
Das Ende des Sonderwegs
Nach den Wahlen steht Costa Rica vor neoliberalen Reformen
Die einstige Vorzeigedemokratie Lateinamerikas rückt nach rechts. Unter dem neuen Präsidenten Rodrigo Chaves droht sich der scharfe neoliberale Kurs der Vorgängerregierung fortzusetzen. Die sozialen Verwerfungen in der langlebigsten Demokratie Lateinamerikas sind schon jetzt massiv. Eine Linke, die eine Gegenmacht mobilisieren könnte, gibt es nicht.
»Wir demonstrieren gegen die neoliberale, misogyne und konservative Regierung von Rodrigo Chaves« – die Amtseinführung des neuen costa-ricanischen Präsidenten am 8. Mai nahmen feministische Gruppen zum Anlass für Proteste. Sie erwarten eine zunehmende Neoliberalisierung des Landes und fürchten um gesellschaftspolitische Errungenschaften der letzten Jahre. Tatsächlich nahm sich die neue Regierung bereits den umkämpften Abtreibungsparagraphen vor. Abtreibung ist in Costa Rica nur straffrei, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist. Nun kündigte die neue Regierung an, die rechtlichen Bestimmungen des Verfahrens überprüfen zu wollen. Feminist*innen sehen darin ein Einfallstor zur erneuten Verschärfung des Abtreibungsrechts.
Costa Rica galt lange als stabiles und demokratisches Vorzeigeland in Zentralamerika. Spätestens seit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom 6. Februar dürfte es jedoch schwerfallen, dieses Urteil ohne Relativierungen aufrecht zu halten. Der Politikwissenschaftler Ronald Alfaro-Redondo spricht gar von einer »politischen Zeitenwende«.
Von der Regierung in die Bedeutungslosigkeit
Die Wahlergebnisse im Februar sorgten für Überraschungen. Eine schwere Wahlniederlage der progressiven Regierungspartei PAC (Bürgeraktionspartei) hatte sich angebahnt. Diese hatte in acht Jahren Regierungszeit zwar gesellschaftspolitisch progressive Reformen umgesetzt, war jedoch wirtschaftspolitisch immer weiter n