»Ihre Häuser wurden ange­zündet, ihr Eigen­tum wurde geplündert.«

Für die East African Crude Oil Pipeline müssen Klima, Natur und Menschen weichen

Audiobeitrag von Martina Backes

14.06.2023
Teil des Dossiers Klimakrise und Migration

Landvertreibungen und Medienrepression entlang der ostafrikanischen Ölpipeline EACOP: Ein Bündnis von Klima- und Menschenrechtsaktivist*innen, will das Ölförderprojekt in Uganda und den Bau der beheizten ostafrikanischen Pipeline über 1445 Kilometer bis an den Indischen Ozean stoppen. Aktuell häufen sich in Uganda Landrechtsstreitfälle durch den für Juni 2023 geplanten Bau einer beheizten Ölpipeline. Das Witness Radio Uganda dokumentiert Landnahmen und begleitet gerichtliche Prozesse. Der südnordfunk sprach Ende Mai mit Jeff Wokulira Ssebaggala über die aktuellen Fälle, über Medienrepression und Militarisierung des Ölförderprojektes.

Shownotes


Skript zum Beitrag

Erstausstrahlung südnordfunk am 6. Juni 2023

Am 24. Januar dieses Jahres weihte Präsident Museveni in der westugandischen Gemeinde Buhuka die erste Ölförderanlage in der Geschichte der ugandischen Ölindustrie ein. »Die Bohrinsel kann mit den Arbeiten für weitere Ölförderbohrungen beginnen und eine Wassereinspritzstelle die Arbeit aufnehmen,« berichtet Radio Kazi Njema, ein lokaler Sender aus Westuganda. Und weiter heißt es: »Mit der Inbetriebnahme der in Peking hergestellten Bohranlage durch Präsident Museveni wurde der Startschuss gegeben für rund 31 Bohrungen. Die sollen in Spitzenzeiten täglich 40.000 Barrel Öl aus dem Kingfisher Ölfeld zu Tage fördern.«

Anfang Januar 2023 hatte das Kabinett in Uganda dem Energieministerium grünes Licht gegeben: Es darf nun Lizenzen zur Förderung von Erdöl erteilen, für zwei Ölfelder namens Kingfisher und Tilenga im Albertgraben im Westen Ugandas gelegen. Und: Das Ministerium darf Verträge unterzeichnen, sogenannte Production Sharing Agreements, die eine gemeinsame Erdölförderung erlauben, eine Art Joint Venture zwischen Staat und internationalen Unternehmen.

Die Konzerne Total Energies aus Frankreich und CNOOC aus China sind gemeinsam Eigentümer der Felder, doch die kommerzielle Förderung wurde immer wieder verschoben. Wie kann es sein, dass bereits wenige Wochen, nachdem die Regierung Anfang Januar 2023 die Vergabe von Förderlizenzen freigegeben hat, Präsident Museveni die erste Bohrinsel eröffnet? Wir fragten Jeff Wokulira Ssebaggala, den Direktor des Witness Radio Uganda, nach seiner Einschätzung:

Jeff Wokulira Ssebaggala: Als diese Aktivitäten in Auftrag gegeben wurden, schien niemand zu wissen, wie das Öl dem Land zugutekommen soll. Alles schien sich hinter einem Vorhang abzuspielen; die Informationen blieben sehr spärlich. Dann wurde gesagt, die Bohrinsel sei eröffnet und es sei so und so viel Geld zur Verfügung gestellt worden. Die tatsächlichen Pläne sind kaum zu erfahren.

Jeff Wokulira Ssebaggala weiß, wovon er spricht. Seit 2015 dokumentiert das Witness Radio Landnahmen und begleitet gerichtliche Prozesse in Uganda, in denen Landtitel nicht geklärt, Kompensationen nicht gezahlt und Vertreibungen stattgefunden haben.

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Selbst die Gemeinden, in denen die Förderaktivitäten stattfinden und die Pipeline gebaut werden soll, wurden nicht entschädigt. Manche fordern noch immer die angekündigte Umsiedlung, die nicht wie erwartet durchgeführt wurde.«

Die eingeweihte Bohrinsel ist ein kleiner Baustein des derzeit größten Ölförderprojektes in Ostafrika. Mehr als 426 Bohrlöcher umfasst das Ölfeld namens Tilenga, zusätzlich 31 im Ölfeld Kingfisher. Hier ging die besagte erste Bohrinsel in Betrieb. Mal wieder setzt die Erdöl-Industrie auf fossile Energie. Mal wieder soll das schwarze Gold zu Tage gefördert werden. Dickens Kamugisha von der ugandischen Organisation African Institute of Energy Governance (AFIEGO) ist einer von vielen, die sich in einem breiten Bündnis gegen das Vorhaben wehren.

Dickens Kamugisha: »Klimafolgen, Klimagerechtigkeit sind sehr stark an Menschenrechte geknüpft. Seit 2018 erwerben die Betreiber Landflächen, 3.000 Familien wurden inzwischen daran gehindert, ihr Land weiter nutzen zu können.«

EACOP, das ist die Ölpipeline, die das Öl von den Bohrlöchern in Uganda bis an den Seehafen im tansanischen Tanga transportieren soll.

Dickens Kamugisha: »Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass die EACOP etwa 34 Million Tonnen CO2 freisetzen würde. Dieses Ölförderprojekt kommt zu einer Zeit, in der die Weltgemeinschaft sich einig ist, dass wir mit diesen fossilen Brennstoffprojekten nicht weitermachen können.«

Auf dem Energiewendekongress in Berlin 2022 warnt die Klimaaktivistin Hilda Nakabuye aus Uganda vor dem Großvorhaben:

Hilda Nakabuye: »Mein Land soll die größte beheizte Ölpipeline der Welt beherbergen, die vom französischen Konzern Total Energies gebaut wird. Sie soll über 1445 Kilometer von Hoima in Uganda bis zum Hafen von Tanga verlaufen.«

Omar Elmawi, Mitbegründer der kenianischen Initiative deCOALonize, erläutert im Dezember 2022 auf der Weltklimakonferenz im Sender Democray Now die Ausmaße des Ölvorhabens so:

Omar Elmawi: »Es wird die längste beheizte Pipeline sein, die das 2006 in der Region des Albertsees in Uganda entdeckte Öl bis nach Tansania transportieren kann, damit es in Tankschiffe umgeladen und dann auf dem internationalen Markt verkauft werden kann. Dieses Projekt wird von den Menschen in Uganda und in der ganzen Welt heftig bekämpft, weil es über 100.000 Menschen in Ostafrika vertreiben wird. Außerdem wird es viele Auswirkungen auf die Natur haben, einer der größten Orte biologischer Vielfalt, der Murchison Falls Park, wird davon betroffen sein. Zudem ist es eine Kohlenstoffbombe, weil es in den nächsten 20 Betriebsjahren jedes Jahr über 34 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen wird.«

Inzwischen ist Omar Elmawi Kampagnenleiter der STOP EACOP Kampagne, ein breites Bündnis, das gegen den Bau der Ölpipeline mobilisiert und dem auch AFIEGO angehört. Die von dem Bündnis vorgebrachten Bedenken sind einerseits klimapolitischer Art, andererseits geht es um Menschenrechtsverletzungen.

Hilda Nakabuye: »Das Projekt hat 100.000 Menschen vertrieben, 400 Dörfer sind betroffen auch meines. Ein Drittel dieser afrikanischen Pipeline wird im Becken des Viktoriasees gebaut, dem zweitgrößten Süßwassersee der Welt, Nahrungsquelle für Millionen von Menschen. Dieses Gewässer ist der größte See Afrikas, 40 Millionen Menschen leben davon. Das erhöht im Falle eines Ölaustritts die Risiken für verheerende Auswirkungen auf die Menschen.«

Die Umweltorganisation Strategic Response on Environment Conservation, eine Jugendumweltorganisation, schrieb in einer Presseerklärung auf der Weltklimakonferenz 2022 in Glasgow: »Allein im Zeitraum von 2025 bis 2029 werden sich die sozialen Kosten der Kohlenstoffemissionen der EACOP auf 9,62 Milliarden Dollar belaufen.« Das Bündnis STOP EACOP will den Bau verhindern, denn einen Nutzen für die Bevölkerung sieht es nicht. Omar Elmawi, Leiter der Kampagne:

»Die Konzerne erhalten bis zu zehn Jahre eine Steuer­befreiung, in der sie für die Ölein­nahmen keinen Cent zahlen müssen.«

Omar Elmawi: »Nachdem Uganda das Öl entdeckt hatte, stellte es fest, dass dies ein kostspieliger Prozess ist und es nicht das Geld hat, es selbst zu fördern. Sie luden interessierte Parteien ein, sich zu melden und das Geld für die Ausbeutung des Öls aufzubringen. TotalEnergies nutzte diesen Prozess und schaffte es, zum größten Anteilseigner des Projekts zu werden. Ihnen gehören über 62 Prozent der Pipeline und 100 Prozent des Betriebs und damit eines der größten Ölfelder in der Region. Und sie haben Abkommen unterzeichnet, die den Unternehmen Steuervergünstigungen gewähren, d.h. sie erhalten bis zu zehn Jahre lang eine Steuerbefreiung, in der sie für die Öleinnahmen, die sie verkaufen, keinen Cent zahlen müssen. Die Leute fragen, warum die Regierung an diesem Abkommen festhält.«

Zahlreiche lokale zivile Organisationen in Uganda und in Tansania berichten, trotz offensichtlicher Repressionen, über den Prozess der Ölförderung. Darunter das African Institute of Energy Governance. Mit ersten Erfolgen. 2022 erhielt Dickens Kamugisha und sein Team den Alternativen Nobelpreis, ›für den mutigen Einsatz für Klimagerechtigkeit und die Rechte betroffener Gemeinden, die durch ausbeuterische Energieprojekte in Uganda verletzt werden‹ heißt es in der Laudatio.

Eine Katastrophe in der Mache

Auch das EU Parlament hat sich mit dem gigantischen fossilen Projekt auseinandergesetzt und im September 2022 einen ›Resolutionsentwurf zu Menschenrechtsverletzungen in Uganda und Tansania im Zusammenhang mit Investitionen in Projekte für fossile Brennstoffe‹ veröffentlicht. Darin steht geschrieben: »Fast 118.000 Menschen sind von diesen Ölprojekten betroffen: Die Häuser einiger unter ihnen wurden zerstört, um den Bau von Zufahrtsstraßen oder einer Verarbeitungsanlage zu ermöglichen, andere Häuser wurden ganz oder teilweise beschlagnahmt, ihre Bewohner*innen haben die freie Nutzung ihrer Grundstücke und damit ihre Lebensgrundlage verloren, ohne dass zuvor eine gerechte und angemessene Entschädigung gezahlt wurde.«

Gegen die Bedenken des EU Parlaments verteidigte sich prompt der Vorsitzende des tansanischen Verbands der Öl- und Gasindustrie, Abdulsamad Abdulrahim in dem Ugandischen Sender NTV:

Abdulsamad Abdulrahim: »Die sozialen Auswirkungen auf die Umwelt wurden untersucht, die biologische Vielfalt wurde untersucht, eine biologische Bestandsaufnahme wurde durchgeführt, und es wurden auch Konsultationen mit den Einheimischen durchgeführt, mit den Gemeinden, in denen die Bauern leben, wo die Pipeline gebaut werden soll, Konsultationen zwischen den Einheimischen, der Region, den Regierungsberatern und den Land- und Bezirksräten.«

Doch was genau bedeutet es, all diese Untersuchungen gemacht zu haben? Zwar beteuert TotalEnergies, allein in Tansania 35.000 Menschen konsultiert zu haben. Beobachter*innen hegen begründete Zweifel daran, dass die Menschen, die auf und um die Ölfelder sowie entlang der geplanten Pipeline leben, angemessen gehört und entschädigt wurden. So heißt es in einer Studie der Naturfreunde Frankreich und der Organisation Survie von Oktober 2022: »Viele Betroffene haben zum ersten Mal in den Medien oder auf der Straße von einer Pipeline aus Uganda gehört. Viele von ihnen erfuhren auf einem von Total und der EACOP organisierten Treffen, dass ihr Land und ihre Häuser für das Projekt in Anspruch genommen werden würden. Viele trafen das EACOP-Team zum ersten Mal auf ihrem eigenen Land, als es gerade Erhebungen durchführte oder die Grundstücke bereits bewertete.«

Ein auf vorheriger umfänglicher Information basierender Konsultationsprozess, wie er von der Internationalen Arbeitsorganisation vorgesehen ist, hat demnach nicht stattgefunden. Und: »Die Entschädigungssätze für Land beruhen auf einer von dem Unternehmen durchgeführten Studie. Die ebenfalls vom Unternehmen vorgenommene Bewertung von Land, Ernten und Vermögenswerten der Betroffenen wird anschließend von der tansanischen Verwaltung genehmigt.« Der im Oktober 2022 veröffentlichte Bericht der Naturfreude Frankreich und der Organisation Survie über die Lage in Tansania basiert auf 72 Interviews mit Betroffenen. Eine Katastrophe in der Mache, so der Titel, warnt vor weiteren Einschüchterungen derer, die sich gegen das Ölförderprojekt oder schlicht für die Einhaltung ihrer Rechte aussprechen. Auch der Resolutionsentwurf der EU von September 2022 enthält deutliche Worte in dieser Sache.*

Doch Rückendeckung von Seiten des EU-Parlaments reicht nicht, es gibt Rückschläge im Bemühen, das Projekt zu stoppen. Am 7. März wies ein französisches Gericht eine Klage von sechs französischen und ugandischen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen ab. Die Klage warf dem französischen Unternehmen TotalEnergies vor, bei der Entwicklung des Tilenga-Ölprojekts und der ostafrikanischen Rohölpipeline nicht alles getan zu haben, um die Menschen und die lokale Umwelt zu schützen, berichtet das Online Magazin Lifegate. * Omar Elmawi, Kampagnenleiter von STOP EACOP, im Dezember 2022:

Omar Elmawi: »Wir alle werden als Kollateralschanden betrachtet. Menschen, die sich gegen das Projekt wehren, werden auf die eine oder andere Weise mit Repressalien der Regierung konfrontiert. Es gab viele Menschenrechtsverletzungen in diesem Prozess, es gab Verhaftungen, Menschen wurden inhaftiert, NGOs wurde damit gedroht, ihnen die Registrierung zu entziehen.«

Im Internet kursieren Berichte von Verhaftungen. Auch Dickens Kamugisha wurde 2021, kurz nach dem Gespräch mit dem südnordfunk, inhaftiert. Jeff Wokulira Ssebaggala sagte Ende Mai:

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Ich muss Ihnen sagen, dass sogar dieses Radio, das Witness Radio, abgebrannt wurde, weil wir uns mit diesem Thema befasst haben. Und mehrere andere Organisationen wurden ebenfalls ins Visier genommen, weil die politischen Kräfte im Land nicht wollten, dass die Gemeinschaften mehr Macht erhalten. So soll uns gedroht werden, damit wir aufhören diese Gemeinden zu sensibilisieren.«

Den Brand in der kleinen Radiostation hat die Organisation nicht untersuchen lassen, zu teuer und zu aufwändig sei der Prozess. Doch weiterhin verfolgt das Witness Radio mit vier Journalist*innen Landvertreibungen, aktuell vor allem im Zusammenhang mit der Ölpipeline:

südnordfunk: »Sie sind vorgestern vom Amtsgericht Hoïma zurückgekehrt, dort haben Sie an einem Gerichtsverfahren teilgenommen. Einige Gemeindemitglieder waren verhaftet worden. Wie lauten die Anschuldigungen?«

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Zunächst einmal sei gesagt: das Landerwerbsverfahren in Uganda ist sehr konfrontativ, die Menschen sind nicht informiert und nicht sensibilisiert, was ihre Rechte betrifft. Was die Leute zu sehen bekamen, war der Einsatz der Armee, der Polizei und anderer Sicherheitskräfte, die behaupteten, sie würden die Interessen der Landbesitzer schützen, was natürlich nicht stimmt. In diesem speziellen Fall geht es um Kapapi, eines der Gebiete, in der die Ölpipeline verlegt werden soll. Hier haben Total und andere Akteure nach der Landvermessung die Menschen auf diesem Land registriert. Aber innerhalb kurzer Zeit wurden die registrierten Personen unter dem Vorwurf verhaftet, dass sie Land besetzen, das ihnen nicht gehört. Dann wird auf zweifelhaften Wegen die Staatsanwaltschaft bemüht. Es betrifft rund 20 Personen, vor allem diejenigen, die registriert wurden und Anspruch auf eine Entschädigung für ihr Land hatten. Bei ihrer Verhaftung wurden sie auf der Polizeiwache in Hoïma festgehalten und anschließend vor Gericht gestellt.«

Festnahmen statt Entschädigungen

Die Festnahmen ereigneten sich im Februar 2023, im Distrikt Hoïma, dort, wo der Bau der Pipeline beginnen soll. Sie wirbelten einigen Wind auf.

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Die Festgenommenen wurden wegen mehrerer Straftaten angeklagt. Eine davon lautet krimineller Landraub. Sie wurden auch wegen Viehdiebstahls angeklagt. Eine weitere Anklage lautet Körperverletzung. Wir haben die Person, die von diesen Leuten angegriffen wurde, nicht gesehen. Aber wenn man sich die Art dieser Anklagen ansieht, war es die Absicht, die Leute ins Gefängnis zu bringen und nicht wieder herauszuholen. Denn kurz nachdem sie verhaftet, ins Gefängnis gebracht und vor Gericht gestellt worden waren, kam es zu gewaltsamen Zwangsräumungen. Ihre Häuser wurden angezündet, ihre Tiere und ihr Eigentum wurde geplündert, und es gab auch Vorwürfe von Gruppenvergewaltigungen, Frauen wurden vergewaltigt. All dies geschah, als diese Männer im Gefängnis saßen.«

»Man hegte deutlich die Absicht, die Leute im Gefängnis festzuhalten.«

Uganda berichtet am 28. Februar, die Ministerin für Land, Wohnungsbau und Stadtentwicklung, Judith Nabakooba, habe eine Untersuchung und die Freilassung der von den Kapaapi-Landvertreibungen im Bezirk Hoima betroffenen Personen angeordnet. »Mehr als 490 Personen aus 31 Familien, zumeist Ackerbauer und Viehzüchter, wurden von der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten gewaltsam von dem Land vertrieben, das ihnen gehört.« Offensichtlich kam es nicht zur Freilassung, das Witness Radio war letzte Woche in Hoïma vor Gericht geladen und berichtet dem südnordfunk:

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Sie wurden nachts gewaltsam verhaftet und diese Information wurde weitergeleitet. Dann wurde versucht, eine Freilassung auf Kaution zu beantragen. Die wurde genehmigt, doch bevor sie aus dem Gefängnis kamen, wurde wieder eine neue Akte angelegt, sie wurden mit neuen Anschuldigungen belastet. Man hegte deutlich die Absicht, die Leute im Gefängnis festzuhalten. Was bedeutet das? Diejenigen, die dort Land besitzen, wo sie wegen der Ölpipeline Anspruch auf Entschädigung hätten, und die Gerechtigkeit fordern, wurden ins Visier genommen. Denn es gibt Leute, die sich das Geld holen wollen.«  

südnordfunk: »Was war die Rolle von Witness Radio und was ist das Ergebnis des Gerichtsverfahrens? Konnte das Gericht den Fall lösen?«

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Unsere Aufgabe war es, einen Vortrag zu halten. Wir sind vor Gericht gegangen und haben unsere Bedenken präsentiert, und die Richter haben eine Kaution gewährt. Als Bedingung wurden exorbitante Geldbeträge festgelegt. Die Leute kommen nicht frei, weil die Konditionen für ihre Kaution sehr streng sind. Einige verlangten eine Million Uganda-Schilling, etwa 300 Dollar, für jemanden, der seinen Lebensunterhalt verloren hat. Ein anderer wurde aufgefordert, 300.000 Uganda-Schilling zu zahlen, das entspricht etwa 100 Dollar. Und es gibt noch weitere Anklagen, weitere Akten, die nicht bearbeitet wurden. Es wird erwartet, dass wir nächste Woche wieder vor das Gericht in Hoïma gehen.«

südnordfunk: »Hatten die Betroffenen denn einen Landtitel? Also, eine Besitzurkunde?«

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Nein, sie hatten keine Urkunde, aber wir wissen, dass es sich um öffentliches Land handelte, für das nach dem Gesetz die ansässige Gemeinde einen Antrag stellen muss. Die Betroffenen sagten uns, dass sie zu den örtlichen Behörden gingen, um diesen Prozess zu starten, aber sie wurden mit Holzscheiten beworfen. Die Menschen wissen nicht wirklich, was vor sich geht, die Informationen werden einer Elite vorbehalten. Selbst die Bewohner*innen in den umliegenden Gemeinden wussten nicht, was vor sich geht. Das Einzige, was sie wirklich erfahren, sind die Umweltprobleme dieser Experimente, die Inhaftierung und das Verschwinden von Menschen durch diese Geschäfte.«

»Innerhalb kurzer Zeit wurden die regis­trierten Personen unter dem Vorwurf verhaftet, dass sie Land besetzen, das ihnen nicht gehört.«

In Uganda halten nur zirka ein Viertel der Menschen einen Landbesitztitel, doch rund 70 Prozent arbeiten in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Das erleichtert Landnahmen, und die juristische Aufarbeitung der Fälle wird durch die nicht vorhandenen privaten Landbesitztitel eine komplexe Angelegenheit, immer wieder begleitet von Korruption. »Doch Total Energies und seine Partner treiben das kolossale Projekt weiter voran. In den sozialen Medien wurde eine Pro-EACOP-Kampagne gestartet, um die Öffentlichkeit von den angeblichen Vorteilen des Projekts zu überzeugen und seine Gegner schlecht zu machen«, so die Naturfreunde und Survie in ihrem Bericht. Hinzu kommen die ökologischen Risiken. Das EU-Parlament fordert TotalEnergies nachdrücklich auf, sich ein Jahr Zeit zu nehmen, »bevor das Projekt in Angriff genommen wird, um die Durchführbarkeit einer alternativen Route zu prüfen, um geschützte und empfindliche Ökosysteme und die Wasserressourcen Ugandas und Tansanias besser zu schützen und die Anfälligkeit der Wassereinzugsgebiete in der Region der Großen Seen in Afrika, die eine kritische Ressource für die Region darstellt, zu begrenzen, und um alternative Projekte auf der Grundlage erneuerbarer Energien für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung zu prüfen.«

In Uganda gab es Ende September 2022 heftige Gegenreaktionen auf die EU-Parlamentsresolution: Thomas Tayebwa, der zweite Sprecher des Ugandischen Parlamentes, verteidigte die EACOP und erwiderte den EU-Antrag so: »Dieser Antrag stellt einen Höhepunkt des Neokolonialismus und Imperialismus dar, der sich gegen die Souveränität von Uganda und Tansania richtet. Dieser Antrag zielt darauf ab, den Fortschritt der ugandischen Öl- und Gaserschließung und damit auch das sozioökonomische Wachstum und die Entwicklung des Landes zu behindern.«

Die Fronten sind verhärtet

Das ugandische Fernsehen berichtete von aufgebrachten Studierenden, die gegen den bevormundenden Duktus der EU zum Protest aufgerufen haben*. Mobilisiert hatte die Studierendengewerkschaft. Damit treffen die Stimmen von der ugandischen Fridays for Future-Bewegung auf Gegenstimmen einer jungen Generation. In Uganda wird anti-imperialistische und anti-neokoloniale Rhetorik bemüht, und in populistischen Reden wird ein Selbstbewusstsein inszeniert, um die Bevölkerung für die Ausbeutung der fossilen Ölreserven einzustimmen, immer mit dem durchaus richtigen Hinweis, die Last der Klimaemissionen liege im Globalen Norden, das Land brauche Entwicklung.

Omar Elmawi: »Für uns sieht das nicht unbedingt nach Entwicklung aus, denn man zwingt die Menschen nicht zur Entwicklung, wenn sie nicht damit einverstanden sind.«

Die Bedenken des eher zahnlosen EU-Parlaments scheinen zu verpuffen, Entwicklungsprojekte der EU-Kommission setzen zwar auf erneuerbare Energien, eine eindeutige offizielle Haltung der Kommission zur EACOP gibt es nicht. Die Landvertreibungen hingegen nehmen kein Ende. Diesen Monat, im Juni 2023, soll mit dem Bau der Pipeline begonnen werden. Museveni reagierte auf dem 7. Internationalen Energiegipfel in Uganda Ende September 2022 auf das EU-Parlament mit der Feststellung: »Die Pläne werden so umgesetzt, wie geplant.« Was ist heute Stand?

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Wir haben bereits Lastwagen beobachtet, die Material anlieferten und von der Armee begleitet wurden, wir haben gesehen, wie so genannte Detach-Camps für das Militär eingerichtet wurden. In anderen Fällen ist die Armee permanent an diesen Orten, auch wenn kein Krieg herrscht, nur um diese Aktivitäten zu überwachen. Und das ist wirklich die Botschaft. Und die Ankunft Chinas, dessen schlechte Menschenrechtsbilanz natürlich zur Debatte steht, gibt Anlass zu großer Sorge.«

Die Militarisierung des Pipelinebaus ist also nicht die einzige Sorge. Doch die STOP EACOP-Kampagne mobilisiert weiter. Auch sind junge Klimaaktivist*innen aus Uganda allerorten aktiv.

südnordfunk: »Die Jugendorganisation Strategic Response on Environment Conservation sammelt Unterschriften für Petitionen an das Ministerium für Landbesitz. Könnte eine Petition den Bau der Pipeline wegen der Verletzung von Landrechten stoppen?«

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Glauben Sie mir, selbst wenn Sie Dutzende von Petitionen beim Landministerium einreichen, hat das Ministerium keine Befugnis zu entscheiden, was getan werden soll. Die gesamte Macht liegt allein in den Händen des Präsidenten. Selbst wenn man vor Gericht geht, werden die Gerichte mundtot gemacht, die Gerichte können nicht unabhängig über diese Angelegenheit entscheiden, sondern nur der Präsident kann sie entscheiden. Und die Verunreinigung des Energiesektors macht Uganda für diejenigen, die im Energiesektor tätig sind, sehr riskant.«

Mediale Intervention – riskant doch unerlässlich

Was der Gründer des Witness Radio sagt, wurde in einem Bericht der Sonderberichterstatter*innen der UN von 2020 bereits bemängelt, eine Besserung ist offensichtlich nicht in Sicht. Dort hieß es: »Wir sind besorgt, dass die Schikanen gegen sie die Meinungsfreiheit und Meinungsäußerung anderer ugandischer Bürger, die von dem Ölprojekt von Total Uganda betroffen sind, unterdrücken könnten.«* Die Sonderberichterstatter*innen der UN hatten missbräuchliche Verhaftungen von Medienleuten und von der Landbevölkerung recherchiert. Nach den Aussagen des Witness Radio ist es nicht gerade vielversprechend, über gerichtliche Verfahren in Uganda Gerechtigkeit zu erlangen.

»Wir müssen weiterhin die Wahrheit ans Licht bringen und die Stimmen der Betroffenen veröffentlichen.«

Jeff Wokulira Ssebaggala: »Es ist sehr schwierig, also müssen wir uns fragen, wie wir Stimmen an Bord gewinnen können. Stimmen aus der internationalen Gemeinschaft, aus Europa, aus Amerika, aus der ganzen Welt, die Gerechtigkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht in diesem Energiesektor fordern. Wir müssen weiterhin die Wahrheit ans Licht bringen und berichten, die Stimmen der Betroffenen veröffentlichen und diese wahren Erfahrungen an die Öffentlichkeit bringen. Die Medien sind wirklich eingeschüchtert, die Medien können keine Geschichten an die Öffentlichkeit bringen, aus Angst. Unabhängigkeit kann nicht ausgeübt werden. Daher denke ich, dass es an uns liegt, die wir daran glauben, die Medien als Instrument zur Durchsetzung von Gerechtigkeit zu nutzen. Ich denke, das ist das einzige, was der Zivilgesellschaft bleibt.«

Hilda Nakabuye von Fridays for Future Uganda appellierte an das europäische Gewissen:

Hilda Nakabuye: »Ich bin hier, um Ihnen zu sagen: Das ist eine schreckliche Idee. Wir brauchen Investitionen in erneuerbare Energien. Wir brauchen keine Schönfärberei, kein Greenwashing. Es geht darum, die Wahrheit zu sagen, wie sie ist.«

Investitionen in Ölförderung kappen

Vorrausichtlich werden Kredite in Höhe von rund drei Milliarden Euro für den Bau der Pipeline benötigt. Viele Banken haben sich bereits gegen eine Finanzierung ausgesprochen und Abstand genommen. Die Hoffnung der STOP EACOP-Kampagne, den Bau doch noch verhindern zu können, beruht darauf, Banken und Regierungen davon überzeugen zu können, nicht in dieses fossile Geschäft einzusteigen. Nur eine weltweite Mobilisierung wird potenzielle Investoren weltweit daran hindern können, das Geld vorzuschießen. Mit dem militärischen Aufgebot in Uganda will Präsident Museveni beweisen, die Kritiker*innen der Ölpipeline, der Vertreibungen und Landnahmen im Griff zu haben.

17 französische Parlamentarier*innen sprachen sich gegen die Finanzierung aus, der Papst warnte letztes Jahr vor EACOP, der Bundestag plädierte kurz vor der letzten Weltklimakonferenz im Dezember 2022 gegen den Bau, eine große japanische Bank machte einen Rückzieher.* Doch der Countdown läuft, das Material wird bereits antransportiert. 2025 soll das Öl dann fließen.

Martina Backes hatte aufgrund des geplanten Baustarts der Pipeline und der genehmigten Lizenzvergabe für die Ölförderung mit dem Witness Radio über die aktuellen Entwicklungen gesprochen. Die Sendung wurde im Rahmen des Projekts »Noch kurz vor kanpp das Klima retten?« der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) realisiert.

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