Feinde des Staates
Widerstand gegen die EACOP wird zur tödlichen Aufgabe
Es ist kein Geheimnis: In Uganda ist es um die Menschenrechte schlecht bestellt. Mit dem Bau der East African Crude Oil Pipeline nimmt die Repression gegen Jurist*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen jedoch neue Ausmaße an. Sie werden als Feinde des Staates inszeniert. Die Menschenrechtsorganisation Witness Radio berichtet aus Uganda.
Der Morgen des 15. April 2024 im Gericht der ugandischen Stadt Hoima verlief nicht wie üblich: Gerichtsbeamt*innen, Polizist*innen und Passant*innen sahen hilflos zu, wie eine von dem Aktivisten Fred Mwesigwa angeführte Menschenmenge im Hoima High Court eine Petition verlas: »Wir sind zutiefst besorgt über das jüngste Gerichtsurteil, das die Vertreibung von 42 Familien im Bezirk Buliisa anordnet, um Platz für das Tilenga-Ölprojekt zu schaffen«. Damit protestierten sie gegen einen Gerichtsbeschluss vom Dezember 2023, welcher der Regierung grünes Licht für die Vertreibung der Gemeinde für das Ölförderprojekt gab. Die Gemeinde hatte sich zuvor geweigert, die von der Regierung vorgesehenen Entschädigungszahlungen für ihr Land anzunehmen, auf dem sie wohnen und von dem sie leben.
Der Fall Buliisa ist nur die Spitze des Eisbergs der vielen Gemeinden, die von Projekten zur Erdölförderung betroffen sind. In Uganda und Tansania muss vor allem die ländliche Bevölkerung einem 30 Meter breiten Pipelinekorridor, Ölförderfeldern, Tanklagern, Infrastruktur und Sicherheitszonen rund um die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) weichen. Laut einer 2022 veröffentlichten Studie der Organisation Les Amis de la Terre könnten bis zu 118.000 Menschen von Umsiedlung entlang der Pipelineroute betroffen sein, darunter vor allem bäuerliche Gemeinschaften.
Geringe Entschädigungen
Im Gespräch mit Witness Radio berichteten Betroffene, dass sie aufgrund unzureichender Entschädigungen und mangelhafter Umsiedlungspläne nicht mehr in der Lage seien, ihre Grundbedürfnisse zu decken. James*, der in das Umsiedlungslager Kyakaboga gebracht wurde, erklärte, den Bewohner*innen sei unfruchtbares Land zur Verfügung gestellt worden, das für den Anbau von Feldfrüchten ungeeignet sei. Außerdem seien die Lager überfüllt, wodurch die Bewohner*innen Krankheiten ausgesetzt sind. Er betonte, dass der Zugang zu Gesundheitsdiensten besonders herausfordernd sei. Insbesondere Schwangere seien mit Schwierigkeiten konfrontiert, da das nächste Gesundheitszentrum acht Kilometer entfernt ist. Tragischerweise, so James, hätten drei Schwangere ihre Babys auf dem Weg dorthin verloren.
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Wie im Fall der 42 Haushalte aus Buliisa, die eine Entschädigung durch die Regierung ablehnten, geben viele von den EACOP-Projekten Betroffene an, dass die Regierung ihr Land und ihren Besitz nicht angemessen bewertete. Dennoch wurden sie gezwungen, ihr Land für das Projekt freizugeben. Sie kritisierten, dass sie nicht ausreichend für die negativen Auswirkungen des Projekts sensibilisiert wurden. Stattdessen versprachen die Regierung und der Hauptanteilseigner TotalEnergies umfangreiche Entschädigungen, Wohlstandszuwachs und Beschäftigungsmöglichkeiten, die bis heute nicht eingetreten sind.
Auch eine Studie von Inclusive Development International kommt zu dem Ergebnis, dass die Regierung und TotalEnergies es, gemäß internationaler Standards, systematisch versäumt hätten, die von dem Projekt betroffenen Menschen und die Zivilgesellschaft angemessen in die Planungen einzubeziehen und ihnen niedrigschwellig Informationen zur Verfügung zu stellen. In der Studie heißt es weiter, dass bei der Prüfung der Umweltverträglichkeit von Tilenga, Kingfisher und EACOP festgestellt wurde, dass die Projektträger nicht die »besten verfügbaren Techniken« einsetzen, um die Beeinträchtigung der Ökosysteme zu verhindern. Die Entscheidung für den Einsatz kostengünstiger Technologien für Ölbohrungen und den Pipelineverlauf durch Wasser führende Gebiete sei demnach ein vorhersehbares Risiko für die Gesundheit und Sicherheit der Anwohner*innen.
Opposition unerwünscht
Als die erste Landvermessung für das Tilenga-Projekt im Jahr 2020 stattfand, rechneten viele Familien damit, von dem Projekt zu profitieren. Später stellte sich jedoch heraus, dass TotalEnergies darauf abzielte, sich ihr Land kostenlos anzueignen. In Absprache mit einigen Grundstücksmakler*innen, lokalen Autoritäten sowie Polizei und Armee vertrieb das Unternehmen im Februar 2023 fast 20.000 Menschen in Kapapi (Hoima). Im Zuge dessen wurden auch Frauen vergewaltigt. Vor der gewaltsamen Vertreibung hatte die örtliche Polizei in Zusammenarbeit mit den Grundstücksmakler*innen diejenigen verhaftet, die den Landraub kritisierten, um die übrigen Gemeindemitglieder einzuschüchtern.
Aktivist*innen werden als ,entwicklungsfeindlich’ dargestellt
Die sieben Verteidiger der klagenden Familien, Karongo Edward, Mulega Eria, Kataza Samuel, Rangira Stephen, Rubyogo Edward und Mbombo Stephen, wurden wegen einer Vielzahl angeblicher Straftaten angeklagt. Im Juni 2023 wurden sie nach drei bis fünf Monaten Haft auf Kaution freigelassen. Als Teil ihrer Kautionsauflagen müssen sie sich jedoch regelmäßig beim Gericht in Hoima melden.
Die Kriminalisierung von Land- und Umweltschützer*innen ist zu einer gängigen Taktik der ugandischen Behörden geworden, um Opposition zum Schweigen zu bringen und Straffreiheit aufrechtzuerhalten. Diese Taktik gibt es nicht nur in Uganda, sie ist – insbesondere im Zusammenhang mit großen Infrastrukturprojekten – ein weltweites Problem.
Den Daten von Witness Radio zufolge sind in sieben von zehn Fällen von Zwangsräumungen die Verteidiger*innen gezielter Gewalt, Folter und willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. Oft werden sie fälschlicherweise wegen einer Vielzahl von Straftaten angeklagt, die von Hausfriedensbruch bis hin zu versuchtem Mord reichen. Ende Juni 2023 berichtete Witness Radio, dass immer mehr Umwelt- und Landrechtsverteidiger*innen, die fragwürdige Geschäfte aufdecken, ins Visier staatlicher Kontrollen geraten. Von 2010 bis 2023 waren das mehr als 1.500 Personen. Im Zusammenhang mit der Pipeline dokumentierte Witness Radio seit den ersten Baumaßnahmen 75 Fälle an willkürlichen Verhaftungen, Inhaftierungen und gewaltsamem Verschwindenlassen.
Die Opposition gegen die EACOP ist zu einer tödlichen Gefahr geworden. Aktivist*innen und Menschenrechtler*innen sind mit Hassreden, Verhaftungen, Folter und Todesdrohungen konfrontiert und werden als ,entwicklungsfeindlich’ dargestellt – mit der Begründung, sie würden Interessen der westlichen Länder fördern.
Der Widerstand geht weiter
So berichtet der ugandische Aktivist Bob Barigye, dass die staatlichen Sicherheitskräfte »falsche Anschuldigungen« verwenden, um Aktivist*innen festzunehmen. »Wir werden als Feinde des Staates betrachtet«, so Barigye. »Die Polizei zieht jetzt psychische Folter vor, weil physische Folter eine schlechte Publicity für das Ölpipeline-Projekt erzeugen würde, was Investor*innen und Versicherer abschrecken könnte. Die Regierung will nicht aus den falschen Gründen im internationalen Rampenlicht stehen.«
Nicht nur die Projektgegner*innen, sondern auch Journalist*innen tun sich in Uganda schwer, über die EACOP-Projekte zu berichten: Gerald Tenywa ist ein ugandischer Wissenschaftsjournalist, der seit Jahrzehnten intensiv über Umweltproteste berichtet. In einem Interview mit Drilled Media schildert er die Schwierigkeiten im Zuge der Berichterstattung über EACOP-Aktivist*innen, die den Bau der Pipeline kritisieren. Er nennt die Intoleranz der Regierung gegenüber Protesten als Hürde für die journalistische Arbeit und betont, dass in Entwicklungsländern »Öl und Politik fast immer verschmolzen sind«.
»Öl und Politik sind fast immer verschmolzen«
Emmanuel Okello arbeitet für das Uganda Radio Network in der ugandischen Albertine-Region. Ihm zufolge wird die Berichterstattung auch dadurch erschwert, dass die Regierung und die beteiligten Unternehmen die meisten wichtigen Informationen über die Ölprojekte unter Verschluss halten. »Es wird viel behauptet, um diese Projekte zu fördern, einschließlich der Entwicklung der Gemeinden«, so Okello, »aber das ist vor Ort nicht der Fall. Die Menschen profitieren nicht von den Projekten, sie zerstören nur ihre Lebensgrundlagen. Wenn man die Regierung fragt, wer genau die Nutznießer sind, von denen sie spricht, gibt es keine klare Antwort.«
Die Stimmen der betroffenen Gemeinschaften in die Öffentlichkeit zu tragen und die damit verbundenen Repressionen zu bewältigen, bleibt eine schwierige Aufgabe. Auch über den Rechtsweg Gerechtigkeit zu erreichen, ist mit Hürden verbunden. So hat das Gericht in Hoima den Antrag auf Einstellung der Zwangsräumungen der eingangs erwähnten 42 Familien in Buliisa zurückgewiesen.
Das Aufzeigen der Notlage dieser Gemeinschaften, der Schutz der Umwelt und die Unterstützung bei Gerichtsprozessen sind von entscheidender Bedeutung, insbesondere in einer Zeit, in der der Raum für die Zivilgesellschaft und die Medienfreiheit in Uganda immer kleiner wird. Das erfordert die Zusammenarbeit mit internationalen Gruppen und die Unterstützung der Zivilgesellschaften und Medien.