Buchcover Die Orte, an denen meine Träume wohnen

Zwei Brüder

Rezensiert von Linda Förster

28.10.2024
Veröffentlicht im iz3w-Heft 405

Der Roman Die Orte, an denen meine Träume wohnen erzählt die Geschichte zweier senegalesischer Zwillingsbrüder. Während Bouhel zum Philosophiestudium nach Frankreich gezogen ist, wo er eine Liebesbeziehung zu der polnischen Studentin Ulga beginnt, nimmt sich sein älterer Bruder Fodé in seiner Heimat dem traditionellen lokalen Wissen an.

Felwine Sarr, der selbst aus dem Senegal stammt, und der sich mit seinem Bericht zur Restitution afrikanischer Kulturgüter im Auftrag des französischen Präsidenten Macron sowie seinem Essayband »Afrotopia« in den letzten Jahren als einer der führenden postkolonialen Intellektuellen Afrikas einen Namen gemacht hat, legt hier seinen Debütroman vor. Es ist eine Erzählung mit Tiefgang und voller Intimität, die Sarr aus immer wieder wechselnder Personen- und Zeitperspektive erzählt, mal schlicht, mal poetisch. Obwohl Bouhel und Fodé weitgehend voneinander unabhängige Leben führen, wird die brüderliche Verbundenheit zwischen den beiden deutlich spürbar – besonders nach einem unverhofften, tragischen Unfall.

Während der Fokus des Romans klar auf den Brüdern Bouhel und Fodé liegt, versteht es Sarr auch, starke Frauenfiguren zu zeichnen – etwa Fodés Partnerin Mareme, eine NGO-Beraterin für lokale Entwicklung, die verständnisvolle und zielstrebige Ulga oder auch ihre besonnene und dennoch entschlossene Mutter.

Sarr hat in seinem Roman in gewisser Weise literarisch erschaffen, für was er in »Afrotopia« essayistisch plädiert: eine Hinwendung zu einem tiefgreifenden Humanismus, ausgehend von Afrika und afrikanischen Werten wie Würde, Gemeinschaftlichkeit, Gastfreundschaft, Bescheidenheit, Gründlichkeit und Ehrgefühl, eingeleitet durch eine spirituelle Revolution, die die Welt aus einer allein auf Geld und Kapital fokussierten Haltung zu retten vermag.

Felwine Sarr: Die Orte, an denen meine Träume wohnen. S. Fischer, Frankfurt am Main 2023. Aus dem Französischen von Doris Heinemann, 190 Seiten, 24 Euro.

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