Der weiße Hai revisited: 50 Jahre Jaws-Mythos

Rezensiert von Patrick Helber

21.10.2025
Veröffentlicht im iz3w-Heft 410

Am 20. Juni 2025 feierte der Film Jaws (dt. Der weiße Hai) seinen 50. Geburtstag. Als er 1975 als erster Spielfilm des Regisseurs Steven Spielberg anlief, wurde er mit in diesem Jahr eingespielten 260 Millionen US-Dollar zum damals weltweit erfolgreichsten Film. Er veränderte die Filmbranche und deren Marketing nachhaltig. Jaws sorgte dafür, dass im Sommer 1975 der Badetourismus an US-Küsten zurückging. Zugleich löste er eine Welle an Merchandise und Sekundärliteratur aus – zuletzt im hier besprochenen Sammelband.

Dessen Herausgeber Wieland Schwanebeck verweist auf »rund 300 Parodien sowie weit über 2.000 Filme und Fernsehsendungen, die sich intertextuell auf JAWS beziehen«. Genug, um Haifischhype & Haifischhysterie ein höchst informatives, spannendes und teils humorvolles Buch zu widmen, das nicht nur Nerds anspricht: Der weiße Hai revisited. Steven Spielbergs Jaws und die Geburt eines amerikanischen Albtraums beinhaltet zahlreiche Aufsätze, in denen zwanzig Autor*innen aus Perspektiven wie Geschichtswissenschaft, Kulturwissenschaft, Gender Studies, Psychologie und Filmwissenschaft einen bereichernden und gegenwartsbezogenen Einblick in den ersten Blockbuster der Filmgeschichte bieten.

Die popkulturelle Relevanz des Films, wird noch beim 100. Geburtstag des Hais nicht erloschen sein

Spielberg schuf einen zeitlosen Hybrid aus Horror-, Thriller-, Katastrophen- und Abenteuerfilm, der sich auch am Genre Western bedient, wenngleich er dessen heteronormative Männlichkeit immer wieder hinterfragt. Dies behandelt ein Beitrag Jan D. Kucharzewskis. Der Sammelband zeigt, dass der Film auch dem kubanischen Revolutionär Fidel Castro aufgrund des »antikapitalistischen Hais« gefallen haben soll.

Bis heute bietet Jaws zeitlose Analogien: Wenn der skrupellose Bürgermeister Vaughn die Existenz eines Hais – trotz tödlicher Angriffe – leugnet, während ahnungslose Tourist*innen fröhlich in die Kamera winken, steht er sinnbildlich für eine idealisierte weiße US-Gesellschaft, die unbequeme Wahrheiten ausblendet. Diese Szene erinnert stark an Donald Trumps Propagieren von »alternativen Fakten« und die Begeisterung seiner Anhänger*innen. Auch die Wissenschaftsfeindschaft, die im Film dem Meeresforscher Matt Hooper begegnet, findet sich bei Verschwörungsgläubigen wie den neuen Impfgegner*innen oder Klimawandel-Leugner*innen wieder.

»Bruce«, wie das Drehteam die damals mühsam gebaute Haiattrappe benannte, symbolisiert die plötzliche Bedrohung der Norm. Die Haifischjäger auf ihrem Boot hingegen stehen für archetypische Männer, die auf eine Krise reagieren. Die popkulturelle Relevanz des Films, die der Band ausgiebig demonstriert, wird noch beim 100. Geburtstag des Hais nicht erloschen sein.

Patrick Helber

Wieland Schwanebeck (Hg.): DER WEISSE HAI revisited, 2. Auflage. Bertz+Fischer Berlin 2025. 280 Seiten, 28 Euro.

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