
»Schwarze Menschen hatten keine Rechte«
Interview mit Robbie Aitken über Schwarze Menschen im Nationalsozialismus
Robbie Aitken ist Professor für Kolonialgeschichte an der Sheffield Hallam University in Großbritannien. Seit Ende der 1990er-Jahre beschäftigt er sich mit der Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland. Im Interview mit iz3w spricht er darüber, wie es Schwarzen Menschen im NS erging und warum ihre Geschichte bis heute kaum bekannt ist.
iz3w: Gibt es eine bestimmte Geschichte, die Ihnen in den Sinn kommt, wenn Sie nach Schwarzen Menschen im NS gefragt werden?
Robbie Aitken:Es ist schwierig, eine einzelne Geschichte herauszugreifen. Doch eine der aufschlussreichsten war die einer Frau namens Martha Ndumbe. Martha war die Tochter eines Kameruners, Jakob Ndumbe, der 1896 nach Deutschland kam. Er war Teil eines sogenannten Menschenzoos in Berlin. Ich hatte Nachforschungen über Jakob angestellt, doch ich wusste zunächst nicht, dass er eine Tochter hatte – bis ich in den Archiven des Roten Kreuzes einen Brief aus den 1950er-Jahren fand. Marthas Mutter beantragte darin eine Entschädigung, weil ihre Tochter in einem Konzentrationslager gestorben war.
Dieser Fall, auf den ich erst nach etwa zehn Jahren Recherche stieß, symbolisiert für mich vieles, worauf man trifft, wenn man zu Schwarzen Menschen während des NS forscht. Er zeigt die extremen Bedingungen, denen diese Menschen ausgesetzt waren. Martha etwa kam ins KZ Ravensbrück, vermutlich wurde sie als ‚Asoziale‘ eingestuft und dort ermordet. Ihre Mutter versuchte in der Nachkriegszeit eine Entschädigung zu bekommen, weil ihre Tochter ein Opfer des Nationalsozialismus gewesen war. Doch die Nachkriegsbehörden haben den Antrag nicht gutgeheißen. Martha wurde sowohl im Leben als auch nach ihrem Tod an den Rand gedrängt. Ihre Geschichte geriet in Vergessenheit. I