120 Jahre später
Zur Aktualität des Völkermords 1904 bis 1908 in Namibia
Der Völkermord des Deutschen Reichs in der damaligen Kolonie »Deutsch-Südwestafrika« fand vor Bestehen der UN-Völkermordkonvention statt. Was geschah damals und wie gehen die Nachfolgegesellschaften damit um?
Im April 2015 erinnerte Papst Franziskus an den hundertsten Jahrestag des Völkermords an Armenier*innen im Osmanischen Reich. Er bezeichnete ihn, unzutreffend, als »ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts«. Wenig später diskutierte der Deutsche Bundestag eine Resolution zur Anerkennung dieses Völkermords. Dagegen erfolgte Protest aus der Türkei, die dem Osmanischen Reich nachfolgte und den Genozid totschweigen will.
Allein der Abgeordnete Cem Özdemir erinnerte in der Bundestagsdebatte daran, dass auch Deutschland es versäume, einen vom deutschen Staat verantworteten Völkermord anzuerkennen und sich angemessen damit auseinanderzusetzen. Dabei handelt es sich um die Vernichtungskampagne der deutschen kolonialen ’Schutztruppe’ und Verwaltung, die sich 1904 bis 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, gegen OvaHerero und Nama richtete.
Als im Juni 2016 der Deutsche Bundestag die Armenien-Resolution verabschiedete, beschuldigte der türkische Präsident Erdoğan Deutschland der Heuchelei – angesichts des Schweigens über die eigenen Kolonialverbrechen.
Von der Kolonialpropaganda …
Diese Diskussionen zeigen, dass es in Deutschland Fortschritte in der Aufklärung des Völkermords in Namibia gibt. Aber auch wenn es dazu inzwischen eine beachtliche wissenschaftliche Forschung und punktuell Aufmerksamkeit in den Medien gibt, spielen diese Ereignisse in der offiziellen Politik und den öffentlichen Debatten kaum eine Rolle. Diese Ausblendung der kolonialen Vergangenheit lässt sich noch immer mit kolonialer Amnesie bezeichnen.
In