Mit Autarkie zum Gottesstaat
Eine Bilanz nach einem Jahr Taliban-Regime
Fast ein Jahr nach ihrer erneuten Machtergreifung in Afghanistan am 15. August 2021 sitzt das Taliban-Regime fest im Sattel. Allerdings herrschen die Taliban mehr als dass sie regieren. Mittlerweile wurden alle Hoffnungen auf die Bewahrung bestimmter Freiheitsrechte enttäuscht.
Bereits unmittelbar nach ihrer Machtübernahme im August 2021 begannen die Taliban damit, Freiheitsrechte, Menschenrechte und insbesondere Frauenrechte erheblich einzuschränken oder abzuschaffen. Das Regime löste Institutionen auf, die nach der US-geführten Intervention 2001 entstanden und von den Taliban mit westlichem Einfluss identifiziert werden, wie etwa die Menschenrechtskommission. Zahlreiche Übergriffe verbreiten Angst: zum Beispiel serienmäßige willkürliche oder gezielte Festnahmen, Verschwindenlassen von Menschen, Misshandlungen und Morde, Hausdurchsuchungen, die Kontrolle von Mobiltelefonen nach kompromittierenden Kontakten oder ‘unmoralischem’ Inhalt. Diese Übergriffe konterkarierten Versprechen zur Einhaltung von Freiheitsrechten, einer Amnestie oder die Weiterbeschäftigung von Angehörigen des alten Staatsapparates.
Es entsteht der Eindruck, dass die ursprünglichen Zusagen taktischer Natur waren. Sie wurden abgegeben, während die Taliban mit den USA über ein Abzugs- und Friedensabkommen verhandelten (das erste kam im Februar 2020 zustande, das zweite nicht) und die Möglichkeit einer Machtteilung mit anderen politischen Kräften bestand. Dazu hätten die Taliban sich kompromissbereit zeigen müssen. Nachdem die USA unter Trump aber ihre Truppen ohne ein Friedensabkommen abzogen und sein Nachfolger Joe Biden das nicht widerrief, änderten sich die Prämissen. Das Tor zur Alleinherrschaft stand offen und Kompromisse waren nicht mehr nötig. Zudem standen alle Zusicherungen seitens der Taliban imm