Als ich im Jahr 2001 das Grab von Thomas Sankara besuchte, erinnerte nichts daran, dass es sich um die letzte Ruhestätte eines großen antikolonialen Hoffnungsträgers Afrikas handelte. Der Friedhof am Rande von Ougadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, war heiß, staubig und menschenleer. Sankaras Grab unterschied sich von den umliegenden einzig durch einen dort abgelegten Blumenstrauß.
Sankara wurde 1983 als 33-jähriger Offizier Präsident des Landes, das damals noch Obervolta hieß. 1987 fiel er einem Putsch zum Opfer, inszeniert von seinem langjährigen Weggefährten Blaise Compaoré. Ein Verrat cäsarischer Dimension. Compaoré blieb bis 2014 an der Macht und versuchte, jede Erinnerung an Sankara zu tilgen.
Heute hat sich das geändert. Sankaras Grab ist zur Pilgerstätte geworden. Parteien in Burkina Faso beanspruchen sein Erbe für sich und seine Reden sind in zahlreichen Sprachen neu aufgelegt worden.
Nun präsentiert der PapyRossa Verlag in seiner Reihe »Basiswissen« eine Einführung in das Leben und Werk von Thomas Sankara. Dem Autor Gerd Schumann gelingt ein fundierter und gut lesbarer Überblick. Er beschreibt, wie Sankara in einem der ärmsten Länder der Welt Unabhängigkeit, Fortschritt und hohe ethische Ideale anstrebte. Burkina Faso heißt das »Land der aufrechten Menschen«. Dieser Name stammt von Sankara. Seine Kritik am Neokolonialismus war kompromisslos und eine panafrikanische Orientierung war für ihn zentral. Nahrung und Kleidung sollten nicht importiert, sondern selbst hergestellt werden. Von der Weltbank verlangte er einen Schuldenerlass. Sankara war bekennender Sozialist, betonte jedoch die Blockfreiheit. Die Korruption ging er an der Wurzel an. Die Mercedes der Regierungsriege wurden verkauft, stattdessen kleine Renaults angeschafft. Sankaras progressiver Frauen- und Umweltpolitik widmet Schumann ein eigenes Kapitel.
Verklärungen helfen niemandem. Schumann verweist auch auf die Übergriffe der »Komitees zur Verteidigung der Revolution« und Sankaras Gewerkschaftsverbot. Eines der größten Probleme Sankaras war, dass er nicht richtig in seine Zeit passte. Sozialistische Befreiungsbewegungen befanden sich in den 1980er-Jahren weltweit auf dem Rückzug. Diejenigen, die es an die Macht geschafft hatten, vermochten selten ihre Versprechen einzulösen.
Der Putschist Blaise Compaoré wurde 2022 in Burkina Faso in seiner Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Regierung der Elfenbeinküste weigert sich bis heute, ihn auszuliefern. Politisch ist er diskreditiert. Das Comeback Thomas Sankaras wird hoffentlich anhalten.