"Die Araber von Palästina" von Martha Gellhorn, Rezension

Geflüchtete in Permanenz

Rezensiert von Julian Castan

14.02.2025
Veröffentlicht im iz3w-Heft 407

»Am besten betrachtet man die Sache, indem man auf die Flüchtlinge selbst schaut, nicht als ein »Problem« auch nicht als Statistik, sondern als Menschen. Die palästinensischen Flüchtlinge, übel zugerichtet durch dreizehn Jahre in der Arena internationaler Politik, haben ihre Gestalt verloren; sie erscheinen wie ein Haufen und werden behandelt wie ein Objekt. Aber sie sind Individuen wie alle anderen auch.« Zu dieser Erkenntnis kommt Martha Gellhorn (1908-1998) in ihrer Reportage Die Araber von Palästina, die auch Titel gebend für das in der Edition-Tiamat erschienene Büchlein ist. Die fünf »Reportagen über arabische Flüchtlinge, Eichmann und den Sechstagekrieg« wurden alle in den 1960ern für englischsprachige Zeitungen verfasst. Mit Bildern aus einem »interessierten durchschnittlichen Lesekreis« im Kopf, besucht Martha Gellhorn über den Mai und Juni 1961 Gaza, Jordanien und den Libanon. Neben hoffnungsvollen und sich nach Frieden sehnenden Lebensentwürfen begegnet ihr in Interviews eine Rhetorik die stets auf den nächsten Schlag gegen Israel schielt und in dessen Vernichtung ein Heilsversprechen für alle weiteren Sorgen sieht.

Sie sah sich stets als »Aufnahme­gerät mit Augen und Ohren«

Wie der gesonderte und auf Rückkehr ausgerichtete Flüchtlingsstatus für Palästinenser*innen (de facto ein Ausschluss aus der Genfer Flüchtlingskonvention) und das eigens geschaffene Flüchtlingshilfswerk UNWRA zum Spielball der arabischen Staaten wird, bringt Gellhorn bald der Verzweiflung nah. Sie, die seit dem spanischen Bürgerkrieg von einem Kriegsschauplatz zum nächsten reiste, sah sich stets als »Aufnahmegerät mit Augen und Ohren«, doch mit dem analytischen Blick einer Kriegsreporterin, die das eigene Urteilsvermögen nicht scheut. Gerade das macht die Autorin zu einer Gesprächspartnerin, die ihr Gegenüber als handlungsfähiges Subjekt ernst nimmt. Dabei durchbrechen ihre Reportagen auf erfrischende Weise das immer wieder gezeichnete Bild einer palästinensischen Schicksalsgemeinschaft deren Handeln ausschließlich als Reaktion auf Israel zu verstehen ist.

Wem während des Lesens die erschreckenden und traurigen Parallelen von Instrumentalisierung und Verhetzung zu heute nicht entgegenspringen, wird spätestens mit dem Nachwort von Klaus Bittermann in das hier und jetzt nach dem 7.Oktober geholt. Unter anderem macht Bittermann darauf aufmerksam, wie sich für Martha Gellhorn während ihres ersten Besuchs in Israel/Palästina 1949 das »Gefühl des Jüdischseins« präsent macht – vielleicht rührt auch daher ihre Unnachgiebigkeit und Ergreifung von Parteilichkeit.

Julian Castan

Martha Gellhorn: Die Araber von Palästina. Reportagen über arabische Flüchtlinge, Eichmann und den Sechstagekrieg. Edition TIAMAT Berlin 2024, 174 Seiten, 18 Euro.

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