»Hört diesen Frauen zu«

In Wir sind noch da! Mutige Frauen aus Afghanistan versammelt die Autorin und Aktivistin Nahid Shahalimi ein außerordentliches Stimmenorchester. Es sind autobiografische Erzählungen von dreizehn couragierten afghanischen Frauen, welche die Autorin in nur wenigen Wochen nach dem Fall Kabuls im August 2021 zusammengetragen hat. Unter ihnen finden sich Waslat Hasrat-Nazimi, Fereshteh Forough, Fatimah Hossaini und Razia Barakzai. Sie sind Journalistinnen, Programmiererinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen. Sie eint ihr gemeinsames Herkunftsland Afghanistan und ihre Arbeit für feministische Selbst- und Mitbestimmung. Die Frauen berichten von ihrem Engagement und ihrer Flucht, ihren Ängsten vor Zensur und dem Zerfall ganzer Lebenswerke. Dazu nennen sie ihre Forderungen für die Zukunft ihres Heimatlandes.

Auch über ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban bleibt das Buch von 2021 aktuell. Es kreist um die Frage, was von den emanzipatorischen Kämpfen und Errungenschaften angesichts der Diktatur der Taliban übrigbleibt und beantwortet diese zugleich im Titel: Denn die Forderungen der portraitierten Aktivistinnen sind laut – und sie sind immer noch da. Frieden und die Achtung der Frauenrechte stehen dabei an erster Stelle. Vehement argumentieren Mariam Safi und Fatima Gailani im Buch, dass kein Frieden ohne den dauerhaften Einbezug der lokalen Expertise von afghanischen Frauen existieren kann. Dabei appellieren die beiden Politikerinnen nicht nur in die Richtung der afghanischen Innenpolitik, sondern auch an internationale Verhandlungen und die mediale Berichterstattung wie Interviews oder Talkshowrunden.

Das Buch ist Ausdruck von Wut und Entsetzen. Zugleich ist es ein Akt des Widerstands gegen die frauenfeindliche Politik der Taliban und die zahlreichen Fehler westlicher Staaten, die das Land und dessen Bevölkerung unermüdlich als Bühne ihrer internationalen Machtkämpfe missbrauchen. Shahalimi beendete ihre Lesung in Freiburg im Juli 2022 mit einem Appell an das Publikum und an die internationale Gemeinschaft: »Hört diesen Frauen zu, seht, wer sie sind, seht ihren Einsatz für die Freiheit und für ihre Rechte. Seht sie in einem neuen Licht, sie sind keine Opfer, sie brauchen kein Bedauern, sondern eine Plattform, Unterstützung und Solidarität.«