»Der Schwächere gibt nach«

Der Journalist David Graaff ordnet die jüngsten Ereignisse rund um die Abschiebungen aus den USA nach Kolumbien ein

Audiobeitrag von Eva Gutensohn

09.02.2025

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump will in den ersten Wochen der neuen Amtszeit beweisen, dass sie die vermeintlichen Probleme im Land angeht. Besonders in die USA eingewanderte Menschen stehen dabei im Fokus. Es kommt landesweit zu Razzien durch die Migrationsbehörde ICE, die sich besonders gegen Menschen aus Lateinamerika richten. Migrant*innen werden von Regierungsfliegern oder Militärmaschinen in ihre Heimatländer zurückgebracht. Als der Präsident Kolumbiens, Gustavo Petro, zwei dieser Abschiebemaschinen des Militärs vergangene Woche die Landung verweigerte, löste er damit eine kurze, aber heftige diplomatische Krise zwischen beiden Ländern aus.


Skript zum Audiobeitrag

Erstausstrahlung am 7. Februar 2025 im südnordfunk #129

 

Kolumbiens Präsident Petro hatte gesagt, Kolumbien würde die Menschen in Empfang nehmen, allerdings nur unter humanitären Bedingungen. Wie sind die Abschiebungen in den vergangenen Tagen jetzt abgelaufen?

Manche der mittlerweile rund 700 Personen haben von menschenunwürdigen Bedingungen und Behandlungen berichtet - während der Flüge in den US-Maschinen aber auch vorher durch die Behörden vor Ort. Sie wurden teilweise an Händen und Füßen gefesselt, mussten zum Teil einheitliche Gefangenen-Kleidung tragen und dürfen nur das Wenigste in einem Stoffbeutel mitnehmen. Genau wegen dieser Behandlung hatte Petro ja die Landung verweigert.

 

Sind das alles verurteilte Straftäter, die nun ausgewiesen wurden?

In den meisten Fällen nicht. Kolumbianische Medien berichten, dass es Menschen sind - teils auch Minderjährige, deren Aufenthaltsstatus einfach ungeklärt war, beispielsweise, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde.

 

Ist es ungewöhnlich, dass lateinamerikanische Migrant`*innen aus den USA deportiert werden?

Nein, eigentlich nicht. Das war während der Vorgängerregierungen auch schon so. Und bislang ist die Zahl der unter Trump ausgewiesenen auch nicht höher als unter der Biden Adminsitration. Selbst unter Trump 1, also der ersten Trump Präsidentschaft wurden übrigens weniger Menschen nach Lateinamerika abgeschoben als beispielsweise unter Barack Obama. Allein Kolumbien hat letztes Jahr mehr als 24.000 Menschen aus den USA empfangen. Der Unterschied ist, dass Trump das Militär bemächtigt hat, die Behörden bei der Grenzsicherung und bei Abschiebungen zu unterstützen. Deshalb werden diese nun teilweise in Militärflugzeugen durchgeführt und nicht ausschließlich in Charterflügen wie sonst üblich. Und die zur Schau gestellte Behandlung der Migranten hat eine neue Qualität, die wohl vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Regierung Trump diese martialischen Bilder braucht, um der Wählerschaft zu signalisieren, seht her: Wir tun was!

 

Warum ist die kolumbianische Regierung dann doch so schnell eingeknickt?

Ich denke, hier zeigt sich das Machtungleichgewicht zwischen der Hegemonialmacht USA und der Abhängigkeit von diesem Hegemon, in die sich ein wirtschaftlich und militärisch schwächerer Staat wie in diesem Fall Kolumbien begibt. Zwischen den USA und Kolumbien gibt es seit Längerem ein Freihandelsabkommen und die USA sind nach wie vor der wichtigste Handelspartner Kolumbiens. Kolumbien exportiert Rohöl, Gold, Kaffee und Schnittblumen in die USA und importiert gleichzeitig viele landwirtschaftliche Produkte wie Mais, Schweinefleisch oder Milchprodukte aus den USA. Der Punkt ist: Die USA können die kolumbianischen Produkte zumindest mittelfristig auch aus anderen Staaten importieren, während die kolumbianische Wirtschaft ihrerseits auf die Devisen und die Importe aus den USA kaum verzichten kann. Das heißt: Zölle von 25 oder sogar 50% würden der kolumbianischen Wirtschaft einen sehr schweren Schlag versetzen. Und man muss natürlich auch die engen gesellschaftlichen Verknüpfungen bedenken. In den USA leben rund 1,3 Millionen Kolumbianer*innen. Wie viele Lateinamerikaner*innen schicken diese Menschen so genannte Remesas, also Geld zu ihren Familien zu Hause. Wenn die ausbleiben, stellt das viele Menschen in Kolumbien vor große Probleme.

 

Eine Sache sind die Wirtschaftsbeziehungen, eine andere auch die politische oder militärische Zusammenarbeit. Meiner Erinnerung nach galt Kolumbien doch immer als enger Verbündeter der USA in Lateinamerika.

Das stimmt. Kolumbien ist neben vielleicht El Salvador und Ecuador der einzig verbliebene enge Verbündete der USA in Lateinamerika. Panama war das lange, aber nach den Äußerungen Trumps, sich den Panama-Kanal zurückzuholen, ist die Situation dort auch eine andere. Für Kolumbien gilt das neben den Handelsbeziehungen vor allem für den Kampf gegen den Drogenhandel. Kolumbien ist der größte Produzent und Exporteur von Kokain, deshalb sind die kolumbianischen Behörden und besonders das Militär für die USA ein wichtiger Kooperationspartner im War on Drugs. Es gibt zum Beispiel mehrere Militärbasen in Kolumbien mit US-Präsenz und Kolumbien empfängt auch mehrere hundert Millionen Dollar Militärhilfe im Jahr. Aber das ist nur ein Teil. Von den insgesamt 410 Millionen Dollar ungefähr, die Kolumbien 2024 aus den USA erhalten hat, geht ein wichtiger Teil aber auch in Menschenrechtsprojekte, in Substitutionsprogramme für Kokabauern, in Gesundheitsversorgung, Entminungsprojekte oder in Stärkung der Justiz oder auch in die Umsetzung des Friedensprozesses.

»Kolumbianische Expert*innen fürchten, dass die Trump-Regierung Kolumbien 'deklassi­fizieren' könnte.«

Dass Donald Trump also unabhängig von dieser kurzen diplomatischen Krise vorher alle USAID-Gelder für 90 Tage eingefroren hat, hat in Kolumbien enorme Auswirkungen: Gerade für die Bevölkerung in ländlichen Regionen, in Konfliktregionen oder auch für Kleinbauern, die an den Substitutionsprogrammen für Kokanabau teilnehmen.  Sollten sich die Beziehungen zwischen der linken Regierung und Kolumbien zu den USA also weiter verschlechtern - und das könnte unter einem neo-konservativen Außenminister wie Marco Rubio durchaus der Fall sein - dann sitzen die USA auch hier am längeren Hebel. Kolumbianische Expert*innen fürchten sogar, dass die Trump-Regierung Kolumbien »deklassifizieren« könnte, was letztlich bedeutet, dass Kolumbien keine US-Hilfsgelder mehr erhalten würde, weil man die Bekämpfung des Drogenhandels dort als nicht effektiv genug einstuft.

 

Wie wird diese diplomatische Krise im Rückblick nun in Kolumbien bewertet?

Einerseits ist Petro erstmal von seinen Anhänger*innen dafür gefeiert worden, dass er zumindest versucht hat, Trump die Stirn zu bieten. Dazu muss man wissen, dass Petro als Linker damit auch so einen anti-imperalistischen und anti-amerikanischen Instinkt angesprochen hat, der ja in Lateinamerika quasi zur ideologischen Grundierung bis in Teile des liberalen Bürgertums gehört. Andererseits sieht man natürlich auch die Sachzwänge. Für viele Regierungsprogramme, gerade im sozialen, ländlichen Bereich braucht man eben die Hilfsgelder aus den USA und damit auch den guten Willen der aktuellen Administration. Deshalb kann man sich solche offenen Schlagabtausche eigentlich nicht leisten. Und was die Wirtschaft betrifft, ist ein recht einhelliger Tenor, dass man langfristig versuchen muss, die kolumbianische Wirtschaft zu diversifizieren. Sprich: dass man nicht nur versucht, vom Export von Rohstoffen wegzukommen hin zu mehr Agrarproduktion und Tourismus, sondern auch seine Handelspartner diversifiziert. Es hat in den vergangenen Jahren Bestrebungen gegeben, engere Handelsbeziehungen zu Indien aufzubauen und natürlich auch zu China, wie das andere lateinamerikanische Länder schon viel stärker gemacht haben. China ist beispielsweise für Brasilien, Chile und Peru mittlerweile wichtigster Handelspartner noch vor den USA. Erst vergangenen Oktober hat Kolumbien damit begonnen, Teil der Seidenstraßen-Initiative zu werden.

»Die Zeit als Lateinamerika der Hinterhof der USA war ist vorbei.«

Die Zeit als Lateinamerika der sogenannten Hinterhof der USA war, wie noch im vergangenen Jahrhundert, ist also vorbei?

In dem damaligen Ausmaß ja. Wirtschaftlich versuchen viele Länder Lateinamerikas, ihre Außenhandelsbeziehungen breiter aufzustellen und sich so eben aus der Abhängigkeit der USA zu lösen. Was aber nicht bedeutet, dass es keine Abhängigkeit mehr geben würde. Aber USA haben dadurch deutlich auch an Einfluss in Lateinamerika verloren. In Lateinamerika hat es im Zuge dieser Entwicklungen Bestrebungen gegeben, sich als regionaler Block zu organisieren. Das scheitert aber oft schon an der politischen Ausrichtung der einzelnen Regierung. Wir haben einerseits die links-autoritären Regierungen in Venzuela, Nicaragua, teilweise Bolivien oder Kuba, dann die eher sozialdemokratischen Regierungen in Chile, El Salvador, Brasilien oder eben Kolumbien und dann die explizit rechten oder libertär-autoritären Regierung wie Javier Milei in Argentinien.

Das Interview führte Eva Gutensohn.

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