Unter Tage
Queerer Aktivismus in Georgien
Georgien hat eine aktive queere Szene, die gleichzeitig wirtschaftlicher und sozialer Marginalisierung ausgesetzt ist. Es gibt unterstützende kulturelle Einrichtungen und NGOs, die jedoch die Radikalität abschwächen. Die Zersplitterung entlang von Identitätskategorien ist allgegenwärtig – und überwindbar?
Tiflis, März 2023: Wir sind in der Wohnung einer befreundeten Aktivistin und diskutieren einen Text über die Horoom-Nächte, eine queere Partyreihe, die seit sieben Jahren im Bassiani Club stattfindet. Bassiani ist einer der meist gefeierten Clubs in Georgien und gilt als Hochburg progressiver Werte und queerer Kultur. Wir schreiben den Text als Antwort auf die Weigerung eines DJs, bei einer Horoom-Party zu spielen, wegen einer »homophoben Aussage einer der Organisator*innen«. Bei der Aussage geht es um einen Instagram-Post, in dem das Ende der schwulen Dominanz auf der Tanzfläche und innerhalb der queeren Szene gefordert wird.
Solche Auseinandersetzungen zeigen die Machtbeziehungen und Unterschiede entlang von Kategorien wie Sexualität, Klasse, Herkunft und anderen innerhalb der LGBTQ+-Communities auf, die selten beleuchtet werden. Stattdessen werden sichtbare Aktionsformen wie die Pride Parade als einigende Feier einer queeren Identität portraitiert. Das geschieht besonders angesichts einer Bedrohung von außen, die sich etwa im geplanten Foreign Agents-Gesetz manifestiert. Darin wird verlangt, dass NGOs, die 20 Prozent oder mehr ihrer Gelder aus internationalen Quellen erhalten, sich als ausländische Akteur*innen registrieren müssen, was viele queere NGOs treffen würde.
Identität und Prekarität
Seit seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahr 1991 befindet sich Georgien auf einem Weg der Liberalisierung und Orientierung am Westen. Dadurch wurde die Pri