Entwicklung selbstbestimmt
Rezensiert von Jürgen Schübelin
01.05.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 396
In Why some Development works: Understanding Success untersucht Meera Tiwari Wege, die marginalisierte Gruppen aus der Armut führen können. Einfache, holzschnittartige Antworten gibt es nicht. In der Untersuchung ist noch nicht von den globalen Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine oder den Folgen der Coronapandemie die Rede, aber die Bedrohungen des Klimawandels sind in vielen der behandelten Beispiele aus Afrika, Asien und Lateinamerika präsent. Tiwari gibt der Untersuchung von Faktoren wie kollektivem Wissen und der traditionellen Expertise von Gemeinschaften beim Entwickeln und Umsetzen von Projekten viel Platz. Überhaupt, so die These, sind Entwicklungsprozesse nur dann erfolgreich, wenn sie konsequent an den Bedürfnissen der beteiligten Menschen ausgerichtet sind, und nicht an denen von Marktakteuren. Nachhaltigkeit kann es nur durch eine generationenüberschreitende Zusammenarbeit und starke Präsenz von Frauen in allen Entscheidungsprozessen geben.
Nur eigene und kollektive Erfolgserlebnisse verhelfen Menschen zum notwendigen Selbstvertrauen
Tiwari benennt in ihrem Buch sieben Faktoren für gelingende Veränderungsprozesse, die kausal aufeinander aufbauen: Leidensdruck, das Erkennen von Chancen und Gelegenheiten für Verbesserungen, kulturelle Anreize, Sicherheit beim Zugang zu Land und Ressourcen, organisatorische und Managementfähigkeiten, Hilfe durch Technologie und Methodenkompetenz – etwa beim Umweltmanagement – sowie politische Unterstützung und Legitimität – sprich den Rückenwind der Community, auch, wenn es Rückschläge gibt. Ganz nebenbei räumt die Autorin mit beliebten Konzepten der Entwicklungspolitik auf: Etwa der »Best practice«-Idee. Für sie geht es bei dieser nur darum, aus Sicht der Geldgeber messbare Erfolge zu belegen – völlig unabhängig davon, ob den vor Ort Beteiligten möglicherweise andere Aspekte viel wichtiger sind. Überhaupt könne die Frage, ob ein Veränderungsprozess erfolgreich ist, nur von den Mitwirkenden selbst beurteilt werden. Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist: Nur eigene und kollektive Erfolgserlebnisse verhelfen Menschen zum notwendigen Selbstvertrauen, um ihre Anliegen gegenüber Behörden und anderen Entscheidungsträgern zu vertreten und durchzusetzen. Nur diese Bereitschaft zum Konflikt und die Fähigkeit, ihn erfolgreich zu gestalten, macht letztlich Veränderung möglich. Es ist gut, dass hier nun neue empirische Belege für eine alte Erkenntnis angeboten werden. Hierin steckt die eigentliche politische Relevanz dieser Studie.