»Wir kannten 3.000 Reissorten«

Wie bewertet die Bewe­gung des Öko­land­baus auf Sri Lanka das plötzliche Verbot von Kunst­dünger?

Audiobeitrag von Martina Backes

24.05.2023

Kein Essen, kein Treibstoff, ein kollabierendes Gesundheitssystem und eine galoppierende Inflation – das war der Anlass der Proteste in Sri Lanka, die Präsident Rajapaksa im Juli 2022 zu Fall brachten. Begonnen hatte die Abwärtsspirale mit der Entscheidung, das Land von heute auf morgen auf 100 Prozent Biolandbau umzustellen. Dazu wurde der Import von Mineraldüngern verboten. Aktuell erlebt Sri Lanka die schlimmste Wirtschaftskrise seit seiner Unabhängigkeit 1948. Die landwirtschaftliche Produktion ging nach dem abrupten Verbot von chemischen Düngern und der Umstellung auf reine Bioproduktion zurück. Wie bewertete die Lanka Bewegung des Ökolandbaus die über Nacht auferlegte Biopolitik? Der südnordfunk sprach mit Thilak Kariyawasam, dem Präsidenten der Bewegung für organischen Landbau in Sri Lanka (LOAM), über die Probleme des Reisanbaus und die komplexen Gründe der Krise.


Shownotes

Skript zum Audiobeitrag

Erstausstrahlung am 6. Mai 2023 im südnordfunk # 108

südnordfunk: Vor zwei Jahren, im April 2021, entschied Ex-Präsident Rajapaksa – der inzwischen außer Landes geflohen ist -  alle Mineraldünger-Importe zu stoppen und ganz Sri Lanka quasi über Nacht auf Biolandwirtschaft umzustellen. Das klingt doch eigentlich sehr unterstützend für eine Bewegung, die organische Landwirtschaft propagiert. War das also damals eine gute Botschaft für Sie als Präsident von LOAM?

Thilak Kariyawasam: Lassen Sie mich diese Botschaft anders ausdrücken. Präsident Rajapaksa selbst hat sich mit seinen sogenannten grünen Wirtschaftsvorschlägen profiliert, vermeintlich grüne Strategien, die er nicht nur wegen seines fehlenden Verständnisses über ökologische Landwirtschaft fehlgeleitet hat. Er selbst hat in seinem Wahlprogramm 2019 gesagt, dass er alle Düngemittel kostenlos an alle verteilen wird, nachdem der vorherige Präsident, Maithripala Sirisena, versprochen hatte, alle chemischen Dünger, die den Menschen schaden, zu verbieten - Glyphosat hatte Sirisena dann bereits 2017 verboten. Als Rajapaksa die Wahlen gewann, wollte er mehr bieten als sein Vorgänger, und versprach, mineralische Kunstdünger zu 100 Prozent zu subventionieren und kostenlos auszugeben. Die Leute, die biologische Landwirtschaft betrieben, bekamen nichts.  

Einige seiner Anhänger*innen setzten ihm dann die Idee in den Kopf, dass man mit einem Verbot der chemischen Düngemittel eine Menge Geld sparen könnte. Als er sich an das Finanzministerium wandte, musste er feststellen, dass dieses kein Geld hatte, weil es auf Kredite angewiesen ist, die wir aus dem Ausland erhalten. Wenn man also Düngemittel subventioniert, muss man irgendwo ein Darlehen in Höhe von 350 Millionen US-Dollar auftreiben, um die Menschen mit diesem Dünger zu versorgen. Für die Regierungsbeamten ist es immer belastend, irgendwo einen Kredit aufzunehmen, entweder von der Weltbank oder der Asiatischen Entwicklungsbank oder den Chinesen.

Bedeutet dies, dass seine Biopolitik eine Art Ausrede war? Dass Ex-Präsident Rajapaksa vielleicht nicht wirklich an einem Übergang zu Biolandwirtschaft interessiert war?  Oder kam die Umstellung einfach zu plötzlich? Wie schätzen Sie sein Vorgehen ein?

Thilak Kariyawasam: Ohne ein tieferes Verständnis und ohne zu wissen, welche Vorteile die ökologische Landwirtschaft hat, stellt er einfach aus wirtschaftlichen Gründen auf Bio um. Auch als er auf dem UN-Gipfel in New York diese Biorevolution versprochen hatte, hatte er kein umfassenderes Verständnis davon. Seine eigentliche Absicht war, 350 Millionen US-Dollar einzusparen.

Was aus der Staatskasse ausgegeben wird, sollte sich aus Krediten speisen, darum ging es. Er hat sich nicht richtig mit den Regierungsbeamten beraten, er hat sich nicht mit den Landwirtschaftsexperten beraten, nicht einmal mit Leuten wie uns von der Biobewegung. Hätte er mit uns gesprochen, hätten wir ihm gesagt, dass er nicht von heute auf morgen zu 100 Prozent umstellen kann. Denn in den 30 Jahren, in denen wir mit den Landwirt*innen arbeiten, haben wir die Erfahrung gemacht, dass ein angemessener Ansatz gewählt werden muss. Die Beratung ist der Schlüssel. Die Landwirte selbst müssen ihre Betriebe individuell auf der Grundlage von Kenntnissen umstellen.

Lassen Sie uns zunächst über die Krise sprechen, die mit dem Verbot scheinbar einherging. Die landwirtschaftliche Produktion ging zu dieser Zeit ja tatsächlich zurück. Die Menschen sahen sich mit extrem hohen Lebensmittelpreisen konfrontiert, und infolgedessen nahmen Hunger und Unterernährung zu. Außerdem gab es zur gleichen Zeit eine Treibstoffknappheit. Wie ist die Situation heute?

Thilak Kariyawasam: Lassen Sie mich diese Frage aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, denn diese Krise ist nicht nur wegen der verordneten Umstellung entstanden. Sie war schon eine Weile da. 2018 gab es einen großen Angriff auf viele Hotels in Colombo, mit dem Bombenanschlag zu Ostern. Das hat den Tourismus getroffen. Wegen dieses Anschlags kamen kaum mehr ausländische Dollars ins Land. Der Tourismussektor - einer der Schlüsselsektoren der Wirtschaft – brach zusammen.

Und dann, im Jahr 2020, senkten das Coronavirus und COVID die meisten Exporte auf ein Nullniveau. Ich denke, der Ex-Präsident hatte sich zu diesem Schritt entschlossen, weil er keine andere Möglichkeit mehr sah, nachdem die meisten Unterstützer*innen der Regierung, die uns bislang mit Geld versorgten, wie China, Indien und andere, ausfielen. Obwohl wir unsere natürlichen Ressourcen aufs Spiel setzten, bekamen wir von diesen Ländern bis dahin ja regelmäßig Kredite. Und die sind wichtig, weil wir keinerlei Weizen im Land anbauen. Wir importieren Weizenmehl zu 100 Prozent und auch Linsen werden importiert. Kartoffeln, Zwiebeln, Chilis und die meisten anderen Lebensmittel kommen aus dem Ausland. Es fehlte plötzlich das Geld, um diese Güter zu importieren, so wurden Lebensmittel knapp. Die Krise war also schon vor dem Importstopp für chemischen Dünger da. Nur: Die Krise wird mit dieser Bio-Botschaft in Verbindung gebracht und der wahre Grund wurde verkehrt.

»Gebt uns Dünger, gebt uns Dünger!«

Die Medien und die Politik haben die Umstellung auf Bio ganz grundsätzlich in Frage gestellt. Und die Opposition ging auf die Straße und forderte: Gebt uns Dünger, gebt uns Dünger. Und all die Agrarfirmen, die in der modernen Pflanzenzüchtung arbeiten, wurden von den Medien kontaktiert. Diese Unternehmen und auch akademischen Kreise sagten dann, wir suchen nach Lösungen für die Hungerkrise. Und was passierte? Nach dem Rücktritt des Präsidenten Rajapaksa kamen alle, die FAO (Welt­ernährungs­organisation), das Welternährungs­programm, USAID und andere, sie kamen ins Land und haben wieder chemische Dünger verteilt.

Zu Ihrer Frage, ob die hohen Preise für Nahrungsmittel eine Ernährungskrise ausgelöst hat: Haben Sie schon von Menschen gehört, die in Sri Lanka verhungert sind? Nein, wir haben genug Nahrungspflanzen im Land, die aber nach den Definitionen der internationalen Akteure nicht zählen. Es gibt Jackfrucht, Kokosnuss und Brotfurcht. Wenn man Jackfrucht und Kokosnuss zusammen zubereitet, hat man eine Mahlzeit.

Doch laut dem Welternährungs­programm leiden aktuell 4,9 Millionen Menschen in Sri Lanka an Hunger.

Thilak Kariyawasam: Das stimmt so nicht, das ist ja mein Punkt, sonst müssten auch täglich Menschen an Hunger sterben, doch dem ist nicht so. Ja, es gibt Probleme in den Städten, es gibt Verteilzentren für Lebensmittel und Hilfsgüter, dort sind die Leute mehr betroffen, das ist richtig. Doch auf dem Land und in den Dörfern haben die allermeisten Menschen immer noch zu Essen. Die Unternehmen waren sehr daran interessiert, die Zahlen der Hungernden medial zu veröffentlichen. Gut, die Ernährung war in der Krise weniger nahrhaft, aber es gab zu Essen.

Sie meinen, die Agro­industrie benutzt also die Krise und dieses Debakel auch medial, um zu einer energie­intensiven Landwirtschaft zurückkehren zu können? Mit welchen Heraus­forderungen sehen Sie sich als jemand, der Ökolandbau propagiert, in dieser Situation konfrontiert?

Thilak Kariyawasam: Wir haben den Präsidenten von Beginn an für seine Politik kritisiert, es sollte keinesfalls eine Übernachtaktion sein. Es braucht einen Fünf- bis Zehnjahresplan, mit finanziellen Hilfen und einer Zeit der Umstellung. Die Beratungsdienste müssen dafür gerüstet sein. Trotz der Ad-Hoc Aktion gibt es aber Bauern, die mit der Umstellung begonnen haben. Mit denen arbeiten wir jetzt zusammen, mit Unterstützung zahlreicher Organisationen wie den Agronauten, Brot für die Welt und anderen. Wir suchen nach Absatzmärkten und vor allem helfen wir beim Aufbau der Bodenfruchtbarkeit, denn wenn die Landwirte die verlieren, ist es ihr Aus. Wir zeigen ihnen, wie sie mit ihren eigenen Mitteln flüssige Dünger herstellen können. Und wir arbeiten auf der Seite der Konsument*innen. Es braucht eine Nachfrage derjenigen, die gutes Essen kaufen wollen, nicht nur im Ausland, auch bei uns. Wir sehen uns in der Verantwortung, beide Seiten zu stärken und kleinere Produzent*innen und Konsument*innen über Vermarktungskonzepte in Kontakt zu bringen, schließlich haben wir Obstanbau, Ananas, Gemüseanbau – auch in kleinbäuerlichen Betrieben. Es sind die großen Plantagenbesitzer, die sagen, dass sie ohne Kunstdünger nicht auskommen.

Insofern war die verordnete Biopolitik für die Ökolandbau­bewegung vielleicht ein Risiko und gleichzeitig auch eine Chance. Um den Hintergrund all dessen besser zu verstehen, erklären sie gerne nochmal, wie sich der Reisanbau in Sri Lanka historisch entwickelt hat.

Thilak Kariyawasam: Vor den 1950ern bauten wir den Reis komplett ökologisch an. Nach den 1950er- und insbesondere nach den 1960er-Jahren, als die grüne Revolution einsetzte, kamen viele Produktionsmittel durch die Welternährungsorganisation ins Land, sie machte sich die Mühe, unser landwirtschaftliches System einem Wandel zu unterziehen und mit chemischen Düngern und Pestiziden zu arbeiten. Die Landwirte und die Beratungsstellen wurden entsprechend geschult, und natürlich gab es zunächst höhere Ernten, auch dank der eingeführten Hochleistungssorten. Doch was bedeutete das für die Bauern langfristig? Sie mussten das Saatgut ständig käuflich erwerben, vorher hatten sie selber ihr Saatgut erzeugt und geschützt, nun haben sie ihre Sorten verloren. Sie sind darauf angewiesen und davon abhängig, ständig Saatgut zu kaufen. Die Hochertragssorten haben aber das gesamte Reisanbausystem nie gestärkt, stattdessen benötigt der Reis jetzt sehr viel Wasser, er ist arbeitsintensiv im Anbau, und er benötigt hohe Gaben von Mineraldüngern. All das hat manche Bauern sogar in den Selbstmord getrieben.

»Die Medien und die Politik haben die Um­stellung auf Bio ganz grundsätzlich in Frage gestellt.«

Nicht nur das: Langfristig sind die Leute erkrankt, vor allem an einer unbekannten aber chronischen Nierenkrankheit. Man fand schließlich heraus, dass die Düngemittel von schlechter Qualität und mit Schwermetallen kontaminiert sind, mit Chrom, Cadmium, Quecksilber und Arsen. Weil die bäuerlichen Gemeinschaften diesen giftigen Stoffen ausgesetzt sind, büßen sie ihre Fitness ein, die Krankheit ist tödlich. Das staatliche Gesundheitspersonal ordnet diese Krankheit noch immer nicht eindeutig zu, allerdings gibt es Gesundheitsexperten wie Dr. Gamampile, die sagen, das würde schlicht geleugnet, und es gäbe einen direkten Zusammenhang mit den Agrochemikalien.

Die wissenschaftliche Zeitschrift »Water and Heath« veröffentlichte jüngst eine Studie dazu, untersucht wurde das Wasser­einzugsgebiet von drei Flüssen in Sri Lanka. Der Studie zufolge ist die Belastung mit Schwermetallen wie Blei, Quecksilber, Arsen und anderen von Ihnen erwähnten Metallen vor allem in land­wirtschaftlich genutzten Gebieten hoch, in bewaldeten Gebieten aber geringer. Ein Zusammenhang scheint demnach offensichtlich.

Thilak Kariyawasam: Ja, warum sollte es sonst primär die Bauern treffen, und warum ausgerechnet in Regionen, in denen Reis angebaut wird. Wegen der Bewässerung! Wir hatten hier früher ein besonderes Anbausystem. Von je her haben wir Regenwasser in Vorratsspeichern gesammelt und über ein Kaskadensystem verteilt. Doch dann, vor 40 Jahren, fingen die Bauern an, das Wasser vom Fluss in großen Tanks zu speichern, um es auf den Reisfeldern für die dann nötige Bewässerung der Reispflanzen zu nutzen. Damit wurde das traditionelle Wasserverteilsystem zerstört, und mit dem Flusswasser gelangten die Agrochemikalien aus dem Hochland bis in die Tiefebenen überall auf die Reisfelder. Dieses Wasser ist kontaminiert. Wenn die Leute auf den Feldern arbeiten, gehen sie nicht in ihre weit entfernt liegenden Häuser, um ihren Durst zu löschen. Sie trinken das kontaminierte Flusswasser aus den Bewässerungstanks.

»Die Dünge­mittel sind mit Schwer­metallen konta­miniert, mit Chrom, Cadmium, Quecksilber und Arsen.«

Wissen denn die Menschen um den Grund der Erkrankung und die Schwermetall-Kontamination?

Thilak Kariyawasam: Sie wussten es nicht, und sie trinken dieses Wasser nun seit zwei oder gar drei Jahrzehnten, und jetzt erkranken sie daran. Das sind Langzeitfolgen. Die Probleme in den Dörfern sind enorm, vor allem im nördlichen Zentrum des Landes, die jungen Leute verlieren das Interesse an der Landwirtschaft, weil der Vater oder Großvater erkrankte. Viele kennen die landwirtschaftlichen Praktiken nicht mehr, dieser Verlust und diese chemikalienreiche Landwirtschaft wird in der Zukunft eine Krise verursachen. Die einzige Lösung ist eine ökologisch-organische Bewirtschaftung.

Lassen Sie uns noch über den Klima­wandel sprechen. Denn gerade der Reisanbau ist als Verursacher von Klima­gasen wie Methan ja sehr umstritten. Wie wirkt der Klimawandel sich auf die land­wirtschaftliche Produktion aus und wen trifft es am meisten?

Thilak Kariyawasam: Wir haben in Sri Lanka 103 Flussläufe, das Wasser kommt aus dem zentralen Hochland, fließt durch die Täler bis ins Meer, die Landschaft ist abwechslungsreich. Wir haben 46 verschiedene agrarökologische Zonen, je nach Lage und Biodiversität. Von den Höhenlagen bis zur Küste wurde Reis angebaut, wir kannten 3.000 unterschiedliche Reissorten, die Anbauphase variierte zwischen zwei und acht Monaten – keiner dieser Reissorten wurde bewässert, wir brauchten für unseren Reis nur wenig Wasser. Jetzt müssen wir intensiv bewässern, und mit der Bewässerung wird viel Methan produziert. Daher kommen heute die Klagen der Klimawissenschaft. Auf der anderen Seite: Je weniger du bewässerst, desto eher kann mit Reis auch CO2 gebunden werden. Der Anbau kann also auch ein Vorteil sein, solange man nicht bewässert. Wir haben also ein Problem mit falschen Landnutzungsmethoden. Und mit dem Anstieg des Meeressiegels kommt nun das Salz in die Felder. Früher waren wir auf das Salz eingestellt, wir hatten salzresistente Reissorten. Die meisten gingen inzwischen verloren bzw. wurden verdrängt. Doch zum Glück gibt es noch einige Sorten, die Bauern haben noch etwas Saatgut, und wir von LOAM vermehren das jetzt und führen die salzresistenten Sorten wieder ein, damit sie wieder anstelle der modernen aber salzempfindlichen Reissorten ausgesät werden.

Wer hat das geistige Recht an dem Reissaatgut? Ist es privater Besitz?

Thilak Kariyawasam:  Die traditionellen Reissorten sind ein Gemeingut, kein Privatbesitz. Die Bauern vermehren das Saatgut, es ist nicht das Eigentum von Unternehmen. Früher gab es so etwas wie Eigentumsrechte ja gar nicht. Doch heute versuchen die Bauern eine Form von Nutzungsrechten in Rahmen der Saatgutgesetzgebung zu erlangen. Wenn es die beschriebenen Probleme gibt, versuchen wir, den Gemeinden mit entsprechenden Reissorten auszuhelfen, die mit dem Stress umgehen können. Dieses Jahr arbeiten wir dank der Unterstützung der Agronauten mit rund 1.000 Kleinbauern zusammen, die vom Klimawandel betroffen sind.

Von der Wahl des richtigen Saatguts abgesehen, was kann man noch tun, um den Reisanbau klimafreundlicher zu gestalten?

Thilak Kariyawasam: Wir beraten die Bauern dahingehend, wie sie den Reisanbau mit weniger Bewässerung praktizieren können. Das ist das erste, dann pflanzen wir Bäume. So reduzieren wir den Methanausstoß und überführen den Anbau in ein weniger klimaschädliches angepasstes System, mit einem Fruchtwechsel zwischen Reis und Hülsenfrüchten. So wird auch die Bodenfruchtbarkeit nach und nach aufgebaut und das wiederholte Ausbringen von Düngern reduziert. Das sind zentrale Schritte gegen die Effekte des Klimawandels.

Wenn es keine Über-Nacht-Wende hin zu organischer Landwirtschaft geben kann, was sind dann ihre Forderungen an die Regierung, um eine, sagen wir, nachhaltige und tragbare Agrar­wende zu realisieren?

Thilak Kariyawasam: Wie gesagt, aktuell geschieht folgendes: Mit den Hilfsprogrammen der FAO und US AID kommen tonnenweise chemische Dünger auf die Felder, das ist ihr Ansatz. Mein Vorschlag geht in eine andere Richtung: Warum kann man diese Hilfe nicht auch denen zukommen lassen, die ihr Land biologisch bewirtschaften wollen? Die großen internationalen Entwicklungsakteure sprechen auf globaler Ebene viel von Umweltverschmutzung und anderen Problemen, doch in der lokalen Projektarbeit haben sie eine andere Agenda. Ich fordere von der Regierung und den internationalen Akteuren: Bitte, implementieren Sie das Verschmutzungsprinzip*, denn schaut man auf die Ursachen der Krise der Landwirtschaft, muss man doch sagen, all diese Probleme kommen mit den Kunstdüngern. Warum also werden sie immer wieder propagiert, inklusive der Subventionen, um sie zu bezahlen?

Es gibt ja einen Prozentsatz von Betrieben, die gerne umstellen möchten, fangt also mit diesen Bauern an. Man kann den chemischen Dünger schrittweise reduzieren, von Jahr zu Jahr um einige Prozent. Es braucht einen Fünf- bis Zehnjahresplan, um die Mineraldüngergaben schrittweise zu reduzieren. Das ist der einzig mögliche Weg, davon wegzukommen. Zudem müssen wir auf die Gewohnheiten der Konsument*innen schauen. Wenngleich es in Sri Lanka ein Verbot von Glyphosat gab, haben die chemischen Kartelle Lobbyarbeit gemacht und die Regierung dazu bewegt, das Verbot aufzuheben. Das Ausbringen von Glyphosat belastet aber die Umwelt. Am Ende wird die Forderung eines Verbotes wiederaufkommen, denn einige Länder haben Glyphosat bereits verboten. Wie können wir da Produkte vermarkten, die mit Glyphosat kontaminiert sind. Wir müssen also langfristig denken. Wir brauchen eine Roadmap für die kommende Dekade und müssen definieren, wo wir hinwollen und wie wir die chemische Düngung nach und nach minimieren. Zudem erhalten Ökobauern derzeit keinerlei Subventionen. Diejenigen, die die Umwelt vergiften, aber sehr wohl. Das sind doppelte Standards. Selbst die Welternährungsorganisation FAO, das Welternährungsprogramm, USAID und andere, sie haben Klimaschutzprogramme und verpflichten sich auf Klimaschutz auf dem Klimagipfel in Paris etwa, aber in der Arbeit im Feld praktizieren sie etwas anderes.

Einige unserer Produkte werden hier in Deutschland konsumiert, daher müssen die Leute verstehen, was bei uns passiert. Und was die Medien hervorheben, ist teilweise nicht die Realität.

Die Autorin Martina Backes traf den Präsidenten von LOAM Ende April 2023 in Freiburg.

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