Buchcover von Hotel Castoria von Daniel Bendix

Edenistische Verhältnisse

Rezensiert von Lars Springfeld

07.04.2025
Veröffentlicht im iz3w-Heft 408

In Edenred, am Fluss Else in der brandenburgischen Provinz gelegen, gibt es neben einer Hand voll Häuser und einem Altersheim vor allem ausgiebige Natur. Und die Edenistische Universität Edenred. Die Studierenden: international, aber hauptsächlich aus Afrika. Hierhin verschlägt es Dr. Marko, den Ich-Erzähler des Romans, als Dozenten für internationale Wirtschaftsbeziehungen. Zwar ist er kein Edenist, wie sich Anhänger der Religionsgemeinschaft, der die Uni angehört, nennen, muss sich als prekär beschäftigter Akademiker aber mit den Verhältnissen arrangieren. Das ist der Ausgangspunkt von Hotel Castoria, einer Satire über die autoritär-neoliberale Zurichtung universitärer Bildung, zur Schau gestellte Weltoffenheit neben reaktionärer Gottesfürchtigkeit und den alltäglichen Rassismus in Deutschland.

Der Kontrast zu den scheinbar apolitischen Tagebuch­aufzeich­nungen könnte kaum größer sein.

In kurzen Tagebucheinträgen schildert Dr. Marko seinen Alltag. In seinen Seminaren geht es stets um höchst politische Themen. Eigentlich, denn der Kontrast zu den scheinbar apolitischen Tagebuchaufzeichnungen könnte kaum größer sein. Immer wieder wird er mit den Rassismuserfahrungen seiner Studierenden konfrontiert, die er emotional distanziert neben banalen Alltagsbeobachtungen schildert. So auch, als er aus den Medien vom rassistischen Anschlag in Hanau erfährt: »Gucke auf Facebook nach. Aber nichts.« Nur die für das Buch namensgebenden Biber (genus castor) scheinen ihn wirklich zu beschäftigen.

Die Welt von Edenred wirkt skurril und überzeichnet. Oft kann man sich als Leser*in das Lachen nicht verkneifen, besonders bei den Emails der IT-Zentrale, die in ihrem Abwehrkampf gegen Schadprogramme die digitale Infrastruktur der Universitätsangehörigen immer weiter einschränkt, bis das Internet schließlich ganz abgeschaltet wird. Trotzdem wirkt die Erzählung nicht unglaubwürdig. Letztendlich spiegeln die beschriebenen Verhältnisse die »internationalen Wirtschaftsbeziehungen« wieder, über die Dr. Marko lehrt. Während die internationalen Studierenden ihre ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse bei McDonald’s, in einer Fleischfabrik oder im Altersheim in »Praktikumsberichten« schildern, findet die wöchentliche Andacht passenderweise unter dem Motto »Fremde werden hintreten und eure Herden weiden, und Ausländer werden eure Ackerleute und Weingärtner sein« (Jesaja 61,5) statt.

Autor Daniel Bendix, der als Professor für Development Studies an der Theologischen Hochschule Friedensau in Sachsen-Anhalt lehrt, schafft es in »Hotel Castoria« schwere Themen in einer kurzweiligen und überaus unterhaltsamen Erzählung zu verpacken. Die Frage, inwieweit diese von seinen persönlichen Lehr- und Arbeitserfahrungen in Friedensau inspiriert ist, bleibt dabei offen.

Daniel Bendix: Hotel Castoria. KLAK Verlag, Berlin 2024. 194 Seiten, ca. 20 Euro.

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