach 1945 der Kampf gegen die alte und neue Kolonialmacht Großbritannien direkt weiter. Die verborgene Geschichte wirkt bis heute fort. Dazu einige Geschichten.
Ich bin als einziges Kind eines politischen Gefangenen aufgewachsen. Mein Vater war Gewerkschafter und wurde in den 1960er-Jahren in Singapur aufgrund eines »Sicherheitsgesetzes« verhaftet, das den Staat ermächtigte, jeden mit dem Vorwurf der »Subversion« ohne Gerichtsverfahren und ohne Beweise festzunehmen. Ich trage somit ein intergenerationales Trauma in mir und zudem das Trauma aller Nachfahren von zwei Weltkriegen. Diese Traumata haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin: eine Nomadin, Aktivistin, Wissenschaftlerin und Schriftstellerin, die versucht, ihren Überzeugungen zu folgen – trotz all der Schwierigkeiten, die das Leben einer Umherwandernden mit sich bringt.
Eine Möglichkeit, meinen Überzeugungen treu zu bleiben, ist die Übersetzung von Geschichten historischer und aktueller Kämpfer*innen, die für Freiheit und Gerechtigkeit eingetreten sind. Sie erinnern mich daran, dass es Zeiten gab, in denen der Internationalismus über den Ethnonationalismus triumphierte.

Chi Chang wird Brigadist
Derzeit arbeite ich an einem Buch über asiatische Freiwillige, die sich während des Spanischen Bürgerkriegs den Internationalen Brigaden angeschlossen und gegen Franco, Mussolini und Hitler gekämpft haben. Sie kamen aus Indien, China, Indonesien, Frankreich und den USA, aber über sie ist nur wenig bekannt. Einige von ihnen starben in den Pyrenäen, andere wurden in französischen Konzentrationslagern interniert. Einige kämpften später, während des Zweiten Weltkriegs, auch in China gegen den japanischen Faschismus.
»Ich habe nichts dagegen, in den Internationalen Brigaden zu kämpfen«
Dazu gehörte Chi Chang, ein in den USA ausgebildeter Bergbauingenieur, der 1937 nach Spanien kam um sich den Internationalen Brigaden anzuschließen. Seine Geschichte war fast vergessen bis sie im Jahr 2001 in einem Buch über chinesische Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg erzählt wurde. Hier ein Auszug:
Das Leben kann so unvorhersehbar sein. Chi Chang hätte nie gedacht, dass er einmal in Spanien landen würde, denn ein Jahr zuvor lebte er noch in den USA, besorgt über den Kriegsverlauf in China. Am 18. September 1931 hatte die japanische Besatzung von drei Provinzen im Nordosten Chinas begonnen und seitdem eskalierte der Krieg in China. Inzwischen hatte die japanische Armee die Große Mauer überquert und war auf dem Weg nach Peking und Shanghai. Doch anstatt die Japaner zu bekämpfen, versuchte Chiang Kai-shek die Kommunisten in China zu zerschlagen. Wie in der US-amerikanischen Presse nachzulesen war, wurde Chiang Kai-shek erst Ende 1936 von seinem General Xueliang Zhang dazu gezwungen, sich mit den Kommunisten gegen die japanischen Invasoren zu verbünden.
Im Juli desselben Jahres brach in Spanien der Bürgerkrieg aus. General Francisco Franco und seine Generäle hatten einen Staatsstreich inszeniert, unterstützt von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien, die sie mit Waffen, Flugzeugen und Truppen versorgten. Ihr Ziel war, die sozialistisch orientierte, demokratisch gewählte Regierung der Spanischen Republik zu stürzen. Die westlichen Regierungen taten nichts dagegen. Aber Menschen aus aller Welt meldeten sich freiwillig zu den Internationalen Brigaden, um die spanische Republik zu verteidigen. Chi Chang war einer von ihnen. Er ging am 27. März 1937 an Bord eines Passagierschiffs, das ihn von New York nach Paris brachte. Als er im April 1937 in Spanien ankam, schrieb er in sein Registrierungsformular:
»Ursprünglich dachte ich, mich hier aufgrund meiner technischen Ausbildung nützlich machen zu können, aber ich habe auch nichts dagegen, in den Internationalen Brigaden zu kämpfen, um der spanischen Regierung zum Sieg zu verhelfen.«
So wurde er ein Brigadista.
Guerillakämpfe in Malaya …
Ich habe auch die Memoiren des Politikers Lim Hong Bee aus dem Englischen ins Chinesische übersetzt, da heute kaum noch jemand etwas von seinem Beitrag für unsere Unabhängigkeit weiß. Er hat im Zweiten Weltkrieg gegen die japanische Invasion in Malaysia und Singapur gekämpft und später gegen die Briten, die nach dem Kriegsende wieder die Kontrolle übernahmen und die kommunistischen Unabhängigkeitskämpfer verfolgten. Deshalb musste er bis zu seinem Tod in England im Exil ausharren. Sein Lebensfazit lautete:
Ich wurde während des Ersten Weltkriegs geboren und habe den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Kurz vor meinem Lebensende droht ein dritter weltweiter Krieg, der noch zerstörerischer werden könnte als alle anderen... Ich kann nicht mehr dagegen tun, als die Aufforderung zu verbreiten, dass wir alles Menschenmögliche tun müssen, diesen Krieg zu verhindern, um endlich in gegenseitiger Achtung und dauerhaftem Frieden leben zu können – ohne Hass, rassistische, religiöse, geschlechtliche oder klassenbedingte Diskriminierung und ohne die Ausbeutung von Menschen durch andere.*
Um Menschen zu kontrollieren, muss man sie dazu bringen, ihre Geschichte zu vergessen – bis sie glauben, was nie geschah. In meiner Schulzeit habe ich den Geschichtsunterricht gehasst. Er war fade und unpersönlich und hielt uns davon ab, Fragen zu stellen. Diskussionen waren nicht zugelassen. Erst als ich später ehemalige Guerillakämpferinnen interviewte, die für die Unabhängigkeit Malayas* gekämpft hatten, erkannte ich die Bedeutung von Geschichte. Die Frauen stammten aus Thailand, Malaysia und Singapur, und sie erzählten mir von ihrem zermürbenden Dorfleben unter wechselnden Kolonialherren:
In den 1940er und 1950er Jahren mussten Frauen – selbst nachts und in ständiger Angst vor Tigern – Kautschuk von Bäumen abzapfen und nebenbei noch ihre häuslichen Aufgaben erledigen. Ehen wurden früh geschlossen und waren oft erzwungen. Häusliche Gewalt war an der Tagesordnung. Um dem zu entgehen schlossen sich viele Frauen der Guerilla an, auch weil Vergewaltigungen durch die wechselnden Invasoren an der Tagesordnung waren.
Auf die brutale Kolonialherrschaft der Briten folgte im Zweiten Weltkrieg die der japanischen Besatzer, die ganze Dörfer auslöschten. Nach deren Flucht im Jahr 1945 kehrten die Briten wieder zurück. Sie verwandelten Bauerndörfer in Straflager für Chinesen und Malaien. Alle, die verdächtigt wurden, die Aufständischen zu unterstützen, wurden inhaftiert. 1952 wurde der Weltkriegs-Veteran Gerald Templer, Feldmarschall und später Chef des britischen Generalstabs, zum britischen Hochkommissar ernannt und mit der Aufgabe betraut, die kommunistische Unabhängigkeitsbewegung in Malaya zu zerschlagen, was er mit einer Terror-Kampagne zu erreichen suchte.
Zu denen, die in der Guerilla dagegen kämpften, gehörten Frauen und Männer aus Malaya, Singapur und Thailand. Sie mussten extreme Entbehrungen ertragen, Hunger, Tod und Verletzungen durch Schüsse und Landminen sowie Angriffe von Elefanten, Tigern, Bären und Schlangen. Die Frauen in der Guerilla mussten im Dschungel entbinden und ihre Neugeborenen Dorfbewohnerinnen übergeben. So auch die 1951 geborene Suria (alias Atom): »Wir mussten unser Kind weggeben, als wir im Dschungel waren, und haben es nicht mehr wiedergesehen, als wir daraus zurückkehrten.«
… und ihr Fortwirken bis heute
Besonders ergreifend war, was diese Frauen über die Unterstützung erzählten, die sie von ihren Müttern und Großmüttern, Brüdern und Schwestern erhielten, die sich um ihre Kinder und Enkel kümmerten. Es fiel ihnen deshalb sehr schwer, sich von ihren Familien zu trennen, wie Quiang Lin berichtete: »Meine Mutter beklagte sich später, dass ich sie nicht einmal besucht hatte, bevor ich der Guerilla beitrat. Aber ich habe mich einfach nicht getraut, nach Hause zu gehen, denn ich hatte Angst, dass ich es mir dann vielleicht anders überlegen würde.«*
Erst 1989 gab die antikoloniale Guerilla in Malaysia ihren bewaffneten Kampf auf und unterzeichnete ein Friedensabkommen mit den Regierungen Thailands und Malaysias. Seitdem leben die meisten Frauen in abgelegenen »Friedensdörfern« im Süden Thailands. Ich habe zehn Jahre damit verbracht, die Geschichten von Frauen aufzuzeichnen, die in der Guerilla gekämpft hatten. Sie haben mir geholfen, die (Sozial-)Geschichte Malayas zu verstehen, meine Geschichte! Denn nur wenn wir unsere Vergangenheit kennen, können wir verstehen, wie wir zu denen wurden, die wir heute sind.