Panzer-Graffito. Deutschland liefert Waffen im Rekordumfang an die Türkei
Panzer-Graffito | Foto: Steffi Reichert CC BY-NC-ND 2.0

Deutsche Waffen, deutsches Geld

Editorial

Zwei Eurofighter-Kampfjets der britischen Airforce landeten am 18. Dezember 2024 in Ankara. Das türkische Militär wolle sich einen Eindruck von den Kampfjets machen, so der Verteidigungsminister Yaşar Güler. Die Gespräche über den Ankauf von Eurofightern sollen vielversprechend laufen. So verkündete das türkische Verteidigungsministerium Ende 2024, Olaf Scholz hätte seine Blockadehaltung aufgegeben und die Türkei werde 40 Kampfjets kaufen. Im Jahr zuvor hatte Scholz dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan noch eine Absage erteilt. Dessen Verteidigungsminister beschwerte sich damals, dass »ein anderes NATO-Mitglied dagegen [sei], dass wir diese Flugzeuge kaufen«.

Seit 2018 hält die Türkei das nord­syrische (!) Afrin besetzt und unterdrückt die Zivil­bevölkerung

Jetzt ist der Kurswechsel der deutschen Bundesregierung vollzogen: Im Laufe des Jahres 2024 exportierte Deutschland Waffen im Wert von über 230 Millionen Euro in die Türkei. Das ist ein Rekordwert seit 2006. Waffenlieferungen an einen Nato-Partner seien »ja selbstverständlich«, verkündete Scholz nach einem Gespräch mit Erdoğan. Auch insgesamt bricht die ehemalige Ampel Rekorde: Die deutschen Waffenexporte liegen 2024 bei bisher unerreichten 13,33 Milliarden Euro. Und das, obwohl sich die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag eine »abrüstungspolitische Offensive« und ein Rüstungsexportkontrollgesetz zum Ziel setzte. Stattdessen beteiligt sich Deutschland aktiv an der weltweiten Aufrüstung, etwa im Mittleren und Nahen Osten: mit umfangreichen Waffenlieferungen an die Türkei, an Israel und sogar an Ägypten, Saudi-Arabien und Katar.

Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz laufe das Vergabeverfahren im Rahmen einer »restriktiven und wertegeleiteten Rüstungsexportpolitik« ab. Das Ministerium betont regelmäßig, dass »die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen« über Rüstungsexporte entscheidet. »Die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland spielt bei der Entscheidungsfindung eine hervorgehobene Rolle.«

Blickt man allerdings auf die Rolle der Türkei in Syrien, so kann die Achtung der Menschenrechte bei Waffenexportentscheidungen kaum eine Rolle spielen. Seit 2018 hält die Türkei das nordsyrische (!) Afrin besetzt und unterdrückt die Zivilbevölkerung. Gegen die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien (»Rojava«) fliegt das türkische Militär seit Jahren regelmäßig Luftangriffe auf zivile Infrastruktur. Seit dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad hat die Türkei ihre Angriffe auf Rojava noch einmal verstärkt, die Versorgungslage der Region ist katastrophal. Und auch im Nordirak führt die Türkei Drohnenangriffe durch.

Eine menschenrechts­konforme Außen­politik bleibt ein nice-to-have

Im vorgeblichen Kampf gegen den »PKK-Terrorismus« ist Erdoğan sogar die Zusammenarbeit mit dschihadistischen Gruppierungen, wie der SNA (Syrische Nationalarmee) recht. Die SNA ist für zahlreiche Kriegsverbrechen an kurdischen Zivilist*innen verantwortlich. Nun rückt die Söldnerarmee immer weiter in Nordostsyrien vor. Die dortige, kurdische Bevölkerung, die die Region einst vom Terror des sogenannten Islamischen Staats (IS) befreite und noch immer zahlreiche IS-Kämpfer in Schach hält, steht stark unter Druck. Die SNA rückt von Westen her vor, gleichzeitig erstarkt der IS im Süden. In dieser Gemengelage sind es deutsche Waffen, die die Demokratie in Nordostsyrien torpedieren.

Die Bundesregierung macht sich gemein mit Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Völkerrechtsbrüchen und mit der Gefährdung des einzigen demokratischen Projekts in dieser Region. Auch die Unterstützung islamistischer Kräfte durch die Türkei müsste der Bundesregierung eigentlich zuwiderlaufen. Erdoğan muss also noch eine gute Trumpfkarte auf der Hand haben. Und tatsächlich gilt der türkische Präsident als ein wichtiger Verbündeter der regressiven Migrationspolitik der EU und Deutschlands – zuzeiten eines hierzulande migrationsfeindlich geführten Wahlkampfes. Besonders vor der Bundestagswahl Ende Februar wollen es sich nahezu keine Parteien mit Erdoğan verscherzen, schließlich kreisen die Wahlkampfforderungen um die Beschränkung von Migration.

Der Wahlkampf lässt bereits ahnen: Eine menschenrechtskonforme Außenpolitik bleibt ein nice-to-have, andere innenpolitische oder wirtschaftliche Interessen haben Vorfahrt. Dabei bilden in einer zunehmend autoritären Weltpolitik gerade demokratische und real-utopische Projekte, wie das in Rojava, einen wichtigen Anknüpfungspunkt. Sie zu unterstützen müsste eigentlich im Interesse der (noch) demokratischen Staaten wie Deutschland sein.

die redaktion, 14.02.2025

 

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 407 Heft bestellen
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