Sammelband "Rechts, wo die Mitte ist" von Thorsten Mense und Judith Goetz, Rezension

Dringend nötig

Rezensiert von Larissa Schober

14.02.2025
Veröffentlicht im iz3w-Heft 407

Die AfD schickt sich an, bei der im Februar anstehenden Bundestagswahl zweitstärkste Kraft zu werden. Auch zwölf Jahre nach der Gründung der Partei rätselt man in Deutschland weiter darüber, wie das eigentlich passieren konnte. Antworten auf diese Frage sind immer noch erstaunlich rar gesät, gerade auch aus linker Perspektive. Der Sammelband Rechts, wo die Mitte ist will das ändern. Der Titel ist Programm: Der Band versammelt linke Kritik und Analysen über die AfD, mit einem Fokus auf die Modernisierung des Rechtsextremismus.

Zur Kritik gehört auch, die AfD nicht als extrem­istischen Gegen­part der bürger­lichen Mitte zu beschreiben

Was sie mit linker Kritik meinen, machen die Herausgeber*innen Judith Goetz und Thorsten Mense in der Einleitung deutlich: »Für uns bedeutet das, die AfD als Teil einer gesamtgesellschaftlichen autoritären Entwicklung zu begreifen und nicht die bürgerliche Demokratie vor der AfD retten zu wollen, sondern die Partei vielmehr als Ausdruck der sich zuspitzenden und krisenhaften Verhältnisse anzusehen. Zu dieser Kritik gehört auch, die AfD nicht als extremistischen Gegenpart der bürgerlichen Mitte zu beschreiben, sondern als eine rechtsextreme Partei, die aus eben dieser Mitte hervorgeht.« Diesen Anspruch löst der Band ein, ohne in Verbalradikalismus zu verharren.

Er zeichnet die Entwicklung der AfD und eines modernisierten Rechtsextremismus nach und spannt den Bogen vom angeblichen Fußball-Sommermärchen 2006 bis zur Normalisierung des Rechtsextremismus der letzten Jahre. Neben einer gesamtgesellschaftlichen Einordnung beschäftigen sich einzelne Beiträge unter anderem mit der Social-Media-Strategie der Partei und ihrem Verhältnis zu Burschenschaften, zur Ökologie und Geschichtspolitik. Leser*innen, die sich nicht zum ersten Mal mit der AfD auseinandersetzen, wird manches bekannt sein und einige wenige Artikel sind etwas akademisch-dröge geraten, doch insgesamt stellt der Band einen gelungenen Rundumschlag in der Auseinandersetzung mit der AfD dar, wie er bisher gefehlt hat.

Besonders interessant ist dabei der Teil über »scheinbare Widersprüche« in der AfD. Denn die Autor*innen nehmen diese Widersprüche ernst. Judith Goetz analysiert das Engagement von trans Personen in der Partei, Kira Ayyadi setzt sich damit auseinander, wieso Menschen mit Migrationsbiografie die AfD wählen. Und wer sich schon immer gefragt hat, wie die Queerfeindlichkeit mit einer lesbischen Vorsitzenden zusammengeht, findet im Beitrag von Patrick Wielowiejski eine Antwort.

Larissa Schober

Judith Goetz, Thorsten Mense (Hg.): Rechts, wo die Mitte ist: Die AfD und die Modernisierung des Rechtsextremismus. Unrast, Münster 2024. 320 Seiten, 19,80 Euro.

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