Kulturkampf statt Klassenkampf
Post-sowjetische Klassenrealität in Georgien und der Ukraine
Über 70 Jahre war die Sowjetunion ein vorgeblich revolutionäres Projekt. Sie versprach im Jahr 1917 die »Diktatur des Proletariats« und in der Verfassung von 1977 eine »klassenlose Gesellschaft«. 33 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion sind die Nachfolgestaaten von extremer Ungleichheit und kapriziösen Klassenstrukturen geprägt. Wie lebt es sich in und nach diesem Auf und Ab? Dazu forschen Sopo Japaridze, georgische Gewerkschafterin und Podcasterin sowie Peter Korotaev, Forscher mit russisch-ukrainischen Wurzeln. Beide sind im Westen aufgewachsen und als junge Erwachsene in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt. Almut Rochowanski sprach mit ihnen über die Klassenaspekte der post-sowjetischen Länder.
Die Sowjetunion war nicht wirklich »klassenlos«. Höhere Beamte und Intellektuelle genossen materielle Vorteile und Privilegien. Diese wirkten zum Teil über den Verfall der Sowjetunion hinaus, aber mit starken Verzerrungen.
Der Forscher Peter Korotaev beschreibt in Bezug auf Klasse die Figur des trinkenden Gelegenheitsarbeiters und Kleinkriminellen, die in sowjetischen Filmen ab den 1960er-Jahren vermehrt auftaucht. Ihr steht oft ein seriöser, kultivierter Student gegenüber. Das wirkt wie eine Parallele zu dem unüberbrückbaren Abgrund, den die heutige liberale Elite zwischen sich und der ‚barbarischen‘ Arbeiterklasse sieht. Der Zerfall der Sowjetunion kann für die Privilegierten auch als Abkehr von solidarischen Idealen der Arbeiterschaft gesehen werden. Eine Transformation, die in erster Linie den Wohlhabenden und Mächtigen diente. Der Rest musste sich ab den 1980er-Jahren oft illegal betätigen, um es zu etwas zu bringen oder auch nur überleben zu können.
Wachsende Klassenkluft
In Georgien steht Klasse heute vor allem für extreme Ungleichheit und Armut. Es gi