
Unten wählt jetzt rechts
Die Umkehrung der Repräsentation in Italien
Seit der ersten italienischen Parlamentswahl im Jahr 1861 ist die Wahlbeteiligung von 92,2 Prozent auf 63,8 Prozent gesunken. Vor allem die am stärksten benachteiligten Klassen enthalten sich bei Wahlen. Das bedeutet für sie wiederum ungleiche Repräsentation und fehlende Einflussnahme auf die politische Agenda.
Bei den italienischen Wahlen 2018 erreichte die Mitte-links Partei Partito Democratico (PD) mit 19 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis: Sie wurde kaum von den unteren Klassen, sondern hauptsächlich von höheren, einkommensstarken Schichten gewählt. Der Riss, der sich hier zwischen der Linken und den unteren Klassen abzeichnete, hat sich auch bei den Europawahlen 2024 bestätigt. Die meisten Stimmen der rechtspopulistischen Lega etwa kamen aus den unteren Klassen. Die postfaschistischen Fratelli d’Italia gewannen die meisten Stimmen im Lager der unteren Mittelschicht. Die obere Mittelschicht wählte mehrheitlich ebenfalls die Fratelli d’Italia und die PD.
Post-sowjetische Klassenrealität in Georgien und der Ukraine
Die Ursachen dieses Wandels sind ökonomisch wie auch politisch-institutionell tief verwurzelt. Zum einen hat sich die wirtschaftliche Lage der benachteiligten Klassen seit den letzten Jahrzehnten verschlechtert. Die Produktionsgrundlagen der italienischen Wirtschaft sind rückständig und die jahrelange Lohnstagnation ist mit einer Stagnation der Produktivität verbunden. Hinzu kommen Inflation, niedrige Erwerbsquoten, Hindernisse für die Ausweitung der Frauenbeschäftigung und die Prekarisierung junger und geringqualifizierter Einheimischer und Migrant*innen. Seit Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre schreiben immer mehr Haushalte rote Zahlen, verschulden sich oder müssen Rücklagen aufbrauchen – und nehmen sich insgesamt als »arm« wahr.
1989 wurde das sozialistische Denken von