Buchcover von Die Linke in Palästina von Thomas Schmidinger

Geschichte eines Niedergangs

Rezensiert von Johannes Frische

07.04.2025
Veröffentlicht im iz3w-Heft 408

Die Linke in Palästina scheint als Thema komplex und wenig greifbar. Der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger nähert sich dieser komplexen Problematik, indem er eine Geschichte des Niedergangs erzählt. Dabei ist er sich der Vertracktheit der Begrifflichkeiten bewusst. So betont er, dass »der politische Raum, der hier als Palästina bezeichnet wird, nicht unbedingt identisch ist mit dem geographischen Raum.« Schauplätze der palästinensischen Politik sind nicht nur das Westjordanland und der Gazastreifen, sondern auch die Diaspora.

Er entscheidet sich auch für ein breites Verständnis von »links«, das vom Selbstverständnis der Akteur*innen ausgeht. Dazu zählen nicht nur marxistische, anarchistische, linksliberale und sozialdemokratische Strömungen, sondern auch die des arabischen Nationalismus. Die zugehörigen Gruppierungen unterscheiden sich von liberalen, konservativen und rechten Strömungen, denn erst das Ziel einer progressiven Umgestaltung der Gesellschaft kennzeichne sie als links.

Letztlich wurde das Scheitern linker Orga­nisa­tionen dadurch besiegelt, dass sie sich zwischen säkularer Fatah und religiös-konser­vativer Hamas nicht behaupten konnten und an Einfluss verloren.

Es geht also um weit mehr als die nationale Befreiung des palästinensischen Volkes, nämlich um den Kampf für Gleichberechtigung und Klassen- und Geschlechterfragen. Gleich zu Beginn stellt Schmidinger die Hypothese auf, dass das Zurückstellen dieser Fragen hinter das übermächtige Ziel der nationalen Befreiung als Ursache für den Niedergang der Linken zu sehen ist. Schmidinger benennt die britische Mandatszeit als Zeitraum, in dem erstmals von einer Linken in Palästina gesprochen werden kann. Seine Analyse zeigt auf, wie die Kommunistische Partei zwischen jüdischen und arabischen Interessen aufgespalten wurde und das Ziel eines bi-nationalen, arabisch-jüdischen Staates aufgab. Es folgte eine Hochphase der Linken mit kommunistischem Aktivismus in den besetzten Gebieten einerseits und dem bewaffneten Kampf linksnationalistischer Organisationen (PFLP und DFLP) in der Diaspora andererseits. Letztlich wurde das Scheitern linker Organisationen dadurch besiegelt, dass sie sich zwischen säkularer Fatah und religiös-konservativer Hamas nicht behaupten konnten und an Einfluss verloren.

Schmidingers Darstellung ist hochgradig informativ, dicht geschrieben und schlüssig argumentiert. Zu bemängeln ist lediglich, dass er Interaktionen zwischen jüdischen und arabischen Arbeiterbewegungen, insbesondere in der britischen Mandatszeit, kaum berücksichtigt. Erst das Aufzeigen dieser Interaktionen ermöglicht es jedoch, identitäre Narrative aufzubrechen und auf gesellschaftliche Dynamiken zu blicken, die nicht allein durch Trennung und Konflikt charakterisiert waren.

Thomas Schmidinger: Die Linke in Palästina. Eine Einführung. Mandelbaum Verlag, Wien 2024. 160 Seiten, 15 Euro.

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