»Und Männer sollten nicht in unserem Namen sprechen«
Gespräch mit den sudanesischen Friedensaktivistinnen Samia Nagar und Amira Ahmed
Audiobeitrag von Julia Duffner
02.10.2024
Seit April 2023 herrscht im Sudan erneut Krieg. Die blutigen Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces haben Tausenden das Leben gekostet. Über acht Millionen Menschen sind auf der Flucht. Zahlreiche Sudanes*innen verlassen ihr Heimatland in Richtung Kairo.
Dort schauten im April 2024 Studierende und Friedensaktivist*innen im Rahmen einer Summer School* zu Zwangsmigration und Vertreibung) und auf den blutigen Konflikt in Sudan. Julia Duffner vom südnordfunk hat in diesem Rahmen mit Samia Nagar und Amira Ahmed über die Rolle der Frauen in diesem Konflikt gesprochen.* Was ist aus den Friedensaktivist*innen geworden, die 2019 weltweit bejubelt wurden? Was aus der Hoffnung, dass ziviler Ungehorsam und starke Frauenstimmen den demokratischen Wandel bringen?
Skript zum Interview mit Amira Ahmed und Samia Nagar
Erstausstrahlung am 1. Oktober 2024 im südnordfunk #125 bei Radio Dreyeckland
Chor: Aswat Sudaneya, Sudanese Voices
Amira Ahmed: Je mehr man sich äußert, desto lauter wird man, und desto mehr könnte man in Gefahr geraten. Aber das ist der einzige Weg, um Veränderungen für die Situation der Frauen herbeizuführen.
Mein Name ist Amira Ahmed. Ich arbeite an der American University in Kairo und unterrichte Soziologie und Anthropologie. Momentan arbeite ich auch an Forschungsprojekten zu Migration, Geflüchteten und kulturellem Erbe.
Sprecherin: Sudanesische Frauen spielen eine entscheidende Rolle im Widerstand gegen den Krieg und kämpfen an vorderster Front für Demokratie und Frieden in ihrem Land. Bereits während der Proteste gegen das Regime von Omar al-Bashir waren sie eine treibende Kraft und führten die Revolution 2019 vorneweg an. Heute setzen sie sich weiterhin mutig für ein Ende der Gewalt und einen demokratischen Wandel ein – trotz der Gefahren und Hürden, denen sie täglich ausgesetzt sind.
In unserem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die Situation der Frauen im Sudan – zwischen Gewalt und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Akkustisch gerahmt ist der Beitrag von Musik eines sudanesischen Chors, der bei der Summer School aufgetreten sind: Aswat Sudaneya (übersetzt: Sudanese Voices).
Samia Nagar: Männer sollten nicht in unserem Namen sprechen. Das ist sehr wichtig. Ich bin Samia Nagar. Ich bin Anthropologin und Sozialwissenschaftlerin und habe an der Universität Khartum studiert. Lange Zeit habe ich als Forscherin gearbeitet, war einige Zeit bei UN-Organisationen tätig und habe auch in einem Forschungszentrum im Sudan gearbeitet.
Sprecherin: Der Sudan-Krieg begann im April 2023 als Machtkampf innerhalb der sudanesischen Armee, angeführt von General Abdel Fattah al-Burhan und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) unter General Mohamed Hamdan Dagalo (Hemeti). Die Wurzeln des Konflikts liegen in der politischen Instabilität nach dem Sturz von Diktator Omar al-Baschir 2019, tiefen ethnischen und regionalen Spannungen sowie dem gescheiterten Übergang zur Demokratie.
Amira Ahmed: Im Grunde genommen handelt es sich bei diesem Krieg um einen Machtkampf zwischen zwei bewaffneten Gruppen. Aber er wird zunehmend komplizierter, weil er in einer Zeit kommt, in der der Sudan ohnehin bereits zerrissen ist. Durch Kriege, Instabilität und auch durch ethnische Konflikte. Leider verschärft dieser Krieg eine rassistische Ideologie und ethnische Unterschiede werden derzeit als Kriegswaffe eingesetzt. Momentan stehen etwa 70 Prozent des Sudans entweder unter der Kontrolle einer der Konfliktparteien oder zumindest eines Teils von ihnen. Rund zehn Millionen Menschen wurden vertrieben, mehr als die Hälfte davon Frauen und Kinder. Außerdem sprechen wir von fast zwei Millionen Menschen oder mehr, die gezwungen waren, in Nachbarländer zu fliehen.
Der Krieg verursacht die größte humanitäre Krise in der jüngeren Geschichte. Warum schweigt die Welt dazu? Warum spricht die Welt nicht über den Sudan?
Sprecherin: 2019 wurde Omar al-Bashir nach 30 Jahren in einer Revolution gestürzt. Vor allem viele Frauen erhoben ihre Stimmen und forderten mit erhobenen Händen die Demokratie. In einem kollektiven Widerstand gingen sie auf die Straße, um gegen politische Unterdrückung, wirtschaftliche Instabilität und sexualisierte Gewalt zu protestieren.
Samia Nagar: Für islamistische Regime von 1989 bis 2018, also fast 30 Jahre, waren es junge Frauen, die seit 2003 wirklich Widerstand geleistet haben. Sie beteiligten sich an Demonstrationen und widerstanden dem Regime. In den Jahren 2013 und 2016 wurden einige junge Frauen bei diesen Demonstrationen getötet. Und ja, bis 2018 führte dieser Widerstand zu einer Revolution, die von jungen Frauen und Männern angeführt wurde. Doch die Mehrheit waren Frauen.
Amira Ahmed: Die Revolution von 2018 wird auch als Frauenrevolution bezeichnet. Wenn man sich die Fotos von der Revolution ansieht, stellt man fest, dass die Mehrheit der Demonstrationen und Sitzblockaden tatsächlich von Frauen getragen wurde. Während der Vorbereitung der Übergangsregierung und der Ausarbeitung des Verfassungsdokuments sollten Frauen ursprünglich 50 Prozent der Sitze in der Exekutive und im Rat erhalten, doch das ist nie passiert.
Specherin: Nach de m Sturz al-Bashirs wurde eine Übergangsregierung eingesetzt, die jedoch 2021 durch einen Militärputsch gestürzt wurde. Die Dominanz des Militärischen in der Politik ist verblieben, und mit ihr die Gewalt gegen Frauen und deren Marginalisierung. Seit der Revolution hat die sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt nicht abgenommen; vielmehr üben die Konfliktparteien systematisch sexualisierte Gewalt gegen Frauen und ethnische Minderheiten aus.
Amira Ahmed: Die Menge an geschlechtsspezifischer Gewalt, die gegen Frauen und Männer verübt wird, ist enorm. Aber wahrscheinlich tragen Frauen in Kriegen immer die schwerste Last. Es handelt sich um alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich Entführung, Menschenhandel, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsarbeit, erzwungene Schwangerschaft, Frauen, die keinen Zugang zu medizinischen Zentren haben und Schwierigkeiten bei der Geburt. Hinzu kommt, dass Mädchen nicht zur Schule gehen können.
»Wir wollen das nicht.«
Fast 20 Millionen sudanesische junge Frauen und Männer, die eigentlich in die Schule gehen sollten, können dies nicht, weil die Schulen nicht funktionieren. Wir sprechen hier von einer Krise, bei der wir nicht wissen, wohin sie uns führen wird. Die sudanesische Zivilbevölkerung ist extrem machtlos und kann nichts dagegen tun. Denn jetzt sprechen die Waffen. Es liegt außerhalb der Möglichkeiten der sudanesischen Zivilbevölkerung, irgendetwas zu tun, außer sich Tag für Tag am Leben zu halten. Manche werden es schaffen, manche werden scheitern.
Sprecherin: Was ist die Rolle von Frauen in dem Konflikt?
Amira Ahmed: Leider wissen wir alle, dass Frauen keine Kriege beginnen, aber sie müssen die Folgen tragen. Angefangen bei der Aufgabe, die Familie zusammenzuhalten, bis hin zur erlittenen sexuellen Gewalt, insbesondere jetzt in Khartum und Darfur. Frauen werden gezwungen, sexuelle Beziehungen mit Soldaten beider Konfliktparteien einzugehen – im Tausch für Essen. Im Fall der sudanesischen Armee (SAF) geschieht dies im Tausch gegen Lebensmittel, während die Rapid Support Forces (RSF) die Häuser plündern und die wertvollen Gegenstände mitnehmen. Sie lassen vielleicht ein paar Stühle oder einfache Dinge zurück, und manche sehr arme Frauen, die zuvor vom Verkauf von Tee oder kleinen Sandwiches auf der Straße lebten, bitten die RSF darum, das restliche Hab und Gut mitzunehmen, damit sie es auf dem Markt verkaufen können, um zu überleben. Doch die RSF-Soldaten akzeptieren das nur im Tausch gegen Sex. Frauen müssen also die Familie zusammenhalten und gleichzeitig ums Überleben kämpfen.
Sprecherin: Doch neben dem Bild der flüchtenden und ausgebeuteten Frauen stehen Bilder von Frauen, die Verantwortung und Engagement übernehmen.
Samia Nagar: Die Frauen in diesen Stadtvierteln mobilisierten sich, als sie von den Vertreibungen erfuhren. Sie entschieden, dass die Schulen in der Nachbarschaft als Unterkünfte dienen können, und begannen, diese vorzubereiten. Sie sammelten Gelder, um Unterkünfte für die vertriebenen Frauen zu finanzieren. In einigen Gebieten setzten sie ihre Unterstützung fort und sorgten für Lebensmittel und andere Bedürfnisse, wie zum Beispiel Sanitary Pads.
Sprecherin: Durch den Krieg müssen viele Menschen und Familien ihre Wohnorte verlassen. Familien mit finanziellen Ressourcen kommen häufig in Gastfamilien oder bei Freund*innen oder Verwandten unter. Andere fliehen in Notunterkünfte in Schulen, in weniger betroffenen Regionen. Viele übernehmen die Verantwortung auf der Flucht und in den Notunterkünften.
Samia Nagar: Die Rollen der Frauen verändern sich: ihre sozialen und wirtschaftlichen Rollen sowie ihr öffentliches Engagement. Das ist wahr, und das liegt daran, dass der Krieg die sozialen Strukturen zerbrochen hat. Einige von ihnen haben es geschafft, in den Ausschuss für die Unterkünfte einzutreten. Dort müssen sie Entscheidungen treffen und interagieren. Der Ausschuss hat die Verantwortung für die Bereitstellung von Dienstleistungen. Das stellt einen echten Wandel in ihren Rollen da, von Hausfrauen zu Mitgliedern eines Ausschusses. Gleichzeitig engagieren sich viele Frauen in den Unterkünften freiwillig in von Frauen und Jugendlichen geführten Gruppen, um Altenpflege und manchmal auch medizinische Unterstützung anzubieten. Sie organisieren Unterricht für Kinder und tragen zur Sensibilisierung untereinander bei, denn es gibt dort viele geschlechtsspezifische Gewalt, die von Männern ausgeübt wird.
Sie haben Kontakt zu aktivistischen Frauen aufgenommen und ihr Interesse bekundet, den Konfliktparteien zu sagen: »Wir wollen das nicht.« Die Frauen bekräftigen, dass sie sich ermächtigt fühlen, dass sie nicht nur Hausfrauen sind, sondern dass sie Macht haben und eine laute Stimme erheben können. Wir müssen uns in den Verhandlungen selbst vertreten. Und Männer sollten nicht in unserem Namen sprechen. Das ist sehr wichtig.
Sprecher: Ihr hört ein Interview mit den sudanesischen Friedensaktivist*innen Samia Nagar und Amira Ahmed. Julia Duffner hatte im Rahmen einer Summer School in Kairo Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Der Chor im Hintergrund singt ebenfalls bei dieser Gelegenheit in Kairo. Er nennt sich Aswat Sudaneya, Sudanese Voices. Im zweiten Teil des Interviews geht es u.a. darum, wie die Friedensaktivist*innen arbeiten, von praktischer Nothilfe bis zur vernetzten Friedensarbeit. Und um die Frage, ob und wie es nach dem Krieg weitergeht.
Samia Nagar: Vor dem Krieg gab es viele Frauenorganisationen. Nationale Frauen gründeten diese und registrierten sie unter verschiedenen Namen wie Gruppenorganisationen (NGOs) oder Initiativen. Die Organisationen bestanden aus Frauen aller Altersgruppen, während einige speziell von und für junge Frauen gegründet wurden. Diese Gruppen hatten unterschiedliche Schwerpunkte: Einige konzentrierten sich auf geschlechtsspezifische Gewalt, andere auf feministische Themen. Hauptsächlich zielten sie darauf ab, Frauen zu stärken, indem sie ihnen Wissen, Fähigkeiten und Trainingsmöglichkeiten boten, um ihr Leben zu verändern.
Nach dem Ausbruch des Krieges sind neue Gruppen entstanden, wie zum Beispiel die Gruppe »Sudan Peace« oder »Nein zum Krieg«. Es gibt viele neue Gruppen, die sich neben den alten etabliert haben, und einige der neuen wurden von Mitgliedern der alten Organisationen gegründet.
Amira Ahmed: Auch in der Zeit nach dem Krieg, wird oft betont, wie wichtig es ist, dass wir eine Regierung mit Frauen nach dem Krieg haben. Sie sagen, dass sie bereits ihre Hausaufgaben gemacht haben und eine Art Schattenregierung vorbereitet haben, die beschreibt, was nach dem Krieg kommen könnte. Sie sind also sehr aktiv. Ein weiterer wichtiger Prozess, an dem ich ebenfalls teilnehme, ist die Dokumentation dieser Gräueltaten und geschlechtsspezifischen Gewalt, einschließlich Vergewaltigungsfällen. Bereits seit Beginn des Krieges haben sie damit begonnen, diese Fälle zu melden und sie an die UN zu übermitteln, speziell an die Sonderberichterstatterin für geschlechtsspezifische Gewalt,. Ich habe persönlich einen Brief an die Vertreterin verfasst, in dem wir sie über diese Fälle informierten, und sie haben eine Untersuchung eingeleitet.
Sprecherin: Die Frauenorganisationen setzen sich aktiv für Frieden ein, indem sie Treffen mit internationalen Akteur*innen, wie Botschafter*innen und sudanesischen Politiker*innen, arrangieren. Sogar Gespräche mit beiden Kriegsparteien, der RSF und SAF, wurden virtuell organisiert – so verschaffen sie den Stimmen der Frauen Gehör, auch wenn ihr Einfluss noch begrenzt ist.
Samia Nagar: Sie setzen sich für die Beendigung des Krieges ein, für Verhandlungen und dafür, wirklich über Frieden zu sprechen; und um ins Detail zu gehen, was nach dem Krieg kommt und wie wir das demokratisch gestalten können. Ich habe dir gerade gesagt, dass eine der Gruppen sogar eine Regierung gebildet hat. Eine demokratische Regierung mit den Namen der Frauen. Eine der Gruppen hat gesagt, dass sie führen werden und dass sie bald eine Regierung haben werden. Die WhatsApp-Gruppe nennt sich ThinkTank. Sie haben einen Plan für den Regierungsprozess und wie dieser ablaufen kann. Und sie diskutieren alles.
Sprecherin: Im August fanden in Genf Verhandlungen über eine Waffenruhe im Sudan statt, die von der internationale Gemeinschaft initiiert wurden. Die Gespräche konzentrierten sich auf humanitäre Anliegen und die Bedingungen für einen dauerhaften Waffenstillstand, um die anhaltenden Kämpfe zu beenden und die humanitäre Krise zu mildern. Es wurden allerdings keine endgültigen Lösungen gefunden.
Amira Ahmed: Nach all diesen Verhandlungen und Friedensgesprächen ist wirklich nichts Konkretes passiert. Ich sehe keinen Fortschritt. Ich weiß, dass diese Initiativen es wirklich versuchen, aber ich sehe keinen Erfolg darin, den Krieg zu stoppen.
Sprecherin: Denkst du, es gibt die Chance auf eine Waffenruhe?
Samia Nagar: Ich habe Hoffnung. Unsere Hoffnung ist, dass die beiden kämpfenden Gruppen bald erschöpft sein werden. Ich denke, der Krieg könnte noch ein Jahr andauern, aber nicht länger. Sie werden müde werden, und es gibt Druck auf die Vereinigten Arabischen Emirate, die Waffen liefern. Auch Russland muss die Unterstützung der RSF einstellen. Die Regierung und das Militär sollten an einem bestimmten Punkt einsehen, dass es so nicht weitergehen kann.
Es gibt jetzt gemischte Gruppen aus Männern und Frauen, die wirklich hart arbeiten und sich intensiv für den Frieden einsetzen. Sie arbeiten wirklich für den Frieden, und deshalb habe ich Hoffnung, dass all dies zu einem Ende führen könnte. Aber das Problem ist, dass die Zerstörung so groß, so enorm ist – die Infrastruktur ist völlig zerstört
Amira Ahmed: Ich weiß, dass viele Menschen in Khartum, Wad Madani, Singa und Dinder getötet wurden, nur weil sie Merkmale hatten, die nicht mit denen der Mehrheit der RSF-Anhänger übereinstimmten. Das ist beängstigend, denn selbst wenn die beiden Konfliktparteien morgen einen Friedensvertrag schließen und der Krieg vorbei ist, weiß ich nicht, wie man das soziale Gefüge der Gesellschaft wiederherstellen kann. Ethnische Spaltungen sind ein wirksames Mittel, um Menschen zu trennen, aber es ist äußerst schwierig, die Menschen wieder zusammenzuführen, ohne sich an diese ethnischen Unterschiede zu erinnern.
Specherin: Was forderst du von der internationalen Gemeinschaft?
Amira Ahmed: Internationale Organisationen sollten tatsächlich mit sudanesischen Frauengruppen zusammenarbeiten, um sich darüber zu informieren, was in Sudan passiert. Sie sollten sich dafür einsetzen, den Krieg zu beenden und die Verletzungen der Rechte von Frauen zu stoppen. Sie sollten auch darüber sprechen, was gerade passiert, und Druck auf die internationale Gemeinschaft ausüben, um Gerichtsverfahren und Entschädigungen für Frauen zu erwirken, die diese Verletzungen durchmachen mussten. Und nicht nur für Frauen – wir wissen natürlich, dass Frauenrechte Menschenrechte sind, also im Grunde genommen das gesamte Thema der Menschenrechte im Sudan. Aber natürlich könnten Frauenorganisationen insbesondere auf das Schicksal ihrer Mitstreiterinnen in Sudan und auch auf die Lage der geflüchteten Frauen fokussieren, insbesondere in den Nachbarländern. Denn dort gibt es eine weitere Reihe von Menschenrechtsverletzungen, mit denen diese Frauen in ihrer Vertreibung konfrontiert sind.
Sprecherin: Die Menschen im Sudan fühlen sich angesichts der zahlreichen globalen Konflikte vergessen und vernachlässigt, da ihr Leid oft von der internationalen Gemeinschaft übersehen wird. Trotz der schweren humanitären Krise und weitverbreiteten Gewalt im Land fehlt es an ausreichend Aufmerksamkeit und Unterstützung von internationalen Organisationen und Medien.
Amira Ahmed: Ich denke, ja, ich würde sagen, dass die internationale Gemeinschaft uns als Sudanes*innen im Stich lässt, und wir haben das Gefühl, dass unser Leben nicht als wertvoll angesehen wird. Ich weiß, dass die Welt auf Machtverhältnissen basiert und dass es Länder und Menschen gibt, die mächtiger sind als andere. Aber ich dachte, dass wir in Zeiten der sozialen Medien und des Bewusstseins für unsere Rechte, besonders als Frauen, eine stärkere Stimme hätten, um marginalisierten Gruppen und Menschen in Kriegsgebieten wie dem Sudan Gehör zu verschaffen.
Sprecherin: Sudanesische Frauen kämpfen gegen den Krieg und für eine friedliche Zukunft. Der Widerstand gegen patriarchale Strukturen und die Suche nach Auswegen aus dem Teufelskreis der Gewalt ist ungebrochen. Doch die internationale Gemeinschaft darf nicht bloß zusehen. Sie hat die Verantwortung, die Gewaltverbrechen aufzuklären und die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Dr. Amira und Dr. Samia haben uns gezeigt, dass es viele Wege gibt, sich zu engagieren – durch Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen und gezielte Aufklärungsarbeit.