Foto: Kurdishstruggle

Krieger*innen & Friedensengel

Geschlechterrollen im Krieg

In der Berichterstattung zu gewaltsamen Auseinandersetzungen werden Frauen häufig viktimisiert und als misshandelte, traumatisierte Opfer ohne eigene Stimme dargestellt – selten als wütende oder aufbegehrende Akteurinnen. Und nur in Einzelfällen entspricht ihre Darstellung der einer professionellen Expertin, die zwischen Kriegsparteien vermittelt oder strategische Entscheidungen trifft. Wenngleich das Bild langsam bröckelt, dominiert noch immer die Vorstellung, dass Frauen irgendwie friedfertiger seien als Männer. Von männlichen Friedensengeln hört man hingegen selten.

Es sind diese Rollenbilder, die uns in dem vorliegenden Dossier interessieren. Welche Vorstellungen von Frauen in Konflikten sind in einer Gesellschaft dominant und was haben diese mit den realen Erfahrungen zu tun? Wir wollen in Zeiten, in denen feministische Außenpolitik en vogue ist, die Wirkmacht von Gender-Stereotypen in bewaffneten Konflikten ergründen und hinterfragen. Dazu schauen wir unter anderem nach Tigray, Nicaragua und Bosnien und sprechen mit Akteur*innen vor Ort.

Krieger­*innen oder Friedens­engel?

Wand Graffiti mit ehemaligen FARC-Kämpferinnen, die vor dem Wandgemälde sitzen

Wider den Stereo­typen

Frauen nehmen in bewaf­fneten Konflikten viel­fältige Rollen ein

Weiblich gelesene Kämpfer­innen üben eine gewisse Faszina­tion aus – doch wie sehen sich diese selbst? Wie prägen Geschlech­ter­rollen ihr Leben während und nach dem Krieg? Welche Stereo­type sind immer noch wirk­mächtig?

von Evelyn Pauls

Im Vordergrund sitzt ein Mensch mit Waffe in der Hand im Auto, im Hintergrund stehen Menschen an einen Zaun gelehnt, zwei unterhalten sich miteinander.

»Wir kämpften für eine Re­volution inner­halb der Revolu­tion«

Die Revo­lution der Sandi­nistas in Nica­ragua wurde auch von Frauen gemacht. Für sie brachte der Kampf neue Freiheiten, aber auch alte Kämpfe gegen das Patria­chat. Heute ist in Nica­ragua nicht mehr viel übrig vom Idea­lismus der Sandinistas.

Soldatinnen marschieren in Uniform und mit Waffe in Reihen durch die Straßen von Mexiko City

Um­kämpfte Soldat­innen

In Mexiko nehmen Soldat­innen eine zuneh­mend aktivere Rolle im Militär ein. Dadurch ändern sich jedoch noch keine Geschlechter­rollen. Es stellt sich die Frage nach der geschlecht­lichen Orga­nisation von Gewalt, deren Teil Soldat­innen sind.

Plakat mit bewaffneten Frauen der Women's Self Defence Corps und einer Zeichnung von einer weiblichen Schützin mit Gewehr

Gütig und opfer­bereit?

Frauen in Kaschmir kämpften für die Auto­nomie Kaschmirs vor allem gegen den indischen Staat. Dabei sind sie mit einer auf Mütter­lichkeit redu­zierten Symbolik konfron­tiert, die ihren femi­nistischen Eifer im Umgang mit dem Patriar­chat nicht erfasst.

Blauhelm-Friedensfachkraft mit Schulkindern in einem Vertriebenenlager

Ausgebootet

Zur Rolle der Frauen im Sudan: Beim Aufstand des Sudan gegen Diktator A-Bashir standen Frauen in vorderster Reihe. Beim aktu­ellen Krieg zwischen zwei suda­nesischen Militär­fraktionen bleiben die zivilen Kräfte im Abseits.

Drei Kämpferinnen der YPJ (Yekîneyên Parastina Jin) stehen zusammen und halten sich im Arm

Zeit und Geduld

Die kurdi­schen Frauen­verteidi­gungs­ein­heiten YPJ sind mittler­weile welt­bekannt. Doch bis zur Eman­zi­pation ist es noch ein weiter Weg, auch die Kämpfer­innen der YPJ sind im zivilen All­tag mit patri­archa­len Struk­turen kon­fron­tiert.

Viele Frauen demonstrieren in Uniform und mit ukrainischen Flaggen, sie halten ein schwarzes Banner, auf dem Fotos getöteter Soldatinnen zu sehen sind.

Vom Krieg gelenkt

Mit dem Beginn des russischen Angriffs auf die gesamte Ukraine am 24. Februar 2022 eska­lierte der Krieg, der schon seit 2014 in der Ostukraine tobt. Viel Beach­tung finden die Frauen in der ukra­inischen Armee.

Frauen in Militärdress und mit Gewehr bei der Ausbildung, Schwarzweißfoto von 1974

Pioneers of Change?

Ambivalente Gender­normen in Tigray

In der Region Tigray scheint das Recht auf geschlechtliche Gleichberechtigung auf dem Vormarsch. Schon seit den 1960ern kämpften hier viele Frauen für die TPLF. Sexismus existiert aber weiterhin in der äthiopischen Provinz, von der fehlenden Repräsentation in politischen Gremien bis zu sexualisierter Gewalt. Die gesellschaftliche Position ehemaliger Kämpferinnen ist prekär.

von Martina Backes

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