Im Würgegriff
Kriminelle Banden dominieren das krisengeschüttelte Haiti
Ganze Regionen fallen in Haiti der Bandenherrschaft anheim. Dabei hat das Land ohnehin mehr als genug Probleme. Schon der Weg zum Lebensmittelhändler kann gefährlich sein. Hilfe von innen oder außen ist kaum in Sicht.
Goudou Goudou, dieses lautmalerische kreolische Wort, haben die Menschen in der Republik Haiti 2010 erfunden, um die verheerendste Naturkatastrophe in der Geschichte Lateinamerikas zu umschreiben: 316.000 Menschen kamen bei dem schweren Erdbeben an jenem 12. Januar ums Leben. Hunderttausende wurden verletzt und mindestens 1,8 Millionen verloren ihr Zuhause. Erholt hat sich der bitterarme Karibikstaat von dieser Tragödie bis heute nicht. Als vor 16 Monaten die Erde erneut verheerend bebte, war der Albtraum von 2010 wieder präsent. Und das vor dem Hintergrund einer sich zuspitzenden Hungerkrise, einer handlungsunfähigen Regierung und des allgegenwärtigen Terrors krimineller Banden.
Das Erdbeben vom August 2021 hat den grünen Südwesten des Inselstaats, ein ländliches und dünn besiedeltes Gebiet, getroffen. Über 2.200 Menschen starben, 12.700 wurden verletzt. In den beiden größten Städten, Les Cayes und Jérémie, sowie in deren Umgebung wurden tausende Gebäude und wichtige Infrastruktur wie Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, Straßen und Brücken zerstört. Und als zwei Tage später das tropische Tief Grace diese Landschaft mit sintflutartigen Regenfällen heimsuchte, war die Verzweiflung mit Händen zu greifen: »Es gibt nichts mehr zu essen, die Gärten und Felder sind zerstört und die meisten Nutztiere verendet«, berichtete der Entwicklungshelfer Reinhard Schaller im August 2021 in einem Telefongespräch aus Les Cayes. Die Katastrophenhilfe-Organisation UN-OCHA schätzte, dass 800.000 Menschen von dem Beben betroffen sind.
Über ein Jahr danach ist der Wiederau