Die Mauer auf Zypern
Wenn Einheit misslingt, Teilung fehlschlägt und Spaltung bleibt
Auf Zypern findet seit seiner Ablösung vom Osmanischen Reich ein unvollendeter Nation-Building-Prozess statt, der die Mittelmeerinsel in verfeindete Territorien teilt. Die Spaltung in die zyperngriechische und zyperntürkische Bevölkerungsgruppe war jedoch weder historisch vorgegeben, noch kam sie zwangsläufig. Zyperns Geschichte zeigt, wie sich ein Konflikt ethnisiert, und wie sich das verstetigen kann.
Es waren die Mauern im Kopf, erbaut durch nationalistische Narrative, die die Teilung Zyperns herbeiführten und bis heute aufrechterhalten. Ein gemeinsames Narrativ, das eine Konfliktlösung ermöglicht hätte, entwickelte sich nicht.
Die Frage »Wer ist ‚Zypriote‘?« hat drei verschiedene Antworten. Für die britische Kolonialregierung: die Einwohner*innen Zyperns, also die natives. Die zyperngriechische Antwort: Die Griech*innen auf Zypern; die Türk*innen seien eine ethnische Minderheit, so Erzbischof Makarios, der erste Präsident der Republik Zypern. Für die Zyperntürk*innen gab Rauf Denktash, Führer der türkischen Bevölkerungsgruppe und Gründer der Türkischen Republik Nordzypern, die provokante Antwort: »Ich kenne keine Zyprioten, ich kenne nur Griechen und Türken. Zyprioten, das können nur die Esel sein« – in Anspielung auf die wild lebenden Tiere im Osten der Insel.
Eine Barrikade als EU-Außengrenze
Die Mauer in der zyprischen Hauptstadt Nikosia ist keine Mauer im engeren Sinn. Sie ist eine Barrikade aus Ölfässern, mit Stacheldraht gesichert, zwischen Häusern die zu Ruinen geworden sind, mitten in der Altstadt errichtet. Ein Mahnmal, eine Erinnerung an einen nicht erklärten Krieg. Die Bürger*innen der Stadt kämpften so gnadenlos gegeneinander, dass der Kommandant der britischen Landstreitkräfte eine grüne Linie als Warnzeichen für ein militä