»Wir fordern, dass die intern­ationa­len Verträge respek­tiert werden«

Überwachung im Bergbau mangelhaft

Audiobeitrag von Robert Gather

07.12.2023

Ariana Kana hat die Auswirkungen des Bergbaus in der peruanischen Provinz Espinar am eigenen Leib erlebt. Sie weiß, was es heißt, wenn das Wasser mit giftigen Schwermetallen kontaminiert ist. Inzwischen engagiert sich die Umweltaktivistin in der Nationalen Plattform für die von giftigen Schwermetallen Betroffenen in Peru * und ist als Gemeinderätin politisch aktiv. Gemeinsam mit Paul Maquet von der Organisation CooperAccion besuchte sie Ende November die informationsstelle Peru e.V. in Freiburg. CooperAccion arbeitet mit Indigenen Gemeinden, die von Umweltverschmutzung betroffen sind. Im Interview mit dem südnordfunk erläutern die beiden, wie der Bergbau – entgegen aller Versprechungen – weder Fortschritt noch Arbeitsplätze brachte. Landvertreibungen und Umsiedlungen drohen. Auch benennen sie den Ressourcenhunger der EU, der den Kupferabbau in Peru befördert. Die Missachtung der ILO Konvention durch das Unternehmen Glencore halten sie für einen Verstoß gegen geltendes internationales Recht.


Skript zum Audiobeitrag

Erstausstrahlung am 5. Dezenber 2023 im südnordfunk # 115 auf Radio Dreyeckland

 

südnordfunk: Wie hat sich die Situation in Espinar in den letzten Jahren verändert, vor allem in Bezug auf den dortigen Kupferabbau der Firma Glencore?

Antonia Kana Magaño: Die Antwort ist ganz schön lang, aber ich werde versuchen es gut zusammenzufassen. Ich komme aus der Gemeinde Huisa, das ist eine indigene Gemeinde, dort bin ich groß geworden. Und genau dort ist eine Kupfermine von Glencore. In Espinar wird seit 40 Jahre Kupfer abgebaut und das Unternehmen Glencore ist dort seit etwa zehn Jahren tätig. Als der Bergbau in Peru begann, wurden uns Entwicklung und Wirtschaftswachstum versprochen. Das ist richtig, die Wirtschaft wächst, die Frage ist: Für wen ist diese Entwicklung, wem bringt sie etwas? Wir haben in den Gemeinden bis dorthin in Harmonie mit der Natur gelebt, weil das unserer Kosmos-Vision entspricht. Wir haben Landwirtschaft betrieben, Viehwirtschaft. Wir haben alte Kartoffelsorten angebaut und Getreidesorten wie Quinoa und Canihua.

Für uns als Indigene hat jeder Berg eine spirituelle Bedeutung, für uns ist jeder Berg ein Gott und deshalb heißt das für uns wenn in den Bergen Minen eingerichtet werden und Berge abgetragen werden, dass uns unsere Seele genommen wird.

Als der Bergbau begann, fing es an mit riesigen, starken Explosionen weit unten in der Erde und die Metall wurden dann mit großen Transporter-Fahrzeugen in riesigen Mengen abtransportiert. Das Wasser wurde verschmutzt. Das heißt jetzt nach den vielen Jahren Bergbau sind Luft und Wasser verschmutzt, Tiere vergiftet, die Menschen sind betroffen. Es befinden sich im Blut der anliegenden Bewohner*Innen 15 verschiedene Schwermetalle wir z.B., Arsen und Blei. Außerdem gibt unser Gemeinschaftsleben nicht mehr so wie es das davor gab, unser gemeinsames Leben in der Gemeinde, die Friedhöfe, alles was Gemeinschaft ausmacht, existiert so nicht mehr.

Wurden im Vorfeld Konsultationen mit den Gemeinden von Espinar durchgeführt? Wenn ich das richtig verstehe, hätte das gemäß der ILO-Konvention 169 erfolgen sollen?

Antonia Kana Magaño: In dem aktuellen Minenprojekt in Huisa gab es keine Vorabkonsultation, das Unternehmen Glencore argumentiert, dass es sich nur um eine Erweiterung der Mine handelt und deshalb keine Vorabkonsultation nötig sei. Heute wissen wir dass es internationale Verträge gibt wie die ILO-169, die indigenen Bevölkerungen das Recht gibt mit zu entscheiden bei solchen Planungen. Damals wussten wir das nicht. Die peruanische Bevölkerung wusste nichts von diesen Rechten und auch die Unternehmen haben uns nicht daraus hingewiesen.

»Konsultation bedeutet nur Anhörung und nicht Mitentscheidung.«

Paul Marquet: Glencore erweitert sein Minengebiet in dem Gelände. 1980 wurde begonnen in dem Gebiet Tintaja mit dem Kupferabbau, 2012/2013 wurde erweitert auf die Mine Antapaccay und jetzt geht um eine dritte Erweiterung, um eine dritte Mine, Corrocohuayco. Für dieses Erweiterungsgebiet gilt jetzt das Gesetz zur Vorab-Konsultation, das Peru 2011 beschlossen hat. Das peruanische Minen Ministerium hat den Prozess der Vorabkonsultation begonnen, aber wir haben sehr viele Fragen und Kritik an dem Prozess was die Form und die Finanzen anbelangt. Unsere wichtigste Kritik ist, dass zum derzeitigen Zeitpunkt die Meinung der Bevölkerung jetzt keinen Einfluss mehr hat auf die wichtigsten Entscheidungen und Folgen: Welche Wirkungen hat das Projekt auf die Bevölkerung? Welche Maßnahmen zur Minderung der Schäden werden ergriffen? Darauf gibt es kaum noch Einfluss. Bei den Verhandlungen über die Landverkäufe, also das Land was für die Mine gekauft werden soll von Kleinbäuer*Innen, gibt es starke Indizien, dass das Unternehmen das ganze Land einzelner Gemeinden kaufen will. So zum Beispiel in der Gemeinde Pacopata, wo das Angebot des Unternehmens sich auf 85 Prozent des Gemeindelandes bezieht. Das bedeutet, dass die Gemeinde an diesem Ort gar nicht mehr existieren kann, dass sie umgesiedelt werden müsste oder verschwindet. Und das ist sehr wichtig, weil internationale Standards und international Rechtsprechung verlangen, dass wenn es um eine Umsiedlung geht eine Vorabkonsultation nicht ausreicht. Denn Konsultation bedeutet nur Anhörung und nicht Mitentscheidung. Wenn eine ganze Gemeinde umziehen muss, dann ist es nach dieser Rechtsprechung nötig, dass die Gemeinde auch zustimmt.

Angesichts dieser Bedrohung, die dieser Minenbergbau auf die Gemeinden wirft, welche Widerstandsformen schaffen die Gemeinden vor Ort?

Antonia Kana Magaño: Es ist sehr schwierig gegen ein so großes System anzugehen, Das ist eigentlich zu groß für uns. Denn Das Unternehmen hat sehr viel Geld und dann kommt sehr schnell das Thema Korruption ins Spiel. Trotzdem organisieren wir uns; es gibt zehn soziale Organisationen von Frauen, von den Indigenen Gemeinden und von den Menschen, die dort wohnen. Und wir koordinieren Proteste gegen die Minen. Wir gehen mit unseren Idealen auf die Straße. Aber der Staat und die Unternehmen arbeiten sehr eng und auf sehr spezielle Art und Weise zusammen. Die Polizei arbeitet auch mit privaten Verträgen für die Mine. Und wir werden vom Staat unterdrückt und auch getötet. Es gibt viele Tote bei den Protesten gegen die Minen.

Paul Marquet: Ich möchte ergänzen, dass das Volk von Espinar und die Menschen, die sich engagieren sehr zu bewundern sind für den Kampf gegen so ein großes Unternehmen. Trotz eines Staates der sich sehr ängstlich gegenüber so einem großen Unternehmen zeigt. Und die Proteste haben schon einiges erreicht, und wichtige Erfolge erzielt so ist zum Beispiel im Jahr 2000 schon gelungen, dass das Unternehmen sich mit der Bevölkerung zusammengesetzt hat und einen Rahmenvertrag geschlossen hat, in dem zum Beispiel festgelegt wurde, dass es Geld gibt für die Gemeinden. Auch 2012 gab es wieder große Proteste, die erreicht haben, dass es einen runden Tisch gab, wo verschiedene Ministerien beteiligt waren und Untersuchungen in Auftrag gegeben wurden, die die Umweltbelastungen technisch untersucht haben und es deshalb jetzt auch Beweise dafür gibt, dass Umweltverschmutzung stattgefunden hat.

Die konstanten Proteste und auch Strafanzeigen der Bevölkerung haben ganz aktuell zu einem neuen wichtigen Erfolg geführt, nämlich, dass eine Studie der Umweltbehörde herausgekommen ist, die zum ersten Mal beweist, dass die Umweltbelastungen und Verschmutzungen und Vergiftungen tatsächlich auf das Unternehmen Antapaccay zurückzuführen sind. Ein weiterer wichtiger Erfolg des Drucks aus der Bevölkerung ist, dass die Plattform der Betroffenen jetzt erreicht hat, dass der Staat die Vergiftung der Menschen durch Schwermetalle endlich anerkannt und finanzielle Unterstützung zur Verfügung stellt und auch medizinische Hilfe für die Opfer zukommen lässt. Auch wenn das Geld zu wenig ist, ist es ein ganz wichtiger Schritt.

Was sind eure Forderungen gegenüber dem Unternehmen Glencore, gegenüber der peruanischen Regierung, aber auch an die Europäische Union? Sie sind hier, um die Verabschiedung eines eines EU-Lieferkettengesetzes oder Sorgfaltspflichtgesetzes zu fordern, oder?

Paul Marquet: Unsere erste Forderung an den peruanischen Staat ist, dass er unsere Gemeinden schützt, denn die indigenen Gemeinden machen die Identität des Landes aus. Und gegenüber Glencore und den internationalen Unternehmen, die bei uns tätig sind, fordern wir, dass sie internationalen Verträge des Respektes der indigenen Bevölkerung anerkennen und respektieren. Die Finanzunternehmen und die Sponsoren haben wir die Forderungen die Perspektive auf das Leben auf die Menschen zu ändern.

Antonia Kana Magaño: Es geht um Respekt gegen über Menschen und die Einhaltung der Menschenrechte. Und an die Menschen in Europa appellieren wir, dass sie über ihr Konsumverhalten nachdenken wie zum Beispiel die exzessive Nutzung von Handys, Fernseher und so weiter. Das ist nicht nachhaltig und zerstört unseren Planeten. Und wir müssen zurückkehren zu dem, was wir vorher hatten, zu dem, was in deutlich mehr Einklang mit der Natur stand. Und außerdem möchten wir daran erinnern, dass Espinar die Besonderheit hat, dass das Wasser bei uns in den Amazonas fließt, und vom Amazonas in den Atlantik. Aber es fließt auch Wasser aus dem Bergbaugebeit in den Pazifik und das heißt, es geht nicht nur um uns, sondern eigentlich um den ganzen Planeten. Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung. Und zum Schluss möchte ich auch daran erinnern, dass ein Großteil des abgebauten Kupfers zur Waffen Herstellung verwendet wird.

Die Forderung an Glencore ist ganz einfach, sie sollen aufhören die Verschmutzung zu leugnen Verantwortung übernehmen und die Schäden wiedergut zu machen. Und an die internationale Gemeinschaft und die EU möchte ich den Appell richten oder sie daran erinnern, dass die Ausbeutung von Kupfer sehr eng mit der Energiewende verbunden ist und dafür wird viel Kupfer benötigt. Die Botschaft ist: Energiewende ja. Aber nicht auf Kosten der Menschenrechte und der Indigenen.

Shownotes Bergbau Peru

Das Interview führte Robert Gather anlässlich des Besuches von Antonia Kana und Paul Marqeut in Freiburg Ende November 2023. Übersetzung: Annette Brox.

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