Unsichtbare Heldinnen der Geschichte
Rezensiert von Sara Fromm
10.12.2024
Veröffentlicht im iz3w-Heft 406
»Muse, Sekretärin, Ehefrau« – die drei Rollen, die Frauen in der Geschichte zugeschrieben wurden. Und mit denen sie sich doch bitte auch zufriedengeben sollten.
Leonie Schöler porträtiert in ihrem ersten Sachbuch Beklaute Frauen diejenigen, die sich nicht damit zufriedengaben. Sie beschreibt darin »Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen« aus sozialen Bewegungen, sowie in der Kunst, der Wissenschaft und im Krieg. Mal sind sie Erschafferinnen, mal stille Möglichmacherinnen durch Sorgearbeit für den erfolgreichen Ehemann. So leisteten sie einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft–bekamen dafür aber nie ihren rechtmäßigen Platz in der Geschichte. Schöler stellt kritischen Analysen gesellschaftlicher Dynamiken, etwa die der Macht der Ehe, neben ihre rekonstruierten Porträts bedeutender – aber vergessener – Frauen und kreiert so einen neuen Blick auf die Geschichte.
Der Fokus von Schöler bleibt, wie der Name des Buches schon verrät, bei »Frauen«. Und meint oft weiße Frauen. Porträts von nicht-weißen Frauen behandelt Leonie Schöler nur sehr vereinzelt. Dessen ist sich die Historikerin aber auch bewusst und begründet das etwa mit ihrem Forschungsschwerpunkt in europäischer Geschichte – und der strukturellen Diskriminierung, die Frauen, die nicht in das Bild von »weiß, cis, gebildet, Mittelklasse/reich« passten, einen noch größeren Randplatz in der Gesellschaft zuwiesen. Intersektionale Elemente und die Unsichtbarmachung von BIPoC, jüdischen, queeren und behinderten Menschen werden am Rande immer wieder erwähnt, aber bleiben leider zumeist eben das: eine Randerscheinung. So ging es auch der algerischen Künstlerin Baya, die Pablo Picasso in den 1940er-Jahren mit ihrem einzigartigen, abstrakten Stil inspirierte. Sie arbeitete sogar für ihn und erhielt im Gegenzug als »ungebildete Künstlerin eine neue Perspektive«.
Schöler schafft mit ihrer klaren Sprache trotz einiger Jahreszahlen eine Lebendigkeit, die das Lesen der gut 300 Seiten auch für eher Geschichtsfaule leicht macht.
Beklaute Frauen ist ein Buch für Geschichtsinteressierte, die sich wundern, wo all die bemerkenswerten Frauen in unserer Geschichtsschreibung abgeblieben sind, aber auch für Feminist*innen, für die historische Themen sonst eher nach staubigen Angelegenheiten klingen.