Es stehen Menschen auf der Straße und strecken ihre Arme in die Luft. Ein Plakat mit dem Foto Pinochets wird hochgehalten.
»Wir wollen Ordnung« und Pinochet-Porträt: Zum 50. Jahrestag des Putsch erfährt Chile einen Rechtsruck | Foto: Janitoalevic CC0 1.0

Der lange Schatten Pinochets

Chile 50 Jahre nach dem Putsch

In Chile arbeiten zum 50. Jahrestag des Militärputsches ausgerechnet die ideellen Nachfolger des Ex-Diktators Pinochet am Entwurf einer neuen Verfassung. Die linke Regierung, die einen Bruch mit dem politischen Erbe der Diktatur versprach, ist in der Defensive.

von Nikolas Grimm

22.08.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 398

Eigentlich hätte Patricio Fernández Chadwick am 7. Juli an einer Gedenkveranstaltung im ehemaligen Foltergefängnis Villa Grimaldi teilnehmen sollen. Als Koordinator für die diesjährigen Gedenkfeiern zum chilenischen Staatsstreich sollte er dort auf die Diktatur von General Augusto Pinochet (1973 – 1990) zurückblicken und an ihre Opfer erinnern. Am 11. September jährt sich der Putsch zum 50. Mal. Stattdessen reichte Fernández seinen Rücktritt ein. In einem offenen Brief an den Präsidenten Gabriel Boric hatten ihm zuvor Vereinigungen der Opfer der Diktatur, Menschenrechtsgruppen, die Kommunistische Partei und Teile der Sozialistischen Partei die Relativierung des Militärputschs von 1973 vorgeworfen.

Der Hintergrund war ein Interview, in dem der Soziologe Manuel Antonio Garretón von Fernández wissen wollte, ob es in der chilenischen Gesellschaft überhaupt einen Minimalkonsens über den Militärputsch und die anschließende Diktatur Pinochets geben könne. Fernández antwortete: »Wir und die Historiker und Politologen können darüber diskutieren, warum und wie es dazu kam, aber worin wir übereinkommen könnten ist, dass die Ereignisse, die auf den Putsch folgten, in jeglichem zivilisatorischen Pakt inakzeptabel sind.« Diese Differenzierung zwischen dem Putsch gegen die gewählte Regierung des Sozialisten Salvador Allende und der darauffolgenden Diktatur empörte die Unterzeichner*innen des Briefs: »Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom Staatsstreich zu trennen, bedeutet, Ereignisse zu relativieren, die einen Angriff a

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