Buchcover Motiv
Cover des Buches Homeland Elegien von Ayad Akthar

Oh Homeland

Rezensiert von Winfried Rust

08.11.2022
Veröffentlicht im iz3w-Heft 392

Homeland, also Heimat, ist erst einmal nichts, worum sich der Protagonist dieses autofiktionalen Romans schert. Vielmehr ist der aufstrebende Schriftsteller aus einer von Pakistan in die USA emigrierten Familie mit seiner Karriere, Selbstzweifeln und vor allem mit seinen Eltern beschäftigt. Vom Schreiben ist er geradezu besessen: Ständig macht er sich Notizen über seine Gespräche und Erlebnisse.

Obwohl Amir Kapoor in den USA geboren ist, macht er immer wieder Rassismuserfahrungen. Dies führt zu seiner gesellschaftskritischen Beschäftigung mit dem Thema. Insbesondere die Herkunft der Eltern hat in seiner Erziehung eine stärkere Rolle gespielt, als er wahrhaben will. Während sein Vater Pakistan stets als rückschrittlich abgewertet hat, sehnte sich die Mutter dorthin zurück. Dann lebt Kapoor im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf. Er hat Erfolg an der Börse und er gerät in einen Rausch literarischer Produktion, öffentlicher Auftritte und sexueller Abenteuer.

Für eine Wende sorgt der Absturz des Vaters, der als Kardiologe praktiziert. Ein vermeintlicher ärztlicher Kunstfehler sowie Alkoholismus stürzen ihn in die Krise. Der Sohn steht ihm bei. Am Ende wendet sich der Vater wieder Pakistan zu und der Sohn den USA. Das hört sich konventionell an. Aber die Homeland Elegien sind ein irrer Ritt durch die US-amerikanischen Homeland-Troubles der 2010er-Jahre. Es ist ein Roman über die USA, die Donald Trump zum Präsidenten wählen – und ausgerechnet Kapoors Vater wird ein treuer Anhänger. Auf tritt zudem: ein pakistanischer Emigrant, der religiös wird; eine postkoloniale Akademikerin, die den vom Islamismus verfolgten Schriftsteller Salman Rushdie boshaft findet; eine horoskopgläubige Juristin in einer festen Beziehung, die mit Kapoor schläft; und eine Anwältin für ärztliche Kunstfehler.

Der Gerichtsprozess um den ärztlichen Kunstfehler gerät schließlich zum Sittengemälde des zeitgenössischen US-Homelands: Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass die Geschädigte aus dem ländlichen La Crosse County stammt aber der Kardiologe aus Pakistan, sowie der Umstand, dass zu Prozessende ein islamistischer Terroranschlag in Manhattan stattfindet. Einmal sagt die Anwältin des Arztes: »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie herausfinden, dass er Muslim ist.« Akthar diagnostiziert: »Trump hatte die nationale Gemütslage erfasst, und seine besondere Eigenschaft war ein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, so schamlos und unbedingt, dass er bereit war unsere ganze Hässlichkeit zu verkörpern, komme, was wolle.« Die Homeland Elegien haben es in sich.

Ayad Akhtar: Homeland Elegien. Ullstein Taschenbuch, Berlin 2021. 464 Seiten, 12 Euro.

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