Uns aus dem Elend zu erlösen…

Wir geben es zu: Superheld*innen sind nicht gerade das naheliegendste iz3w Thema. Dennoch entfachte es bei unserem Planungstag, auf dem wir uns einmal im Jahr zusammenraufen und die sechs Dossier-Themen für das kommende Jahr festlegen, Begeisterung. Das mag an den Zeiten liegen – die sind düster. Und Besserung ist gerade nicht in Sicht. In Krisenzeiten wächst zudem der Wunsch nach Helden wieder. In der multiplen Krise (das entsprechende Dossier kommt 2024) müssen es dann vielleicht gleich Superhelden sein. Erst einmal ungegendert.

»We don’t need another hero« sang hingegen Tina Turner 1985 im Film »Mad Max: Beyond Thunderdome«. Ein Lied, das die Sehnsucht nach einem Ausweg aus der postapokalyptischen Wüstenwelt des Films zum Ausdruck bringt und gleichzeitig Erlöserphantasien eine Absage erteilt. »Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun«, heißt es in einem anderen Hit. Man könnte sagen: Mit der linken Hoffnung auf die Selbstbefreiung der Menschheit ist das Ideal des Helden eigentlich unvereinbar. So meint etwa der Soziologe Ulrich Bröckling in seinem Buch »Postheroische Helden«: »Mir sind sie [Helden] zutiefst suspekt, zu viel Pathos, zu viel Männlichkeitsausdünstungen, zu viel moralischer Zeigefinger«

In Krisenzeiten wächst der Wunsch nach Helden wieder

Superheldencomics waren lange eines der populärsten Comic-Genres (teilweise sehr zum Leidwesen von Comic-Enthusiast*innen) und auch die Filme und Serien von Marvel und DC spielen regelmäßig Millionen ein. Vor Spin-Offs kann man sich kaum retten. Lange galten Superhelden-Comics hierzulande als reine (weiße) Männerdomäne. Das ändert sich mittlerweile auch im dominanten amerikanischem Markt – die neue Ms Marvel etwa ist eine Schülerin mit pakistanischen Wurzeln, die auch gegen Rassismus kämpft (Seite 27). In anderen Teilen der Welt war man da früher dran – so revolutionierte bereits ab 1969 eine Gruppe von Comiczeichnerinnen unter dem Label Year 24 Group den großen japanischen Comicmarkt. Sie etablierten einen festen Platz für Zeichnerinnen und legten die Grundlage für die wahrscheinliche bekannteste japanische Superheldin, die sehr viel mehr mit Feminismus zu tun hat, als man gerne annimmt: Sailor Moon (Seite 34).

Während Asien eine lange Tradition an Superheld*innen hat, ist das Genre in Afrika ein eher junges, dafür umso politischeres. Zwar gab es schon 1976 den ‚Helden‘ Mighty Man, der aber war Teil eines Propagandaprojekts der südafrikanischen Apartheid-Regierung und bekämpfte Kleinkriminelle in Townships. Heute boomt das Genre, auch aus dem Wunsch heraus, stereotype Darstellungen aus westlichen Comics etwas entgegenzusetzen: Es gibt Kwezi aus Südafrika und die nigerianische Warrior Queen Malika. Mit Comic Republik aus Nigeria hat sich ein ganzer Verlag allein dem Genre Superheld*innen verschrieben (Seite 38).

Jenseits von aufgeplusterten Männerkörpern und problematischen Heldenepen haben Superheld*innen also doch einiges an politischem Potential zu bieten. Es lohnt sich, Superheld*innen genauer anzuschauen – als Spiegel aktueller politischer Ereignisse, als Bedürfnis nach dem Außergewöhnlichen und Starkem, aber auch, besonders im Comic, als widerständige Subkultur. Denn Superheld*innen-Erzählungen wohnt auch immer die Vorstellung inne, dass es etwas jenseits der falschen Verhältnisse geben muss, in denen wir leben. Sie öffnen einen Möglichkeitsraum und bieten so Emanzipationspotential. Dann kommt es natürlich darauf an, wie dieser Raum gefüllt wird. In unserer Recherche sind uns queere und depressive Superheld*innen begegnet, Kämpfer*innen gegen Kolonialismus und überraschend viele starke FLINTA-Figuren. Leider konnten wir nicht alle diese Geschichten in das Dossier einbauen, aufgrund eines hohen Krankheitsstands musste es etwas kürzer ausfallen als geplant.

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Eine besondere Superheld*in prangt auf unserem Cover und trägt eine fette 400 auf der Brust – das ist keine versteckte Anspielung auf den wirklich schwierigen Heldenmythos des Comics »300«, sondern meint unsere Ausgaben-Nummer. 400 Ausgaben seit 1970 – wir können es selbst kaum glauben. Unsere Dossier-Themen reichten dabei von Kolonialismus (I und II) über Grenzen, Sci-Fi, Afropolitane Kultur und Antiziganismus bis zu Sex Arbeit, Tourismus und Klima (je nach Erscheinungsjahr als -wandel oder -krise). Und nun Superheld*innen. Dieses Dossier eignet sich unserer Meinung auch hervorragend für eine Release-Party (was ja bei unseren Themen eher selten der Fall ist). Deshalb schwingen wir am 12. Januar im Slow Club Freiburg das Tanzbein und laden euch alle herzlich ein! Dietmar Dath und Larissa Schober diskutieren über Superheld*innen und im Anschluss tanzen diese, wir und ihr hoffentlich auch.

die redaktion

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 400 Heft bestellen
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