Mit Kupfer aus der Krise
Sambia will die Energiewende für sich nutzen
Kupfer ist Sambias wichtigstes Exportprodukt. Doch davon hat weder die Staatskasse noch die Bevölkerung etwas, sondern vor allem ausländische Konzerne. Dennoch möchte die Regierung die steigende Kupfernachfrage nutzen und hofft auf einen Weg aus der Wirtschafts- und Schuldenkrise. Kann Sambia von der Energiewende profitieren?
Kupfer ist ein Schlüsselelement ,grüner‘ Technologien. Die Batterien von Elektrofahrzeugen enthalten fast viermal so viel Kupfer wie die fossil betriebener Autos. Außerdem ist Kupfer für die Elektrifizierung von Solarzellen bis hin zu Ladestationen für Elektroautos unerlässlich. Die Industrieländer haben sich zum Ziel gesetzt, ihre Wirtschaft zu dekarbonisieren und die Bestimmungen des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Bis 2050 will die EU emissionsfrei werden und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum sichern. Um das zu erreichen, wird nach Angaben der Internationalen Energieagentur in den nächsten zwei Jahrzehnten 40 Prozent mehr Kupfer benötigt.
Sambia ist derzeit der achtgrößte Kupferproduzent der Welt und rangiert laut dem U.S. Geological Survey bei den weltweiten Kupferreserven auf Platz 10. Aus Perspektive des globalen Marktes mag das Land im Vergleich zu größeren Kupferproduzenten wie Chile, Peru (Seite D18-19) und der Demokratischen Republik Kongo eine weniger bedeutende Rolle einnehmen. Für die sambische Wirtschaft hat das Kupfer jedoch eine herausragende Bedeutung.
Sambias Kupferabhängigkeit
Seit über hundert Jahren wird das Metall in Sambia abgebaut. Nach Jahrzehnten britischer Kolonialherrschaft wurde der Bergbausektor nach der Unabhängigkeit in den 1970er und 1980er Jahren verstaatlicht. Der Wirtschaftsmotor des Landes geriet jedoch bald ins Stocken. Fallende Rohstoffpreise, Kreditaufnahmen und Zinserhöhungen der US-amerikanischen und europäischen Zentralbank, stürzten das Land in die Schuldenkrise. Auf Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank folgte in den 1990er Jahren eine Privatisierungswelle. Die Minen wurden zu Billigstpreisen an ausländische Unternehmen verkauft. Diese konnten zusätzlich von den niedrigen Steuersätzen profitieren, die Sambia unter dem Druck neoliberaler Reformen einführte.
Die langjährige Steuervermeidung hat die Entwicklung Sambias untergraben
Das Land ist seither in hohem Maße vom Bergbau und den schwankenden internationalen Kupferpreisen abhängig. Heute macht Kupfer fast 80 Prozent des gesamten Exportwerts aus und der Bergbausektor trägt zu etwa einem Drittel der Staatseinnahmen bei. In den kupferreichen Gebieten in den Provinzen Nordwest und Copperbelt sind Tausende von Sambier*innen direkt und indirekt von den Minen abhängig. Während der historischen Hochphase der Produktion im Jahr 2012 beschäftigte der Sektor rund 90.000 Menschen. Seit der Privatisierung kommt es immer wieder zu Massenentlassungen, nicht ausgezahlten Renten und damit zu einem Anstieg des Armutsniveaus für Familien, die von diesem Sektor abhängig sind.
Die sambische Gesellschaft ist von einem hohen Maß an sozialer Ungleichheit geprägt, die Armutsquote liegt aktuell bei 58 Prozent. Für die Bekämpfung dieser Missstände wären Staatseinnahmen aus dem Kupfersektor von zentraler Bedeutung. Vom Rohstoffreichtum der letzten Jahrzehnte kommt bei der Bevölkerung jedoch nur wenig bis gar nichts an.
Schuldenabbau ade
Von 2003 bis 2014 profitierten die Bergbauunternehmen von rekordverdächtigen Preissteigerungen und Exporteinnahmen, während die Steuereinnahmen bescheiden blieben. Laut dem sambischen Finanzministerium exportierte das Land im Jahr 2013 Kupfer im Wert von über sechs Milliarden US-Dollar, erhob aber nur 197 Millionen US-Dollar an Einkommenssteuern. Dies deutet einerseits auf Lücken in der Steuererhebung hin, andererseits auf die gezielte Steuervermeidung ausländischer Unternehmen durch Gewinnverschiebung.
Die Praxis ist bekannt – multinationale Unternehmen verlagern ihre Gewinne durch komplexe Unternehmensstrukturen in andere Länder mit niedrigeren Steuersätzen. Was für Auswirkungen das für Sambia hat, zeigt eine Studie von Oxfam, welche die Gewinnverschiebung durch Mopani Copper Mines – einer der führenden Kupferproduzenten im Land – im Jahr 2021 analysiert. Bis zum 31. März 2021 betrieb der in der Schweiz ansässige Rohstoffriese Glencore über seine Tochtergesellschaft Mopani Copper Mines PLC ein großes Kupferminenprojekt in Sambia. Obwohl das Unternehmen Einnahmen in Höhe von fast sechs Milliarden US-Dollar erzielte, zahlte es in den acht Jahren von 2011 bis 2018 nur 28 Millionen US-Dollar an Einkommenssteuern. Der Bericht stellt fest, dass die Gewinnverschiebung durch Glencore potenziell erhebliche steuerliche Auswirkungen hatte. Der Staat hätte bis zu 102 Millionen US-Dollar pro Jahr an Steuern von Mopani erhalten sollen. Das entspricht mehr als der Hälfte des sambischen Haushalts für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung im Jahr 2020.
Zweifellos hat diese langjährige Steuervermeidung, und Mopani ist nur ein Beispiel unter vielen, die wirtschaftliche Entwicklung Sambias untergraben. Steuereinnahmen, die der Wasserversorgung, Bildung und Gesundheit dienen sollten, bleiben aus. Außerdem fehlen so die finanziellen Ressourcen, die eine wirtschaftliche Diversifizierung ermöglichen würden – hier schließt sich der Kreis. Erschwerend hinzu kommt eine Schuldenkrise, die sich durch die wirtschaftlichen Probleme während der Coronapandemie weiter zuspitzte. Im Jahr 2020 erklärte Sambia als erstes afrikanisches Land in der Pandemie die Zahlungsunfähigkeit.
Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück?
In der Hoffnung auf einen Wandel wählte die sambische Bevölkerung vergangenes Jahr Hakainde Hichilema zum Präsidenten. Seine »Regierung des neuen Aufbruchs« verspricht wirtschaftliches Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption.
Hichilema will nun vor allem die steigende Kupfernachfrage nutzen, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen. Außerdem soll der IWF Sambia wieder einmal aus der Schuldenkrise helfen. Anfang September wurde ein Abkommen genehmigt, das die Wiederherstellung der makroökonomischen Stabilität und ausländische Investitionen in den Bergbausektor verspricht. Dieses Abkommen geht jedoch mit harten Sparmaßnahmen einher: Die Kürzung der öffentlichen Ausgaben führt zur Abschaffung von Subventionen für Brennstoffe, Strom und Nahrungsmittel sowie zur Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das wird sich vor allem auf arme Bevölkerungsschichten negativ auswirken.
Vor diesem Hintergrund wird die Energiewende als Segen angepriesen. Hichilema kündigte Anfang des Jahres an, die Kupferproduktion von 802.967 Tonnen im Jahr 2021 auf drei Millionen Tonnen im Jahr 2031 verdreifachen zu wollen. Das soll vor allem mit ausländischen Investitionen erreicht werden: Die Regierung änderte bereits ihr Steuersystem und kündigte Steuererleichterungen für Bergbauunternehmen an. Die Steuersätze für alle Unternehmen wurden von 35 auf 30 Prozent gesenkt, zusätzlich wurde die steuerliche Absetzbarkeit von Mineralienabgaben von der Körperschaftssteuer wiedereingeführt.
Doch welchen Wert haben diese Anreize im Vergleich zu den entgangenen Einnahmen aus dem Bergbausektor? Es ist ungewiss, ob diese Steueranreize überhaupt genügend Investitionen anziehen werden, geschweige denn, ob das auch zu höheren Staatseinnahmen führen wird. Sicher ist, dass das Land in den kommenden Jahren aufgrund der IWF-Vereinbarung mit strengen Sparmaßnahmen konfrontiert sein wird, während multinationale Unternehmen weiterhin in den Genuss von Steuererleichterungen kommen werden. Die hohe Steuerlast wird weiterhin ärmere Bevölkerungsschichten treffen, soziale Ungleichheiten werden verschärft.
Wertschöpfung durch sambische Batterien?
Den Weg aus der Krise sieht die Regierung, neben einer Produktionssteigerung von Kupfer, auch im Abschied von Sambias Rolle als reiner Rohstofflieferant. Sie will über den Export von ,billigen’ Rohstoffen hinausgehen. In Erwartung eines Rohstoffbooms wurde im April 2022 ein Abkommen mit der Demokratischen Republik Kongo unterzeichnet. Die beiden Länder wollen beim Aufbau einer Batterie-Wertschöpfungskette zusammenarbeiten: von der Produktion von Kupferdraht und elektrischen Leitern bis hin zu Batterie-Gigafabriken. So soll Sambia teilhaben an der Kupfer-Wertschöpfungskette, statt allein den Hunger der Industrieländer nach dem ,Metall der Elektrifizierung‘ zu stillen.
Ein solcher stärkerer politischer Fokus auf regionale Wertschöpfungsketten kann ein guter Ausgangspunkt sein. Ohne Transparenzmaßnahmen und die Beseitigung der steuerlichen Ungerechtigkeiten im Bergbausektor wird dieses Vorhaben jedoch nicht den gewünschten Effekt erzielen. Im Gegenteil, es wird die Kupferabhängigkeit des Landes verschärfen, massive soziale Verwerfungen verursachen, während Steuereinnahmen ausbleiben. Diese möglichen Konsequenzen werden durch die verlockenden Aussichten auf eine steigende Kupfernachfrage verdeckt.