EACOP Schlagzeilen & Hintergründe | Teil 4

Aktuelle Infos

Audiobeitrag von Martina Backes

08.05.2024
Teil des Dossiers Klimakrise in der Pipeline

Der Klimawandel könnte bis Mitte des Jahrhunderts zum wichtigsten Faktor für den Verlust der biologischen Vielfalt werden. Das gab das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung im April bekannt. Es ist das Ergebnis der größten Modellierungsstudie ihrer Art, die von mehr als 50 Wissenschaftler*innen aus über 40 Institutionen durchgeführt wurde. Dieser Tage, vom 3. bis 13. Juni, findet das jährliche Zwischentreffen der Weltklimakonferenz in Bonn statt. Dort wird es vor allem darum gehen, mit welchen politischen Fahrplänen die Erderhitzung aufgehalten und die Anpassung an Klimakrisen finanziert werden kann. Indes gibt es zahlreiche gegenläufige Entwicklungen, die sowohl eine Klimakrise und als auch die Biodiversitätskrise beschleunigen. Dazu gehören die Ölförderprojekte in Uganda und Tansania.

Unser monatliches Update mit Schlagzeilen und Hintergründen rund um die East African Crude Oil Pipeline:

Mehr Artenvielfalt in Uganda dank Total Energies? +++ Energieriese verspricht Umweltschutz in Uganda als Kompensation für die Ölförderung +++ Irreführende Leistungsstandards für ökologische und soziale Belange bei fossilen Projekten +++ Emissionsarme Ölförderung: große Versprechen auf der Öl- und Gaskonferenz in Uganda


Skript zum Audiobeitrag

Erstausstrahlung am 4. Juni 2024 im südnordfunk #121

Auf dem Klimagipfel in Glasgow 2021 riefen einige Banken die Net-Zero Banking Alliance ins Leben. Das erklärte Ziel der Allianz: Die Finanzgeschäfte so auszurichten, dass ein klimaneutrales Wirtschaften ab 2050 möglich ist. Eine Recherche der NGO urgewald zeigt, dass die Politik zahlreicher Banken, die sich hier verpflichtet hatten, kontraproduktiv ist: Bei 423 Banken sei die Unterstützung der fossilen Wirtschaft weitestgehend stabil geblieben und 75 Banken hätten das Finanzvolumen an den Sektor sogar noch erhöht.

Auch in Uganda und Tansania wird ein fossiles Megaprojekt umgesetzt, mit internationaler Finanzierung. Und auch hier steht die Artenvielfalt auf dem Spiel. Hier schreitet der Bau einer Rohölpipeline voran, die ab 2025 Öl von Uganda nach Tansania in den Hafen von Tanga transportieren soll. Mit dem Bau des 1443 Kilometer langen Korridors werden artenreiche Ökosysteme stark in Mitleidenschaft gezogen. Doch Total Energies, der französische Energieriese und Hauptanteilseigner des Projektes, spricht viel über Umweltschutz, kündigt einen Nettogewinn des Erdölprojektes für die biologische Vielfalt an und propagiert eine emissionsarme Ölförderung.

Der Energieriese TotalEnergies engagiert im Umweltschutz?

Sprecherin 1: Im April 2024 berichtet Total Energies: Im Kontext der EACOP seien Begleitprojekte auf den Weg gebracht worden, die einen – Zitat – positiven Nettoeffekt auf die biologische Vielfalt haben.

Sprecherin 2: Der Energieriese Total Energies ist mit 62 Prozent Hauptanteilseigner am Projekt der ostafrikanischen Rohölpipeline mit zahlreichen Ölförderfeldern am Albertsee, laut dem Climate Accountability Institute ist das eine Kohlenstoffbombe.  

Total Energies will dazu beitragen, das Parkpersonal bei den Murchison Falls, einem artenreichen Nationalpark, um 50 Prozent zu erhöhen. Zudem möchte der Energiekonzern ein Programm zur Wiedereinführung des Spitzmaulnashorns in Uganda unterstützen - in Partnerschaft mit der Wildnisbehörde. Total Energies arbeitet zudem mit der Weltnaturschutzunion IUCN zusammen (International Union for Conservation of Nature), um den Schutz von Schimpansen zu integrieren. Dafür sollen Wälder als Lebensraum geschützt und erhalten werden, heißt es.

Sprecherin 1: Der Begriff »positiver Nettoeffekt auf die biologische Vielfalt« ist irreführend. Zum einen wird nicht erwähnt, wie viele Quadratkilometer Land der Förderung des Erdöls und dem Bau des 30 Meter breiten und über 1.443 Kilometer langen Korridors für die Pipeline zum Opfer fallen.

Allein in dem Gebiet Tilenga liegen 400 Ölquellen, und 130 davon befinden sich im Murchison-Falls-Nationalpark. Benachbart liegt der Budongo-Wald, hier lebt eine der größten Schimpansen-Gruppen weltweit; auch durch seine Ausläufer wird eine Straße gezogen. Insgesamt werden rund 2.000 Quadratkilometer Wald für das EACOP Projekt gerodet.

Sprecherin 2: Mehr Personal für den Park macht den Verlust der Fläche nicht wett, Asphaltstraßen durchschneiden das Gebiet und könnten die Bewegung einiger Tierarten erschweren. Die Folgend des Lärms und vor allem die Risiken der Ölförderung sowie die Einschnitte in komplexe und empfindliche Ökosysteme sind mit einem Programm für Spitzmaulnashörner nicht gutzumachen.

 

Irreführende Leistungs­standards der Inter­national Finance Corporation

Sprecherin 1: Total hat sich bereit erklärt, die Leistungsstandards der International Finance Corporation (IFC)* für seine Projekte Tilenga und EACOP zu erfüllen. Die nun versprochenen Kompensationen sind im Zuge dieses Versprechens zu werten.

»Kompensations­projekte ermöglichen es Konzernen wie Total, die Zer­störung von Hotspots der bio­logischen Vielfalt als eine Win-Win-Situation darzustellen.«

Sprecherin 2: Bei den Leistungsstandards der International Finance Corporation handelt es sich um ein freiwilliges Risikomanagement von Umwelt- und Sozialrisiken. Dieses Rahmenwerk wird von fast allen Finanzinstituten weltweit genutzt. Der IFC-Leistungsstandard 6 hat sich sowohl auf Unternehmens- als auch auf Regierungsebene als besonders wirksam erwiesen, wenn es darum geht, den Verlust von biologischer Vielfalt – infolge von Bergbau, Kohle, Gas- oder Ölförderung – auszugleichen. Erstellt wird dann ein so genannter Ausgleichsplan oder Kompensationsplan: unvermeidbare Eingriffe in die Natur sollen an anderer Stelle wiedergutgemacht werden.

Sprecherin 1: Die Projektbetreiber der EACOP wollen mit den Ausgleichsplänen, in diesem Fall den Rangern und dem Programm für einzelne Arten, vor allem Kredit und Finanzgeber davon überzeugen, dass etwaige Risiken durch Kompensationen abgedeckt sind.

Sprecherin 2: Die Heinrich-Böll-Stiftung schreibt: »Total behauptet in seinem Biodiversitäts-Ausgleichsplan, die lokale Landnutzung der Bevölkerung sei für die Verschlechterung der biologischen Vielfalt verantwortlich. Das Unternehmen verspricht, dass das Kompensationsprojekt diese Verschlechterung stoppen und sogar einen »Nettogewinn« für die biologische Vielfalt bringen wird. Kompensationsprojekte ermöglichen es Konzernen wie Total, die Zerstörung von Hotspots der biologischen Vielfalt als eine Win-Win-Situation darzustellen.« Doch diese Strategie birgt zahlreiche weitere Risiken:

Zitat aus einer Studie der Heinrich Böll Stiftung: Was, wenn eine Fläche, die heute als Ausgleich oder Ersatz für den unvermeidbaren Verlust von biologische Vielfalt in dem Abbaugebiet vorgesehen ist, in Zukunft für ein Unternehmen von wirtschaftlichem Interesse wird? Dann kann ihre Zerstörung – zumindest potenziell – ebenfalls genehmigt und finanziert werden, indem versprochen wird, ein zweites Mal »auszugleichen«. Die Fläche, die das Unternehmen jetzt zerstören möchte, würden somit erneut ersetzt. Das Instrument der Kompensation der biologischen Vielfalt ermöglicht somit eine fortwährende Zerstörung anstelle eines zuverlässigen Schutzes der biologischen Vielfalt.

Quellen:

 

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EACOP Schlagzeilen und Hintergründe | Teil 4 im Juni 2024

Emissionsarme Ölförderung?

Sprecherin 1: 22. April 2024: Philippe Groueix, der Generaldirektor des Unternehmens Total Energies EP Uganda (TEPU), bekräftigte während seiner Rede auf der Öl- und Gaskonferenz in Kampala Ende April*: Afrikanische Länder wie Uganda hätten das Recht, ihre Öl- und Gasressourcen verantwortungsvoll zu entwickeln, auch inmitten der weltweiten Bemühungen um eine Dekarbonisierung. »Bei einer gerechten Energiewende geht es um das Recht afrikanischer Länder wie Uganda, ihre Öl- und Gasressourcen zu erschließen. Wir verpflichten uns, dies auf eine nachhaltigere Art und Weise zu tun, als dies anderswo der Fall war«, erklärte der Generaldirektor.

Sprecherin 2: Groueix hob die Erfolgsbilanz von TEPU hervor, zu der auch eine Verringerung der Kohlendioxidemissionen gehört. Die Vorzeigeprojekte Tilenga und Kingfisher stoßen nur 13 Kilogramm Kohlendioxid pro gefördertem und transportiertem Barrel Rohöl aus, heißt es. Damit lägen sie weit unter dem Branchendurchschnitt von 33 Kilogramm.

Sprecherin 1: Bei dieser Berechnung werden mehrere Emissionsquellen nicht berücksichtigt, die mit der Erschließung und Förderung von Ölfeldern verbunden sind. Das errechnete das Climate Accountability Institute. Dieses bezeichnet die Ostafrikanische Rohölpipeline als Kohlenstoffbombe.

Sprecherin 2: Das Climate Accountability Institut errechnete zusätzlich die Emissionen aus der Raffinierung, also der Weiterverarbeitung von ugandischem Rohöl zu kohlenstoffhaltigen Fertigbrennstoffen. CO2-Emissionen aus dem Raffineriebetrieb (in der Regel Erdgas und eingekaufter Strom) können beträchtlich sein, insbesondere bei wachshaltigem mittelschweren Rohöl, das in den Lake-Albert-Ölfeldern gefördert wird. In dem Bericht heißt es zu den nicht erfassten Emissionen weiter:

Sprecherin 1: Nicht berücksichtigt wurden zum Beispiel: flüchtiges und abgefackeltes Methan sowie Treibstoff, der bei der Planierung von Straßen und dem Ausbau von Flugplätzen verwendet wird oder beim Bau zuleitender Pipelines (zum Sammelpunkt in Hoïma). Des Weiteren blieben unberücksichtigt: Bohrungen, Ölverarbeitung, Öllagerung, Beheizung von Rohöltanks und damit verbundene Emissionsquellen.

Sprecherin 2: TEPU hat Emissionen aus dem als »Flaring and Venting« bekannten Abfackeln beziehungsweise Ablassen von Methan, einem starken Klimagas, sowie anderen Begleitgasen bei der Ölförderung demnach nicht mitberechnet. Zudem wurde die Verbrennung der raffinierten Endprodukte, die das Gros der Emissionen und damit der Klimabelastung darstellen, von der Erdölfirma TEPU nicht erwähnt. Sie fallen auf die Konten der Länder, die das Rohöl importieren. Eine für die Klimabelastung aussagekräftige Angabe wäre der Öl-Klima-Index OCI Plus*, der Treibhausgasemissionen (THG) einzelner Öl- und Gasressourcen entlang des gesamten Lebenszyklus abschätzt – von der vorgelagerten Förderung und Verarbeitung über die Raffinerie bis hin zum nachgelagerten Transport und Endverbrauch.

Sprecherin 2: Im Widerspruch zu der enormen Klimabelastung der EACOP bekräftigte der Generaldirektor des Unternehmens im April auf der Öl- und Gaskonferenz in Kampala nochmals das, wie es hieß, »unerschütterliche Versprechen von TotalEnergies, die Energiewende in Uganda zu unterstützen«. Er betonte, dass das Unternehmen bestrebt sei, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und eine nachhaltige Entwicklung in den Regionen zu fördern, in denen es tätig ist.

Quellen:

  • Climate Accountability Institute: EACOP lifetime emissions from pipeline construction and operations, and crude oil shipping, refining, and end use PDF von November 2022
  • Endowment for International Peace: Breaking Down the Barrel: Tracing GHG Emissions Through the Oil Supply Chain
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