
»Sie haben sich weiterentwickelt«
Der Islamismus alter Prägung verliert seine Anziehungskraft
Von deutschen Schulen bis in die Interimsregierung Syriens: Meistens haben islamistische Bestrebungen heute ein moderateres Antlitz. Ist das ihr neuer Gehalt oder ist es eine neue Strategie?
»Warum sollte ich mich einmischen?« fragt ein Schüler der Klasse einer Berufsoberschule in Berlin. »Weil du Verantwortung für deine Mitmenschen hast. Weil es nicht fair ist, wenn jemand wegen seiner Religion diskriminiert wird«, antwortet ihm eine engagierte Schülerin. Die Klasse diskutiert an diesem Tag über weltanschauliche und religiöse Vielfalt. Es geht um Konflikt-Situationen. Eben sollten sie Argumente finden, warum eine Lehrerin niemanden im Ramadan zum Trinken zwingen darf. Jetzt stellen sie eine Schulhofsituation dar, in der ein Kind gehänselt wird, weil es ein Leberwurstbrot hat. Die Schülerin will den Schüler, der sich nicht einmischen will, im Rollenspiel ersetzen. Mit Verve erläutert sie, dass Christen nun mal Schweinefleisch essen dürfen: »Das ist ihre Religion und Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Akzeptiert das!«
Die engagierte Schülerin erzählt an diesem Tag der Klasse noch einiges über Toleranz, Menschenrechte und Verantwortung mündiger Bürger. In der Nachbesprechung sagt mein Co-Trainer: »Die war der Hammer, genau unsere Botschaften. Aber wenn ich sie vorher auf der Straße getroffen hätte, hätte ich totale Vorurteile gehabt.« Er stammt aus Syrien und er hat die Kleidung der Schülerin wie auch ich gedeutet. Sie trug Khimar und Abaya: ein Kopftuch, das bis zum Bauchnabel reicht und darunter ein bodenlanges Gewand, das kaum die Fußspitzen erkennen lässt.
»Ereignisse, die vor 1.400 Jahren stattfanden … was haben sie mit uns zu tun?«
Mit dem Kopftuch ist es wie mit Moden: Es zeigt Gruppenzugehörigkeit an. Liberale