Größenklassen
Der stille Hunger schreibt die Herkunft in die Körper ein
Trotz Wirtschaftswachstum sind Mangel- und Unterernährung in Indien weitverbreitet. Beides verfestigt wiederum die Armut. Die indische Regierung reagiert mit einem öffentlichkeitswirksamen Programm, bei dem flächendeckend Reis mit Eisen versetzt wird.
Der stille Hunger schränkt die Zukunftsperspektiven Heranwachsender in Indien ein. Unter dem stillen Hunger versteht man einen Mangel an Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien, etwa bei der Ernährung von Schwangeren, Müttern und ihren Kindern. Dazu kehrt in Indien der offene Hunger, also der Mangel an Kalorien, in der armen Bevölkerung wieder. Indien ist im Welthunger-Index in der Schwerekategorie »ernst« angesiedelt.
Was sind die Ursachen und Auswirkungen der mangelhaften Ernährung? Welche Gegenstrategien existieren oder sind möglich? Die hindunationalistische Regierung unter Premierminister Narendra Modi steht eher für eine neoliberale als für eine sozialpolitische Ausrichtung. Nun hat sie öffentlichkeitswirksam gegen die Mangelernährung ein Programm zur industriellen Anreicherung von Reis mit Eisen aufgelegt. Zudem öffnet sie internationalen Ernährungskonzernen den Markt.
Körpergröße und soziale Herkunft
Die Körpergröße ist in Indien ein Klassen- und Kastenphänomen. Frauen geben die Klassenprägung ihrer Körper an ihren Nachwuchs weiter. Die Herkunft reproduziert sich in den Körpern. Das zeigt sich etwa darin, dass von den indischen Kindern im Alter von zwei Jahren gut 43 Prozent in ihrem Wachstum erheblich retardiert sind. Das Phänomen wird als stunting bezeichnet. Nach den Maßstäben der WHO ist eine Person »verkümmert« oder »kleinwüchsig«, wenn die Körpergröße mehr als zwei Standardabweichungen unter der altersgemäßen Normalgröße liegt. Die indische Regierung steht wegen dieses skandalöse