Unerschütter­licher Wider­stand

Debatte um die Aufstellung der ‚Trostfrauenstatue‘ in Köln

Audiobeitrag von Julia Duffner

11.03.2025

Am 8. März 2025 wird vor dem NS-Dokumentationszentrum in Köln eine Nachbildung der Friedensstatue enthüllt. Geschaffen wurde sie vom koreanischen Künstler*innenpaar Kim Seo-Kyung und Kim Eun-Sung. Die Skulptur erinnert an rund 200.000 Frauen und Mädchen aus Asien und der Pazifikregion, die im Zweiten Weltkrieg von der japanischen Armee in Militärbordelle verschleppt wurden. Doch es gab Diskussionen im Vorfeld: Die Stadt Köln wollte die Aufstellung vor dem Museum verhindern. Eine Aktivistin sagt: »Die Friedensstatue symbolisiert für mich den unerschütterlichen Widerstand und die Kraft der Frauen, die sich trotz Unterdrückung behauptet haben. Sie erinnert und mahnt das Leid der Vergangenheit nicht zu vergessen. Sie ruft dazu auf, aktiv für eine Zukunft einzutreten, in der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung gelebt werden.« Nataly Jung-Hwa Han erläutert, warum es wichtig ist, den Begriff ‚sexuelle Sklaverei‘ zu verwenden, um die Verbrechen klar zu benennen.

Skulptur im öffentlichen Raum - Friedensstatue der 'Trostfrauen' mit persönlichen Wünschen
Friedensstatue der 'Trostfrauen' | Foto: Miyeon Choi

Skript des Audiobeitrags zur Debatte rund um die Friedensstatue

südnordfunk Sendung #130 – Erstausstrahlung am 4. März 2025

Nataly Jung-Hwa Han: Die Friedensstatue symbolisiert für mich den unerschütterlichen Widerstand und die Kraft der Frauen, die sich trotz Unterdrückung behauptet haben. Sie mahnt uns das Leid der Vergangenheit nicht zu vergessen und ruft dazu auf, aktiv für eine Zukunft einzutreten, in der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung gelebt werden.

Sprecherin: Am 8. März 2025 wird vor dem NS-Dokumentationszentrum in Köln eine Nachbildung der Friedensstatue enthüllt. Geschaffen wurde sie vom koreanischen Künstler*innenpaar Kim Seo-Kyung und Kim Eun-Sung. Die Skulptur erinnert an rund 200.000 Frauen und Mädchen aus Asien und der Pazifikregion, die im Zweiten Weltkrieg von der japanischen Armee in Militärbordelle verschleppt wurden.

Mit der Enthüllung startet die Ausstellung »Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg« von recherche international. Im Vorfeld kam es zu Diskussionen: Im Raum stand, dass die Stadt Köln die Aufstellung vor dem Museum verhindern und einen anderen Standort verlangen könnte. Schon in Freiburg, Berlin und anderen Städten gab es Versuche, eine solche Friedensstatue zu blockieren – teilweise mit Erfolg.

Bheshid Najafi: Doch plötzlich kam von der Verwaltung ein Einwand: Das hier ist ein öffentlicher Raum oder eine öffentliche Straße, und die Statue solle lieber irgendwo anderes hin verlegt werden. Es gab die Vermutung, dass dabei wieder die japanische Regierung eine Rolle spielt. Aber es war für uns wichtig sie dort aufzustellen, in einen öffentlichen Raum, der für alle zugänglich ist; damit alle sie sehen können. Insbesondere vor dem NS-Dokumentationszentrum steht sie auch symbolisch als Zeichen gegen das Dritte Reich, das damals den Weltkrieg begonnen hat.

Sprecherin: So Bheshid Najafi von agisra e.V. in Köln. Sie wird gemeinsam mit Nataly Jung-Hwa Han vom Korea Verband in Berlin zur Eröffnung der Ausstellung in Köln sprechen. agisra ist eine unabhängige feministische Beratungsstelle für Migrantinnen, geflüchtete Frauen, Schwarze Frauen* und alle, die von Rassismus betroffen sind. Im Vorfeld der Enthüllung hatte der südnordfunk Gelegenheit, mit ihnen über die Bedeutung der Statue zu sprechen.

Bheshid Najafi hat Pädagogik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist bei agisra, seit es agisra gibt, seit 1993. Bis vor drei Jahren war sie hauptamtliche dort und seit Rentenbeginn dann ehrenamtlich im Vorstand tätig. Nathaly Jung-Hwa Han ist seit 2012 Vorstandsvorsitzende vom Korea-Verband. 2009 hat sie mit dem japanischen Fotografen Tsukasa Yajima zusammen »AG Trostfrauen« gegründet und seit 2022 mit anderen offiziell das Museum der Trostfrauen in Berlin eröffnet.

»Diese Statue ist mächtig.«

Nataly Jung-Hwa Han: Also das ist Wahnsinn, diese Statue ist mächtig. Sie repräsentiert ein Thema, über das niemand zuvor jemals sprechen wollte. Das wird dadurch sichtbar. Sie sitzt da und jeden Tag, den ich vorbeilaufe, denke ich: Mein Gott, sie sitzt da und erzählt dann allen von Vergewaltigungen. Man muss sich vorstellen, wie viel Erfolg das Patriarchat damit hatte, dass wir die Frauen in Heilige und Huren aufgeteilt haben. Dass sie sexuell verschmutzt seien, als wären die Frauen schuld dran - wir sind verschmutzt worden und sind nicht brauchbar für eine Heirat. Damit haben sie uns zum Schweigen gebracht. Und es hat Jahrtausende gehalten. Und jetzt ist sie geboren. Sie versuchen sie mit allen Mitteln zu entfernen, aber sie können sie jetzt nicht mehr auslöschen. Deswegen ist sie so mächtig.

Protest für den Verbleib der Friedensstatue der 'Trostfrauen' in Berlin
Protest für den Verbleib der Friedensstatue der 'Trostfrauen' in Berlin | Foto: Miyeon Choi

Der umkämpfte Standort der Friedensstatue in Köln

Sprecherin: Oberbürgermeisterin Henriette Reker untersagte im Januar 2025 zunächst die Platzierung der Statue auf städtischem Gelände und schlug stattdessen einen Innenhof als Alternativstandort vor. Das sorgte für Protest: recherche international und weitere Unterstützer*innen wandten sich in einem offenen Beschwerdebrief dagegen – mit Erfolg. Die Innenstadt-Bezirksverwaltung stimmte schließlich für den ursprünglich geplanten Standort.

Nataly Jung-Hwa Han: Seit zwei Jahren hat recherche international die Ausstellung vorbereitet. Sie haben alles geklärt und auch das Ordnungsamt hat das Okay gegeben. Alle Poster, Plakate, und das Programm waren gedruckt und dann kam diese Neuigkeit in allerletzter Minute. Und die Oberbürgermeisterin besteht darauf, dass sie keinen Druck seitens Japans hatte, sondern sie das aus eigenen Stücken nicht möchte. Das ist traurig in Deutschland, dass sie so Angst davor haben. Ich frage mich, wovor.

Bheshid Najafi: Der Beschwerdebrief ist von recherche international initiiert *, viele weitere Organisationen haben mitgemacht, auch der Korea Verband, das Asienhaus, das Philippinenbüro, das Philippine Women Forum, agisra und Frauen gegen Erwerbslosigkeit. Auch Einrichtungen. Dieser Beschwerdebrief ging zunächst mit einigen wenigen Unterschriften raus. Dann haben wir mehr als 50 Unterstützer*innen erhalten. Die Medien haben es veröffentlicht und der Kölner Stadt Anzeiger hat zweimal berichtet, sowie andere Zeitungen. Dass es sowohl Protest von der Zivilgesellschaft als auch ein Echo in den Medien gab, finden wir sehr gut.

Sprecherin: In Südkorea findet seit 1992 jeden Mittwoch eine Kundgebung vor der japanischen Botschaft statt, bei der Überlebende und Unterstützer*innen Gerechtigkeit, Anerkennung und Entschuldigung für die Opfer der sogenannten 'Trostfrauen' fordern. Zur 1000sten Mittwochsdemonstration wurde in Seoul die Friedensstatue aufgestellt. Durch Spenden finanzierte Kopien stehen inzwischen an vielen Orten weltweit, darunter auch in Berlin.

Nataly Jung-Hwa Han: Dieses Kunstwerk hat ein Konzept, was ganz anders ist als die ganze Heldenverehrung dieser Kolonialherren, die auf einem hohen Ross sitzen und dann noch auf einem hohen Sockel stehen, sodass man die dort bewundern muss. Es sind ja gerade die Geschichten, die nicht erzählt werden, hinter diesem Heldentum im Krieg. Die Friedensstatue sitzt da und man kann sie anfassen und sich neben sie setzen. Sie ist greifbar und auf gleicher Augenhöhe und das funktioniert. Das ist bei unserer pädagogischen Arbeit ganz wichtig.

Sprecherin: Auch für die Ausstellung »Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg« in Köln ist die Statue von besonderer Bedeutung.

»Sie als »Comfort Woman« zu bezeichnen, ist ein Hohn; zu sagen, dass sie andere trösten. «

Bheshid Najafi: In der Ausstellung werden wir thematisieren, dass Frauen überall als Kriegsbeute deklariert werden. Dass man sie als »Comfort Woman« bezeichnet, ist ein Hohn - zu sagen, dass sie andere trösten. Dabei sind sie selbst in einer Gewaltsituation. Sie wurden manchmal gar gekidnappt oder mit falschen Versprechungen in die Bordelle gelockt. Viele kamen um. Diejenigen, die jetzt als Zeitzeuginnen noch leben, sind sehr alt. Sie erzählen in dieser Ausstellung über ihre Geschichte, um diese Erinnerungen wach zu halten.

Sprecherin: Nataly Jung-Hwa Han betont, wie wichtig es ist, den Begriff ‚sexuelle Sklaverei‘ zu verwenden, um die Verbrechen klar zu benennen.

Nataly Jung-Hwa Han: Der Begriff Prostitution ist nicht passend, sie denken, Frauen verkaufen ihren Körper und dafür bekommen sie Geld. Prostitution hat sich in der Zwischenzeit gewandelt. Moderne Sex-Workerinnen sagen jetzt, wir wollen selbstbestimmter arbeiten und fordern, dass diese Arbeit als solche anerkannt wird. Das bedeutet, dass ich mir die Kunden auswählen kann, dass ich jederzeit aufhören kann, wenn ich nicht möchte.

Die Betroffen wurden von zu Hause weiter in Kriegsgebiete verschleppt. Man muss sich vorstellen, dass man junge Mädchen und junge Frauen, also im Grunde Kinder, von ihrem Elternhaus entfernt hat, das ist Menschenhandel. Sie hatten keine Chance, nein zu sagen, sie hatten keine Chance wegzulaufen, geschweige denn, dass ihnen irgendwelche Menschenrechte gewährt wurden. Das ist Sklaverei.

Sprecherin: Nataly erzählt, der Begriff »sexuelle Sklaverei« durfte nicht auf einer Gedenktafel stehen – Japan wolle damit nicht in Verbindung gebracht werden.

Dabei hat die japanische Regierung 1993 in der sogenannten Kuno-Erklärung offiziell die Schuld anerkannt. Ein Jahr später wurde der Asian Women’s Fund gegründet, finanziert durch private Spenden. Doch viele Betroffene lehnten das Geld ab – sie forderten stattdessen eine offizielle Entschädigung durch den Staat.

Japan kritisiert einseitige Anschuldigung

Auch ist der Druck auf diejenigen groß, die sich in Japan für die Aufarbeitung einsetzen. So erhielt ein japanischer Politiker, der sich öffentlich entschuldigte, Morddrohungen von rechten Gruppen. Der Einfluss Japans auf behördliche Entscheidungen sei bis heute spürbar, so Nataly Hahn. Vor allem wehrt sie sich gegen die von Japan vorgebrachte Kritik der Einseitigkeit:

Nataly Jung-Hwa Han: Ich versteh das nicht, was soll einseitig sein? Das ist so gemeint, dass nur Japan beschuldigt wird, nicht alle Täter. Deswegen sei die Statue nicht universell, weil sie nur koreanische Opfer darstellen würde. Das stimmt aber gar nicht: Das Leid der Opfer ist universell. Aber Verbrechen müssen gezielt aufgearbeitet werden, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Das unterstützt Deutschland nicht.

Sprecherin: Auch außerhalb Koreas – in Indonesien, Osttimor, Malaysia und den Philippinen – gibt es Bewegungen, die für die Anerkennung der Verbrechen und die Rechte der Betroffenen kämpfen. Die erste öffentliche Zeuginnenaussage 1991 löste eine MeToo-Bewegung in ganz Asien aus. Doch während in Südkorea eine starke und gut vernetzte Initiative entstand, fehlt es in vielen anderen Ländern an Ressourcen und Unterstützung, da langfristiger politischer Aktivismus Zeit, Geld und Rückhalt erfordert.

Nataly Jung-Hwa Han: Die Überlebenden waren selbst aktiv: sie waren nicht nur Opfer, sondern sind selbst Aktivistinnen geworden. Das ist ganz entscheidend und war wichtig dafür, dass diese Trostfrauenbewegung weltweit so einen Erfolg hatte. Aber sie ist nicht mächtig genug. Wäre die Bewegung aus den USA gekommen, dann gäbe es bestimmt nicht so viel Widerstand. Das finde ich schade.

Auch in Deutschland muss die Verantwortung für diese Verbrechen thematisiert und der Bezug zur NS-Zeit hergestellt werden.

Sprecherin: Auch in Deutschland muss die Verantwortung für diese Verbrechen thematisiert und der Bezug zur NS-Zeit hergestellt werden. Deutschland begann den Zweiten Weltkrieg. Zudem wurden an der Preußischen Militärakademie 410 japanische Offiziere ausgebildet.

Nataly Jung-Hwa Han: Die japanische Regierung hat in dem Sinne recht, dass sie fragen: warum nur wir? Die anderen haben so etwas doch auch gemacht, in der ganzen Kolonialgeschichte. In Deutschland gab es auch Wehrmachtsbordelle und dieses KZ-Bordell, das wird auch überhaupt nicht aufgearbeitet. In der Ausstellung ist es wichtig, dass wir die Geschichte nicht nur in Dichotomien der Täter und Opfer darstellen, sondern auch den Widerstand zeigen. Und die Trostfrauen-Bewegung mit der Friedensstatue ist eine Erfolgsgeschichte. In Korea gab es auch während der japanischen Besatzungszeit viel Aufstand und Widerstand.

Sprecherin: Die Friedensstatue steht nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart: Sie erinnert an sexualisierte Gewalt gegen Frauen im Krieg – damals wie heute. Gewalt, Zwangsprostitution und Ausbeutung betreffen Frauen weltweit, ob in Kriegsgebieten oder hier in Deutschland.

Bheshid Najafi: Es gibt sehr viele Menschenrechtsverletzungen in der Welt, die alle betreffen: Frauen, Männer und Kinder. Aber es gibt spezifische Menschenrechtsverletzungen, die fast ausschließlich Frauen betreffen. Und die haben sehr viel mit dem Körper und der Sexualität der Frauen zu tun, beziehungsweise mit Kontrolle über den Körper und die Sexualität der Frauen. Und das ist es, was im Krieg ausgenutzt wird.

So viele Frauen sind noch immer von Frauenhandel in Europa betroffen und werden zu Zwangsprostitution gezwungen. Wir sind seit 30 Jahren in Köln damit beschäftigt, die betroffenen Frauen zu unterstützen. Aber in der Praxis ist es sehr schwierig nachzuweisen, dass diese Frau von Zwangsprostitution betroffen ist und bedroht ist, wenn sie wieder in ihr Herkunftsland zurückgeht. Es ist schwierig, in dem Kontext Asyl zu bekommen.

Sprecherin: Die Friedensstatue steht für die Forderungen der Überlebenden nach Anerkennung, Aufarbeitung und Entschuldigung – Forderungen, die bis heute unerfüllt bleiben. Als internationales Symbol gegen sexualisierte Kriegsgewalt mahnt sie zu Frieden und erinnert an die Kontinuität dieser Verbrechen.

Ntaly Jung-Hwa Han: Die Frauen sagen, es soll nie wieder Krieg geben, weil der Krieg schuld daran ist, was mit ihnen passiert ist. Deswegen ist die Statue für den Frieden und gegen den Krieg gedacht. Die Statue hat mir gezeigt, Frieden nicht in großen Dimensionen zu suchen, sondern im Alltäglichen, in kleinen Momenten. Wenn wir alle dankbar und respektvoll zueinander wären und uns achten würden, dann wäre Frieden so leicht zu erreichen. Das Kunstwerk hat so eine Ausstrahlung, die Statue strahlt so viel Empathie aus, sodass sie einfach von selbst funktioniert.

Die Interviews führte Julia Duffner.

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