»Es erschafft störende Charaktere«
Interview mit Bishakh Som über die Graphic Novel »Apsara Engine«
Bishakh Som aus Brooklyn/New York ist Architektin, Künstlerin und Autorin. In ihrem Werk geht es um Grenzüberschreitung und die Imagination queerer Zukünfte. Im Interview mit iz3w spricht sie darüber, was Apsaras überhaupt sind und was Migration mit queerer Utopie zu tun hat.
iz3w: Apsara Engine – eine Maschine, die von mythischen Nymphen betrieben wird? Wofür steht der Titel deiner Graphic Novel?
Bishakh Som:* Als ich das Buch als Kurzgeschichtenzyklus zusammenstellte, war ich mir bei der Bedeutung des Titels unsicher. Im Nachhinein wurde mir aber klar, dass viele der Figuren in den Geschichten Erscheinungen einer Art von störender femme/queer-Energie waren. Das ist ein Merkmal der Apsaras, die in der Hindu-Mythologie sowohl göttlich als auch schelmisch sind. Sie sind eher marginalisierte Figuren, deshalb wollte ich sie in diesen Geschichten in den Vordergrund rücken. Als hätten sie irdische Formen gefunden und würden in dieser Welt ihre störende Arbeit verrichten, indem sie die heteronormativen Kontexte, in denen sie sich befinden, durchbrechen. Das Buch ist ein Mechanismus, der diese störenden Charaktere erschafft: eine Art Apsara-Motor.
Die Protagonist*innen in der Kurzgeschichte »Swandive« sehnen sich nach familiärer Verbundenheit und Verbindung zu ihrer südasiatischen Herkunft. Welche Rolle spielt Migration im Zusammenhang mit queeren utopischen Vorstellungen?
Ich bin mir nicht sicher, ob Migration in jeder Art von queerem utopischem Denken eine Rolle spielt. Aber in meinem eigenen Kopf setzt die Idee des Reisens oder des Überschreitens von Grenzen Potenziale für die Imagination einer trans Utopie frei. Wenn man sich trans-Sein als Grenzüberschreitung vorstellt (die Vorsilbe trans macht das sehr deutlich), dann gehört die Idee der Migration zur trans experience dazu. Das legt vielleicht ein unangemessenes Gewicht auf den Begriff der Transition, auf ein Vorher und Nachher. Aber ich denke, es ist eine nützliche Metapher. Sogar das Wort Hijra, das von einigen südasiatischen trans Personen, die vor Verfolgung fliehen, verwendet wird, um sich zu beschreiben, scheint mir sprachliche Wurzeln in dem Wort Hajj (die Pilgerfahrt nach Mekka) oder Hegira (die Flucht des Propheten Muhammad nach Mekka) zu haben. Beide implizieren eine Bewegung in Richtung Zuflucht, Sicherheit und Frieden, was mir wie ein Echo der trans Erfahrung erscheint.
Deine Geschichten spielen oft in futuristischen Umgebungen. Was sind das für labyrinthische Räume, etwa der Komplex in »Apsara Engine«, das Zelt in »Pleasure Palace«, die Entwürfe in »Swandive«?
»Die Idee der Migration gehört zur trans experience dazu«
Viele der Räume in meinen Geschichten, wenn ich mich architektonischen Fantasien hingebe, stammen direkt aus meiner Architekturausbildung (und vielleicht aus meiner Enttäuschung darüber). Während meines Studiums liebte ich das radikale Denken, das eine Art magisches, unmögliches Design ermöglichte. Natürlich verschwinden diese Freiheiten, wenn man in die Arbeitswelt eintritt, wenn man den ganzen Tag Toilettenarmaturen für die Villen von Investmentbanker*innen aussucht. Als ich mich also aus der Berufswelt der Architektur zurückzog und die Visionen meiner Studienzeit vermisste, kanalisierte ich diese Energie in meine Kunst und Comics. Diese Räume sind nicht nur Schwelgereien in einer Ästhetik des Futurismus, sondern vielmehr ein Entwurf für eine andere Art, sich die Beziehung zwischen Architektur, Landschaft und Stadt vorzustellen – zwischen Körper und Umgebung, zwischen Architektur und Graphic Novel.
Du arbeitest an einem neuen Buch zum Thema trans Utopie. Worum soll es darin gehen?
Das Buch ist eine Graphic Novel, getarnt als Reiseführer (wie der Lonely Planet) und als Reisesendung (wie die US-amerikanische TV-Reisesendung »Rick Steves’ Europe«). Es führt uns zu einem imaginären, vage südasiatischen Stadtstaat, dessen Bürger*innen ausschließlich trans Personen sind. Eine trans Reiseführerin führt durch diesen Ort. Das Buch erkundet, was Heimat, Zugehörigkeit, Kultur und Tradition für trans Menschen in der Diaspora bedeuten, wie queere Menschen sich ein Zuhause und eine Gemeinschaft aufbauen, wie die Idee einer trans Utopie aussieht – und ob dies überhaupt eine gute Idee ist. Im Laufe der Geschichte löst sich das Buch unter dem Gewicht seiner eigenen Prämisse auf: Eine Graphic Novel ist weder ein Reiseführer noch eine Reisesendung. Die Reiseführerin strauchelt unter der Last, die sie sich selbst auferlegt hat. Die Figuren, denen sie in dieser imaginären Stadt begegnet, hinterfragen ihre Beweggründe. So schafft das Projekt einen Raum, sich queere Räume als Zufluchtsorte vorzustellen, während es gleichzeitig die Probleme untersucht, die mit ihrer Verwirklichung einhergehen.