
70 Jahre Bandung-Konferenz
Die zweite Erfindung der Vereinten Nationen
1955 betraten 29 Staats- und Regierungschefs der damals sogenannten Dritten Welt die Bühne der Weltpolitik. In Bandung teilten sie das Ziel, sich der Blockbildung im Kalten Krieg zu widersetzen. Dabei bewiesen sie, dass internationale Zusammenarbeit möglich ist – eine Lehre, die zunehmend bedeutsamer wird.
Als sich im indonesischen Bandung die Staats- und Regierungschefs aus 29 Ländern Asiens und Afrikas trafen, bestand eine Tendenz schon lang: Es wuchs in den kolonisierten Gesellschaften das Bewusstsein, im antikolonialen und antirassistischen Kampf ein gemeinsames Anliegen zu haben. Das ist wenig verwunderlich, denn in den kolonialen Territorien Frankreichs und Großbritanniens waren die Kolonisierten global vernetzt.
Mahatma Ghandi, späterer Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, begann seine aktivistische Karriere schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Südafrika. In den USA propagierte der Jamaikaner Marcus Garvey in der Zeit zwischen den Weltkriegen die »Rückkehr« der amerikanischen Sklaverei-Nachkommen nach Afrika. Auch die Sowjetunion sorgte durch die III. Kommunistische Internationale schon lange für Verbindungen rund um den Globus. Aimé Césaire, ein Aktivist aus dem karibischen Martinique, begegnete in Paris dem späteren Präsidenten Senegals, Léopold Senghor. Sie begründeten die Négritude, die so selbstbewusste wie umstrittene Literaturströmung, und saßen als Abgeordnete zusammen in der französischen Nationalversammlung.
Der eigene Staat war wichtiger als die Weltrevolution
Als Idee und als heterogene globale Bewegung, mit den kleinsten gemeinsamen Nennern Antikolonialismus und Antirassismus, gab es die »Dritte Welt« schon längst. Diese Bezeichnung war wenige Jahre vor der Bandung-Konferenz geprägt worden, ka