Buchcover von Claire Alet und Benjamin Adam: Kapital & Ideologie

Eine Frage der Verteilung

Rezensiert von Jana Senf

29.04.2024
Veröffentlicht im iz3w-Heft 392

Laut Thomas Piketty ist »die Geschichte einer jeden Gesellschaft bis heute nur die Geschichte eines Kampfes der Ideologien und des Verlangens nach Gerechtigkeit.« Eine Einführung in das Denken des französischen Wirtschaftswissenschaftlers haben nun Claire Alet und Benjamin Adam vorgelegt – und zwar in einer für die Wirtschaftswissenschaften ungewöhnlichen Form. Ihre Graphic Novel Kapital und Ideologie basiert auf dem gleichnamigen Buch Pikettys von 2019. Wie kommt es, dass einige wenige reich und so viele arm sind? Und wie wird diese Ungleichheit gerechtfertigt? Was Piketty in über 1.200 Seiten abhandelte, veranschaulichen Alet und Adam anhand einer französischen Familiengeschichte.

Das Vermögen baut sich – durch Aus­beutung – auf und dann Stück für Stück wieder ab

Durch acht Generationen wandert die Erzählung von der Französischen Revolution, Sklaverei, Kolonisation und den Weltkriegen bis hin zu Wirtschaftswunder, Krisen der EU und der Covid-19-Pandemie. Man folgt einer bürgerlichen Familie und sieht dabei, wie sich deren Vermögen durch geschichtliche Ereignisse und Umbrüche wandelt. Das Vermögen baut sich – durch Ausbeutung – auf, dann Stück für Stück wieder ab. Trotzdem werden viele Privilegien weiterhin vererbt. Jede Generation wird jedoch immer ein wenig progressiver als die vorherige. Während die ersten Generationen ihren Reichtum noch gerechtfertigt fanden, wird diese Ideologie des Besitzes durch die Familie selbst nach und nach infrage gestellt. Die Generationen haben passend zum Zeitgeist ihre je eigene Kritik daran. Das Buch ordnet viele einschneidende Ereignisse und Reformen der vergangenen Jahrhunderte in ihren historischen Kontext ein und bebildert ihre Auswirkungen. Die Illustrationen von Benjamin Adam erleichtern das Verständnis der komplexen Sachverhalte. Kombiniert mit der teils ironisch-witzigen Sprache Claire Alets ist es ein echtes Vergnügen, der Familie zu folgen.

Die Graphic Novel ist trotz Vereinfachungen dabei inhaltlich sehr gut gemacht und bietet einen Überblick über die Zusammenhänge in der Wirtschaftsgeschichte. Die vorherrschenden Ideologien der Epochen werden dabei aufgedeckt. Angekommen bei der Analyse der Gegenwart kann kein gerechtes Bild der gesamtgesellschaftlichen Vermögensverteilung gezeichnet werden. Dennoch gibt es ein optimistisches Ende: Es werden einige Vorschläge zur Überwindung der globalen sozialen Ungleichheit vorgestellt; etwa durch eine stärkere Besteuerung von Reichtum. Die Ideen zeigen, wie Umverteilung wirklich gelingen könnte.

Claire Alet und Benjamin Adam: Kapital und Ideologie. Die Graphic Novel nach dem Buch von Thomas Piketty. Verlagshaus Jakoby & Stuart, Berlin 2023. 176 Seiten, 25 Euro.

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