»Der homophobe Aktivismus wurde importiert«

Thriumph setzt auf einen juristischen Erfolg gegen das Anti-Homo­sexualitäts­gesetz

Audiobeitrag von Martina Backes

06.02.2024

Uganda: Seit der Verschärfung des Anti-Homosexualitätsgesetzes in Uganda im Mai 2023 wurden Schutzräume für LGBTI Personen aufgelöst, Festnahmen häufen sich. Jede Person, die homosexuelle Handlungen vornimmt oder unterstützt, kann dem Gesetz zufolge mit bis zu lebenslanger Haft bestraft werden. Bei wiederholten Verstößen oder »in schweren Fällen« droht die Todesstrafe.

Doch auch der Druck, das Gesetz aufzulösen steigt: Menschenrechtsverteidiger*innen fordern eine  Aufhebung des Gesetzes. Einer von ihnen ist Sean Shibolo Awali, Jurist sowie Mitgründer der Nichtregierungsorganisation THRIUMPH. Sean Awali erläutert im Interview mit dem südnordfunk im Dezember 2023, warum er trotz steigender Bedrohung und Gewalt auf einen juristischen Erfolg setzt.


Skript zum Audiobeitrag

Erstausstrahlung am 6. Februar 2024 im südnordfunk #117

Sean Shibolo Awali, Sie sind Gründer der Organisation Thriumph in Uganda, eine NGO, die LGBTIQ Personen und auch die Öffentlichkeit über ihre Rechte informiert. Wann und warum haben Sie entschieden, Rechtanwalt zu werden?

Sean Shibolo Awali: Ich war schon eine ganze Weile in der aktivistischen Bewegung, schon vor meinem Jurastudium unterstütze ich junge Menschen, die Probleme beim Zugang zur Gesundheitsversorgung hatten. Das war 2014, als das erste Anti-Homosexuellen Gesetz in Kraft trat.

Was passierte?

Es gab Gewalt gegenüber der LGBTIQ-Gemeinschaft und keine rechtliche Unterstützung für die Betroffenen, denn Homophobie ist im Land sehr verbreitet. Daher haben viele Leute Probleme damit, sich mit LGBTIQ- Personen in Verbindung bringen zu lassen, sie zu verteidigen, sie anzustellen oder für sie zu arbeiten. Das gab mir die Motivation, einen Rechtsberuf zu erlernen, um Personen verteidigen zu können, die sich in dieser Situation befinden. Also ging ich von 2014 bis 2017 an die Uni und schloss mein Jura-Studium dort mit dem Bachelor ab. Für den Master schrieb ich mich im Anschluss beim Law Government Center ein. Dort gründete ich mit ein paar gleichgesinnten jungen Kommilitonen zusammen THRIUMPH Uganda, wir wollten uns für die Rechte von LGBTIQ+ Personen einsetzen.

Während Ihres Jurastudiums wurde das erste Anti-Homosexualitätsgesetz verabschiedet. Gleichgeschlechtliche Beziehungen waren in Uganda allerdings schon seit der Kolonialzeit illegal. 2014 trat dann »Kill The Gays Bill« in Kraft - wie das Gesetz international  genannte wurde. Wie wurde das Gesetz unter den jungen Jurastudierenden diskutiert?

»Tatsächlich waren die aller­meisten für das Gesetz«

Wenn kontroverse Rechtsfragen in Uganda diskutiert werden - und in manchen anderen Entwicklungsländern ist das nicht anders - dann findet man in Videos, im Hörfunk oder in anderen Medien selbst bei Leuten, die einem versichern, die Kontroverse kraft ihres Berufes sachlich und objektiv anzugehen, dass sie quasi das gleiche Mindset haben, wie die Öffentlichkeit. Die Emotionen und die starke anti-LGBTIQ Haltung, die im Zuge des Gesetzes 2014 aufkamen, gingen auch an den Studierenden nicht vorbei. Tatsächlich waren die allermeisten für das Gesetz, viele unterstützten es, obwohl sie es gar nicht wirklich kannten, nur, weil die Mehrheit es für gut befand. Das war sehr verstörend.

Warum haben Sie entschieden, eine Auszeit zu nehmen und nach Deutschland zu kommen?

Dank der Elisabeth-Selberth Initiative vom Institut für Auslandsbeziehungen können Menschenrechtsverteidiger*innen in Deutschland eine Pause von ihrer stressigen Arbeit machen und sich vor allem auch weiter vernetzen. Bei mir fiel der Aufenthalt mit der Zeit zusammen, als in Uganda das neue Anti-Homosexualitätsgesetz verabschiedet wurde. Das heißt, als Jurist und Mitglied einer der führenden zivilen Organisationen zur Verteidigung von LGBTIQ-Personen konnte ich von Deutschland aus mit meinen Mitstreiter*innen in Uganda zusammen erörtern, wie wir unsere Expertise am besten einbringen können, wie wir zivile und staatliche Akteure zu Vernunft bringen können, so dass die Rechte aller Personen in Uganda respektiert werden.

In den 1990er Jahren hat es, meines Wissens, keine derart gewaltvolle Debatte über Homophobie in Uganda gegeben, schon gar nicht eine, die so politisiert war, dass Politiker*innen Homosexualität oder LGBTI-Rechte auf homophobe Weise als Wahlkampfthema genutzt hätten. Wann und warum hat Homophobie aufgehört, nur ein Vorurteil zu sein, und diese Dimension der Gewalt entwickelt?

Die Gewalt bzw. die Homophobie, die zu dieser Gewalt führt: Darüber gab es viele Diskussionen, die Rhetorik ging von den Reden derer aus, die gegen LGBTI Rechte sind und das damit begründen, dass diese Rechte und die Homosexualität eine europäisches Importware sind. Wir sagen, das stimmt nicht - und viele Autoren, Schriftsteller und Aktivisten haben das ebenso geäußert. Warum: Weil es gar nicht die Homosexualität ist, die hier eingeführt wurde, sondern die Homophobie. Man verdreht die Tatsachen. In den verschiedenen lokalen Gemeinschaften gibt es lokale Begriffe, also eine Sprache für LGBTI-Personen. Das zeigt, dass sie schon vor der Ankunft europäischer Kolonisatoren existiert haben und in der traditionellen Gemeinschaft auch einen Platz hatten. Und in der Tat gab es vor den 2000er Jahren keine derart gewalttätigen homophoben Ereignisse und keine öffentlichen homophoben Reden. Die LGBTI-Personen in den Gemeinden wurden im Alltag weitgehend nicht belästigt.

Uganda wurde 1962 unabhängig, zuvor war es eine britische Kolonie, und das erste Homosexuellengesetz wurde während der Kolonialzeit eingeführt, Homosexualität wurde als Straftat im Hauptstrafgesetzes des Land festgeschrieben. Die Kriminalisierung fand also erst mit dem geschriebenes Gesetz durch die britische Kolonialverwaltung statt, wofür sich die Briten inzwischen entschuldigt haben.

Vor allem 2008/2009 nahmen die öffentlichen Debatten zu, interessanterweise jeweils verstärkt vor den Landes- und Präsidentschaftswahlen. Wie deutet  man das? Die Politiker*innen haben nach etwas gesucht, das sie am besten verkaufen können, vor allem, um von den wahren Problemen in den Kommunen und im Land abzulenken, zum Beispiel von versprochenen Dienstleistungen für die Bevölkerung, die aber nicht getätigt wurden. Dann plötzlich findet man in Wahlkampfzeiten Fälle, man beschuldigt jemanden und erfindet eine Geschichte über sexualisierte Gewalt, die angeblich von LGBTIQ Personen ausgeübt worden ist. Die lokalen politischen Akteure spielen das zu einer existentiellen Bedrohung für die Gesellschaft hoch.  Und die Bevölkerung fängt an, an diese Bedrohung zu glauben.

»Sie kreierten eine Atmo­sphäre der homo­phoben Gewalt auf der Grundlage ihres Glaubens«

Diese Politisierung der Homosexualität wurden zugleich von weiteren Einflussfaktoren gestärkt. Es war um das Jahr 2014, als Figuren wie Scott Lively auftauchten und sich mit Predigern in Uganda zusammentaten.* Er und andere kreierten eine Atmosphäre der homophoben Gewalt auf der Grundlage ihres Glaubens. Sie meinten, damit den vermeintlichen Wert einer gesunden Familie zu stärken. Sie gingen noch einen Schritt weiter und veröffentlichten in Uganda Namen und den Wohnort von angeblichen LGBTIQ-Personen und riefen dazu auf, sie zu töten. Diese beiden Ereignisse beflügelten eine homophobe Debatte. Doch gleichzeitig konnte man sich auch in Uganda dank technologischer Fortschritte und Internet besser darüber informieren, was andernorts im Land und auf der Welt passierte - und die Leute erfuhren, wie sich weltweit Personen für Menschenrechte eingesetzten. Das alles führte dazu, dass sich LGBTIQs in Uganda für ein Outing entschieden, dafür, an die Öffentlichkeit zu treten und ihre Rechte einzufordern. Damit fühlten sich ihre Gegner und homophoben Überzeugungstäter ihrerseits bemüßigt, etwas in die öffentliche Diskussion einzubringen, nicht im Sinne einer konstruktiven Debatte, sondern auf sehr gefährliche Weise, um die Stimmen der LGBTIQs zum Schweigen zu bringen.  

Ist die gesteigerte Sichtbarkeit der LGBTIQ Gemeinde in Uganda das Ergebnis anwaltschaftlicher Arbeit oder das Ergebnis der homophoben Gewalt gegen sie?

Beides ist richtig, doch vor allem ist es der Aktivismus gegen die Rechte von LGBTIQs, der von Ultra-Konservativen aus dem Ausland hierherkam. Da ist Uganda kein Einzelfall, das kann man in Ländern rund um den Globus beobachten, etwa in Kenia oder Ghana. Überall sind es jeweils auch externe Kräfte und ein homophober Aktivismus von außerhalb, der großen Einfluss auf die Gewalt hat.

Call Me Kuchu, der Dokumentarfilm über David Kato Kisule, schärfte das Bewusstsein für die Situation von LGBTI-Personen in Uganda auf internationaler Ebene. In dem Boulevardblatt Rolling Stone, das in Uganda herausgegeben wird, wurden Fotos und Wohnorte von 100 namentlich genannten LGBT-Personen veröffentlicht, mit dem Zusatz »Hängt sie!« Und LGBTI-Personen wurden beschuldigt, im Land Aids zu verbreiten. Das war ein echter Skandal in dieser Zeit. Wie würden Sie die Rolle der Medien in der heutigen Zeit beschreiben?

Ja, es stimmt, unser Kollege Kato – möge er in Frieden ruhen – war eines der ersten Opfer dieser Gewalt. Die erwähnte Boulevardzeitschrift, die übrigens keinerlei Verbindung zu der in den USA publizierten Magazin Rolling Stone hat, wurde per Gerichtsentscheid aufgelöst, sie existiert also nicht mehr. Doch damit konnte die kontroverse Haltung der Medien in Uganda nicht aufgehalten werden. Neben den üblichen Medien haben vor allem Soziale Medien an Einfluss gewonnen. In Bezug auf die staatlichen TV Sender, privaten Radioprogramme sowie im Printbereich beobachte ich eine leichte Veränderung, manches Mal werden LGBTIQ-Personen einfach als Minorität bezeichnet. Noch vor drei Jahren war die Berichterstattung sehr viel aggressiver und  verurteilender.

Doch gewisse Medienhäuser verwenden noch immer eine sehr homophobe aggressive Sprache. So wurde jüngst in einem Fall, in dem sich ein Pastor wegen einer ganz anderen Sache vor Gericht zu verantworten hatte, explizit betont, dass dieser Pastor sich dem Kampf gegen Homosexualität verschrieben hat. Und das in einer Weise, die sehr schwammig und ethisch nicht haltbar ist. Denn mit der Wortwahl wird der Kampf gegen Homosexualität diskursiv objektiviert und als unerwünscht gelabelt.

Berichten Sie von der Situation in Uganda seit der Verschärfung des Anti-Homosexualitätsgesetzes in diesem Jahr.

Das Anti-Homosexuellengesetz von 2023 wurde bereits von zahlreichen Akteuren als das schärfste überhaupt kritisiert, und damit liegen sie richtig. Denn es kriminalisiert nicht nur das Verhalten von Einzelpersonen, das Gesetz ist so umfassend, dass es nahezu jede Person in Uganda in irgendeiner Weise betrifft. Nach der Gesetzesverschärfung werden Menschen aufgefordert, als Mitwissende »homosexuelle Handlungen« zu denunzieren. Vielen NGOs droht die Schließung.

»Physische Gewalt nahm zu, vor allem gegenüber Transpersonen«

Die NGO-Aufsichtsbehörde hatte einen Bericht verfasst, der besagt, die Untersuchungen von Organisationen zu sexuellen Identitäten seien jetzt abgeschlossen. Der Bericht wurde geleakt. Darin war auch Thriumph aufgeführt, die Organisation, für die ich arbeite. Ich wurde namentlich genannt, zudem unser Vorsitzender und ein für uns arbeitender Rechtanwalt. Wir wurden aufgefordert, für unsere NGO-Registrierung unsere Ziele an die Bestimmungen anpassen. In dem gleichen Dokument empfahl die Behörde dem Parlament, ein Gesetz zu erlassen, das die Verbreitung von Homosexualität kriminalisiert und unter Strafe stellt, weil die existierenden Gesetze nicht ausreichend wären. Auch wurde empfohlen, für die Vorsitzenden solcher Organisation eine Akte anzulegen um zu verhindern, dass sie anderen Organisationen beitreten könnten.

Gewaltverbrechen nahmen in der Zeit der Vorlage des Gesetzes bis zu seiner Verabschiedung zu. Nationale Sicherheitskräfte, aber auch Land- und Hausbesitzer konnten nun jede beliebige LGBTIQ-Person vertreiben. Physische Gewalt nahm zu, vor allem gegenüber Transpersonen, einfach nur, weil sie leicht zu identifizieren sind. Es gab Verhaftungen, Klagen und Gerichtsverhandlungen, eine Person könnte nach dem neuen Gesetz zum Tode verurteilt werden.  

Kopf einer Person auf der Pride mit einem Sticker: Some Angandas are gay. Get over it.
In Uganda finden trotz der Bemühungen der Behörden, Homosexualität zu verbieten, Pride Parades statt. Foto: Rebecca Vassie CC BY-NC

Wie können Queers rechtlich vor Übergriffen geschützt werden? Ist das noch möglich, ohne sich strafbar zu machen?

Ein Bericht des Bündnisses Convening for Equality (CFE), das sich in Reaktion auf das Anti-Homosexualitätsgesetz gegründet hatte, besagt es: Die Situation ist brisant, viele LGBTIQ-Personen versuchen, das Land zu verlassen. Die meisten erhalten kein Visum und gehen über die Grenze ins Nachbarland Kenia, zum Beispiel in den Nordwesten nach Kakuma, wo es große Flüchtlingslager gibt, doch auch dort findet Gewalt statt.

In welche Länder versuchen Betroffene aus Uganda zu fliehen, wenn nicht nach Kenia?

Viele Betroffene denken in einer bedrohlichen Lage zunächst nicht darüber nach, in welches Land sie fliehen könnten, noch kennen die sie Herausforderungen oder Gesetzeslage in diesen Ländern. Sie wissen nicht, was sie dort erwartet. So ist gerade in Kenia eine Verschärfung des Anti-Homosexuellengesetzes in der Mache. Insgesamt ist die Lage und die Gesetzgebung in den afrikanischen Nachbarstaaten schlecht. Südafrika ist das einzige Land, das zumindest gesetzlich legalen Schutz für LGBTIQs gewährt, wegen der Visarestriktionen allerdings auch nicht einfach zu erreichen ist. Doch es gibt auch andere Fälle, so ist Botswana im Prozess, Homosexualität zu entkriminalisieren. Nur, LGBTIQ Personen können dort nicht einfach hin fliehen, entweder aufgrund der großen Distanz oder weil sie gesetzlich keinen Schutz genießen, also kein humanitäres Visum erhalten können. Daher hoffen Mitglieder der queeren Bewegung auf Länder in Europa und in Amerika. Die Hürden, dorthin zu kommen, sind natürlich wegen der Visarestriktionen und anderer Dinge sehr hoch.

Evakuierung und Flucht

Daher ist der einzig gangbare Weg, betroffene Personen an einen anderen Ort in Sicherheit zu bringen, im eigenen Land oder in der jeweiligen Stadt. So ziehen die Leute von Ort zu Ort, denn die Gefahren folgen dir auf dem Fuß. Wir treffen Vorkehrungen, und dennoch. Das wird zu einem Kreislauf, manche Betroffenen werden ständig umgesiedelt, das ist gerade unsere einzige Möglichkeit, mit der gewaltvollen Situation hier umzugehen.

Viele haben ihren Job verloren oder sind wohnungslos, aufgrund der Homophobie. Oder ihre Eltern haben sie enterbt, weil die ihrerseits befürchten, selber von den Nachbarn belästigt und von der Gemeinde ausgeschlossen zu werden. Betroffene zu unterstützen bedeutet also vielerlei. Sie brauchen diese Soforthilfe, doch wir können nicht auf kurzfristige Lösungen alleine setzen, wir brauchen eine langfristige Lösung, und das ist nichts anders als die Abschaffung dieses Gesetzes.

Wie groß ist der Spielraum, der Ihnen für die anwaltschaftliche Arbeit bleibt?

Es geht hier um ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz, und das muss, wie alle Gesetze, verfassungskonform sein. Und in der ugandischen Verfassung steht in Paragraph 4 klar geschrieben: Die fundamentalen Menschenrechte sind in Uganda garantiert, so auch das Recht, frei von Folter und ohne Diskriminierung zu leben, das Recht auf Privatleben und viele weitere. Auf der Basis dieses rechtlichen Rahmens sind wir also in der Lage, Wege zu finden, die queere Gemeinschaft zu unterstützen. So können wir gerichtlich gegen Verurteilungen vorgehen. Dennoch ist das hart, schon deshalb, weil das Gesetz Wege findet, anwaltschaftliche Hilfe für die Betroffenen auszuschalten.

»Das Gesetz findet Wege, anwalt­schaftliche Hilfe für die Betroffenen auszu­schalten.«

Die Anwälte, die eine Beschwerde beim Verfassungsgericht gegen das Anti-Homosexualitätsgesetz eingereicht hatten, sind in einem vollen Saal vor einem Gremium von vier Richtern erschienen, und haben eine Sammelbeschwerde überreicht, die aus vier Beschwerden zusammengefasst wurde. Gerichtliche Anhörung haben zu dieser Sammelbeschwerde geführt. Wir warten nun darauf, dass der Klage stattgegeben wird, das wäre für mich der Beginn einer langfristigen Lösung.

Ich erinnere, dass damals zwei Parlamentsabgeordnete dem Gesetz nicht zugestimmt haben. Was war ihr Punkt? Und können die Kläger auf sie zählen?

Meist werden Gesetzesentwürfe, die die Rechte von Menschen attackieren, von der Regierungspartei eingebracht, doch dieses Mal war es anders, der Entwurf zum Anti-Homosexualitätsgesetz kam von einer kleinen Partei aus der Opposition. Und: Die Parlamentssprecherin Anita Among hat gedroht, diejenigen aus dem Saal zu werfen, die sich während der Anhörung aufregen. Und sie hat gleich zu beginn betont, dass alle, die dieses Gesetz nicht unterstützen, als Homosexuelle oder deren Verteidiger angesehen werden. *

Verfassungsbeschwerde liegt vor

Es gab also viel Druck, nur zwei Abgeordnete stimmten gegen den Entwurf. Genannt sei vor allem der mutige Abgeordnete, der den Minderheitenbericht im Parlament präsentierte, Fox Odoi. Er hat sich beständig gezeigt, denn er stimmte schon damals gegen das 2009 verabschiedete Gesetz. Der Jurist und frühere Berater von Präsident Museveni versucht trotz Spott, Verhöhnung und Erpressung von Seiten der Abgeordneten und der Öffentlichkeit objektiv zu bleiben. Zudem steht er für Meinungsfreiheit ein. Fox Odoi ist einer der Kläger vor dem Verfassungsgericht, die ihre Einwände in der Sammelbeschwerde vorbrachten.

Schwulen- und Lesbenorganisationen forderten das Auswärtige Amt im Oktober 2023 auf, schnell und unbürokratisch humanitäre Visa für 177 gefährdete Menschen auszustellen und sie aus ihrem Land zu holen. Das Bündnis Queer Emergency Aid Uganda erinnert die Bundesregierung daran, dass sie mit ihrer feministischen Außenpolitik ausdrücklich auch die Rechte von queeren Menschen verteidigen will. Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen?

Die deutsche Regierung hat eine Schlüsselrolle in Uganda: Was die Finanzierung von Projekten und auch die Menschenrechte anbelangt, hat sie Einfluss. Ich wertschätze das Statement der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Luise Amtsberg, vom 30. Mai letzten Jahres, die grundsätzlich für die Einhaltung der Menschenrechte eintritt und mit LGBTIQ-Organisationen in Kontakt blieb. Allerdings hat Deutschland bisher keine humanitären Visa ausgegeben, weder für direkt Betroffene noch für Menschenrechtsverteidiger wie mich, und es hat keine Schritte unternommen, um dem Statement von Amtsberg konkret etwas folgen zu lassen.

Aber wir hören nicht auf, Deutschland daran zu erinnern, die Anfragen der ugandischen Menschenrechtsverteidiger*innen ernst zu nehmen und tägig zu werden. Auch innerhalb der Weltbank sollte Deutschland – als einer der größten Anteilseigner – versuchen zu verhindern, dass neue Kredite an Uganda ausgezahlt werden, solange die Lage so bleibt. Jetzt ist es erst einmal beim Verfassungsgericht, über das Gesetz zu urteilen.

Was ist der nächste Schritt? Und woher nehmen Sie persönlich Hoffnung und die Kraft, weiterzumachen?

Die Frage ist berechtigt, schon deshalb, weil Anwält*innen und politische  Mitstreiter*innen von der Gewalt ebenso betroffen sind wie LGBTIQ-Personen, und sich nach dem neuen Gesetzt ja auch strafbar machen. Doch das hält viele nicht davon ab, für die Rechte zu kämpfen, mich jedenfalls nicht.

Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass das Verfassungsgericht nicht über die Legalität von Menschenrechten entscheiden, sondern diese nur bestätigen kann. Denn Menschenrechte sind angeboren, und der ugandische Gerichtshof kann keine Menschenrechte vergeben oder einkassieren, sondern sie nur bestätigen. Ich nehme meine Kraft schlicht aus der Überzeugung, dass LGBTIQ-Rechte Menschenrecht sind, dass alle ein Recht auf ihre sexuelle Identität haben und Menschen nicht ausgeschlossen werden dürfen und sollten, nur auf der Grundlage ihrer Identität, vor allem dann nicht, wenn sie anderen damit nicht schaden.


Erstausstrahlung südnordfunk 2024 | Radio Dreyeckland

Shownotes | Anti-Homosexualitätsgesetz in Uganda

Sean Shibolo Awali ist Jurist und Menschenrechtsverteidiger sowie Mitgründer der Nichtregierungsorganisation THRIUMPH. Das Interview führte und übersetzte Martina Backes im Dezember 2023.

Unsere Inhalte sind werbefrei!

Wir machen seit Jahrzehnten unabhängigen Journalismus, kollektiv und kritisch. Unsere Autor*innen schreiben ohne Honorar. Hauptamtliche Redaktion, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit halten den Laden am Laufen.

iz3w unterstützen