Gedenkkopf eines Königs des Königreichs Benin, die Restitution Study Group kritisiert die Rückgabe der Bronzen
Gedenkkopf eines Königs des Königreichs Benin | Foto: Staatliche Museen zu Berlin; Claudia Obrocki CC BY-NC-SA 4.0

Reparation statt Restitution

Eine Schwarze Stimme gegen die Rückgabe von Benin-Bronzen

Im Jahr 2000 gründete die Juristin Deadria Farmer-Paellmann die Restitution Study Group. Das ist eine gemeinnützige Organisation in den USA, die sich einer Heilung der Folgen der Versklavung verschrieben hat. Sie nimmt die Perspektive der Nachkommen ein – auch bezüglich der Rückgabe geraubter Benin-Bronzen.

von Ines Tönissen

08.04.2025
Veröffentlicht im iz3w-Heft 408

Die Restitution Study Group (RSG) fordert etwa US-Unternehmen dazu auf, für ihre historische Beteiligung am transatlantischen Versklavungshandel Wiedergutmachung zu leisten. Das funktioniert hauptsächlich durch rechtlichen Druck. Darauf ist die RSG-Gründerin Deadria Farmer-Paellmann spezialisiert. Schon als Jura-Studentin verklagte sie Konzerne wie das Versicherungsunternehmen Aetna Inc., das Eisenbahnunternehmen CSX und verschiedene Banken, die in der Vergangenheit vom System der Versklavung profitiert hatten. Zwar scheiterten viele dieser Klagen, doch sie waren öffentlichkeitswirksam. Die aus Farmer-Paellmanns Klagen resultierenden finanziellen Mittel fließen in einen Community Trust Fund. Daraus wird die Chancenungleichheit bekämpft, unter der viele Schwarze Menschen noch immer leiden.

»Bisher hat sich niemand um die Ver­sklavten geschert«

Zuletzt kam die Restitution Study Group in die Schlagzeilen, weil sie das Smithsonian Institut in Washington D.C. verklagte. Ihre Forderung: Die geplante Rückgabe der im Smithsonian National Museum of African Art gelagerten Benin-Bronzen an Nigeria und den Oba von Benin, Nachkomme des Königshauses des ehemaligen Königreichs Benin, soll gestoppt werden. Das überrascht, denn andernorts gelten Rückgaben als Teil der Aufarbeitung und Wiedergutmachung von Kolonialverbrechen.

Für die RSG gilt diese Restitution aus den USA jedoch als ein Zeichen der Ignoranz. Denn bevor der Palast des Obas bei einer britischen Strafexpedition geplündert wurde, waren eben jene Herrscher des ehemaligen Königreichs Benin über 300 Jahre lang in die Versklavung und den Handel mit Menschen aus der Region tief verstrickt. Es ist insbesondere das Rohmaterial der Benin-Bronzen, welches den Versklavungshandel laut Farmer-Paellmann mit den historischen Kunstwerken verbindet. Die Bronzen seien aus Manillen gegossen, dem Geld, mit denen sich Sklavenhändler einst Menschen kauften, erklärt Farmer-Paellmann in einem Interview mit der BBC: »Für fünfzig Manillen konnte man eine Frau kaufen, für 57 bekam man einen männlichen Sklaven. (…) Wir finden, dass die Nachkommen der Menschen, die für diese Manillen gekauft wurden, ein Recht darauf haben, die Bronzen dort sehen zu können, wo sie leben.«

Der Oberste Gerichtshof der USA lehnte den Antrag der RSG im Oktober 2024 ab, die Rückgabe des Smithsonian Instituts zu stoppen. Dennoch will die RSG den Zusammenhang zwischen dem Versklavungshandel des ehemaligen Königreichs Benin und den Benin-Bronzen weiter bekanntmachen. In einer Reihe von Initiativen übt sie Druck auf Museen, Regierungen und andere Entscheidungsträger*innen aus, um die Rückgabe der Bronzen zu verhindern.

Außerdem fordert sie, dass die Nachkommen von versklavten Menschen nicht nur Zugang zu den Objekten in Form von Museumsbesuchen erhalten sollen, sondern auch zu den damit verbundenen Ressourcen. Dies könnte in Form von Praktika, Anstellungen oder unternehmerischen Möglichkeiten geschehen und soll den Nachkommen der betroffenen Gemeinschaften ermöglichen, von diesem Erbe zu profitieren und an der Bewahrung und Aufarbeitung der Geschichte teilzuhaben. Damit soll der Zugang zu kulturellem Wissen und historischen Kunsterzeugnissen nicht nur als ein Akt der Reparation verstanden werden, sondern auch als eine Chance für soziale und wirtschaftliche Teilhabe.

Laut Farmer-Paellmann wurden über 103.000 Menschen von den Häfen des ehemaligen Königreichs Benin, die von den dortigen Sklavenhändler*innen kontrolliert wurden, in die Amerikas entführt – etwa aus Lagos. Ihre eigene DNA sei zu 27,7 Prozent auf Menschen aus dieser Region, die ungefähr dem heutigen Nigeria entspricht, zurückzuführen. Das gilt für Millionen von Menschen auf dem nord- und südamerikanischen Kontinent.

In einem Interview mit der Black Wall Street Times aus Tulsa, Oklahoma erklärt sie: »So viele Aspekte dieser Geschichte wurden bisher nicht erforscht – insbesondere, wenn es um die Versklavten geht. (…) Wir graben und suchen nach Details. Bisher hat sich niemand um die Versklavten geschert.« Damit setzt die Organisation neue Maßstäbe in der Debatte um historische Gerechtigkeit im Zusammenhang mit Kulturgütern vom afrikanischen Kontinent.

Ines Tönissen ist Ethnologin und stand während ihrer Masterarbeit mit der Restitution Study Group im Austausch.

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