Gelber Transporter für den Nickelabbau
Transporter für die Nickelmine in Sorowako auf Sulawesi, Indonesien | Foto: Mirwanto Muda CC BY-SA 4.0

»Arbeiter*innen brauchen saubere Luft«

Interview mit dem indonesischen Umweltaktivisten Pius Ginting

Pius Ginting ist Aktivist und Geschäftsführer der NGO AEER (Aksi Ekologi dan Emasipasi Rakyat). Dort ist er Experte für Elektromobilität und Nickelabbau.

Das Interview führte Oliver Pye

15.10.2022
Veröffentlicht im iz3w-Heft 393
Teil des Dossiers Rohstoffe

Oliver Pye: Braucht Indonesien den Nickelabbau für seine eigene Entwicklung?

Pius Ginting: Nickel schafft Arbeitsplätze, aber wie in der Plantagenindustrie ist der Wohlstand der Arbeitskräfte recht gering. Die Menschen aus der Gegend nehmen die Jobs an, weil es keine Alternativen gibt und sie ihre Lebensgrundlage durch die Zerstörung ihrer Umwelt verloren haben. Die Hauptgewinne aus dem Nickelabbau werden jedoch von der gesellschaftlichen Elite und von ausländischen Investoren eingestrichen. So verzeichneten die Nord-Molukken beispielsweise eine der höchsten Wachstumsraten des Landes, aber die Armutsrate wurde kaum verbessert. Es gibt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Nickelindustrie und der Verringerung der Armut.

Was halten Sie von dem Exportverbot von unverarbeitetem Nickelerz?

Es ist gut, mehr Wertschöpfung in Indonesien zu halten, aber es muss sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit davon profitiert. Andernfalls wird die lokale Bevölkerung mit der Doppelbelastung durch Abbau und Verarbeitung noch mehr zum Opfer. Unseren Daten zufolge haben die Gesundheitsprobleme unter den Anwohner*innen und Arbeiter*innen durch die Entwicklung der Verhüttungsindustrie zugenommen. Insbesondere Atemwegserkrankungen sind ein ernstes Problem. Wir brauchen also höhere Umweltstandards. Wirtschaftlich gesehen muss die Industrie stärker besteuert werden, damit die Wertschöpfung auch bei den Menschen ankommt.

Ist ein ökologisch und sozial nachhaltiger Nickelabbau überhaupt möglich?

Der Abbau konzentriert sich auf bestimmte Gebiete, auf den Nord-Molukken, auf Zentral- und Südost-Sulawesi. Da es sich um Wald- und Küstengebiete handelt, sind die ökologischen Auswirkungen besonders groß. Wir sollten also so wenig wie möglich abbauen. Deshalb fordern wir, dass die Nutzung dieser begrenzten Ressourcen der Allgemeinheit und nicht privaten Interessen dient. Wir lehnen die Verwendung von Nickel in Privatfahrzeugen ab. Statt so viele Autos wie möglich zu produzieren, sollte der Nickel ausschließlich für elektrische öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden. Dann könnten wir den Abbau des Rohstoffs auf ein Minimum beschränken und die Auswirkungen auf die Umwelt minimieren. Außerdem würde so eine Verkehrswende das Problem der Staus in der Stadt lösen und eine immer weiter expandierende Bergbauindustrie überflüssig machen.

Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, etwa mit Blick auf die Insel Bangka Belitung, die historisch 30 Prozent des Zinns weltweit lieferte. Nachdem die Landressourcen erschöpft waren, wurde der Abbau im Meer fortgesetzt. Wir wollen nicht, dass hier dasselbe passiert. Die Abholzung großer Flächen widerspricht dem Ziel der Elektromobilität, nämlich der Reduzierung von Treibhausgasen, da diese Wälder große Mengen an Kohlenstoff speichern.

In Ihrer Arbeit befassen Sie sich auch mit Arbeitsbedingungen und Arbeitskämpfen. Welches Potenzial sehen Sie für ein Bündnis zwischen der Arbeiter*innenbewegung und der Bewegung für Umweltgerechtigkeit?

Ein Thema ist Luftverschmutzung und Gesundheitsfragen. Die lokale Bevölkerung braucht saubere Luft. Die Hüttenwerke nutzen Kohlekraftwerke zur Energieerzeugung, was zu Kohlenstoffemissionen beiträgt. Die Arbeiter*innen haben ein Interesse an sauberer Luft für ihre eigene Gesundheit und somit auch ein Interesse an der Förderung sauberer, erneuerbarer Energien. Dies ist ein Thema, das eine Synergie zwischen Arbeiter*innen und der Umweltbewegung schaffen kann.

Oliver Pye ist Südostasienwissenschaftler an der Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunklte sind politische Ökologie, Labour Geography, die Palmölindustrie und sozial-ökologische Transformation.

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 393 Heft bestellen
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