zwei Arbeiter schürfen in einer Kobaltmine in Handarbeit einen Tunnel
Creuseurs (Gräber) legen die Tunnel in Handarbeit an. Kobaltmine Glencore, Kolwezi | Foto: Fairphone | CC BY-NC 2.0

Abbauen und Abliefern

In der DR Kongo profitieren wenige vom Reichtum an Kobalt

Die Demokratische Republik Kongo hat die größten Kobaltvorkommen weltweit. Bei der Bevölkerung kommt von diesem potentiellen Reichtum kaum etwas an. Das hat auch welthandelspolitische Gründe: In den 1970er-Jahren wurden Versuche, auf UN-Ebene mit einer sogenannten New International Economic Order die Beziehungen zwischen Nord und Süd gerechter zu gestalten, abgeschmettert.

von Sinisha Pfeifer und Marc Seuthe

08.10.2022
Veröffentlicht im iz3w-Heft 393
Teil des Dossiers Rohstoffe

Die zentralafrikanische Republik Kongo war 1960 unabhängig geworden und nannte sich 1971 in Zaïre um. Mit der Enteignung der verbliebenen kolonialen Minen und Plantagen 1973 sollte, so der damalige Außenminister Bula Mandungu, »der Boden, der Untergrund und alle ihre Ressourcen« zum »alleinigen Eigentum des Volkes von Zaïre werden«. Wo vorher ausländische Unternehmen Profit machten, sollte nun Wohlstand für die Bevölkerung entstehen. Die Enteignungswelle führte allerdings schnell zu einem Einbruch der Deviseneinnahmen. Die Günstlinge der Regierung, denen die Unternehmen übertragen wurden, wussten oft wenig mit ihnen anzufangen. Eine zeitgleiche globale Wirtschaftskrise, welche die Preise für die zaïrischen Rohstoffe rapide sinken und Investitionskredite knapp werden ließ, tat ihr übriges.

Mandungu, der anderthalb Jahre nach der Enteignungswelle vor der UN-Generalversammlung zu »Entwicklung und internationaler Kooperation« sprach, fügte daher gleich im nächsten Satz hinzu, dass ausländisches Kapital wieder hoch willkommen sei. Die Enteignung sei lediglich eine »Normalisierung« von Besitzverhältnissen gewesen, um »die bestmöglichen Bedingungen für eine zukünftig positive Kooperation zwischen Zaïre und ausländischen Investoren zu schaffen«. Damit drückte er aus, was dem Land, wie vielen anderen Staaten im Globalen Süden, bis heute zu schaffen macht: Die Rohstoffe versprechen Wohlstand und Entwicklung; aber ohne das Kapital, das Know-how und die Marktdominanz transnationaler Unternehmen lassen sich die Rohstoffe nicht zu Geld machen.

Kobalt: Die Weiter­verarbeitung ist anderswo

Gegenwärtig verspricht sich das Land, das mittlerweile in Demokratische Republik Kongo (DRK) umgetauft worden ist, neue Reichtümer durch die Digitalisierung und den globalen Umstieg auf Elektromobilität. Denn für die Lithium-Ionen-Akkus in Smartphones, Laptops und E-Autos wird das Schwermetall Kobalt benötigt. Die DRK verfügt nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mit einem Volumen von etwa 3,5 Millionen Tonnen über knapp die Hälfte der globalen Vorkommen. Schon heute steht die DRK mit einem Anteil von über 70 Prozent an der Spitze der weltweiten Gesamtförderung. Bis 2026 soll die globale Kobaltförderung von 170.000 Tonnen auf bis zu 225.000 Tonnen steigen. Ein großer Teil davon würde in der DRK gefördert. Die Regierung des zentralafrikanischen Landes sieht erneut die Chance, sich aus postkolonialen Strukturen zu lösen.

Die Rohstoffe liegen im Globalen Süden, verarbeitet wird im Norden

Die Regierung setzt dabei auf einen Neo-Extraktivismus, der die Chancen rohstoffbasierter Entwicklung ins Zentrum stellt. Der Verkauf von Bodenschätzen macht 95 Prozent der Exporterlöse aus. Im Zuge einer Liberalisierung wurde die Wirtschaft nach Ende des Zweiten Kongokriegs (1998-2003) weit für ausländisches Kapital geöffnet. Diese Öffnung fiel mit den hohen Rohstoffpreisen der 2000er-Jahre zusammen. Es schien, als erhalte die DRK wie andere Länder im Globalen Süden eine neue Entwicklungsperspektive. Im Sinne des Neo-Extraktivismus sollten ausländische Investor*innen die grundlegende Infrastruktur bauen und die notwendigen Devisen erwirtschaften, so dass eine nationale wirtschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt würde.

Doch die wirtschaftliche Teilhabe der DRK am Endprodukt bleibt äußerst gering. Das Land erhält nur einen Bruchteil der Profite aus Batterien. Um die eigenen Erträge zu steigern, erklärte die DRK Kobalt im November 2019 zum strategischen Mineral – damit wird nun eine Förderabgabe von zehn Prozent der Exporterlöse, anstatt der bisherigen 3,5 Prozent, fällig. Die Maßnahme sollte zudem den sinkenden Einnahmen durch schwankende Weltmarktpreise entgegenwirken. Der Kobaltpreis von 2018 war binnen eines Jahres um Zweidrittel gesunken. Das Schweizer Unternehmen Glencore, der weltweit umsatzstärkste Bergbaukonzern, reagierte mit der Schließung der größten Kobalt-Mine des Landes in Mutanda. Glencore konnte so die Preise für Kobalt wieder in die Höhe drücken. Aber hunderte kongolesische Bergarbeiter*innen verloren ihre Einnahmequelle und dem Staat entgingen Deviseneinnahmen.

Grenzen des Entwicklungs­modells

Um den eigenen Anteil an der Wertschöpfung zu steigern, müsste in der DRK eine eigene verarbeitende Industrie aufgebaut werden. Doch angesichts des technologischen Rückstands ist das gegenwärtig illusorisch. Der Großteil des Kobalts wird nach China gebracht und dann in Akkus und Batterien weiterverarbeitet. Gerade die Handelsbeziehungen zwischen der DRK und China verdeutlichen die Grenzen des neo-extraktivistischen Entwicklungsmodells. 2007 erteilte die staatliche chinesische Exim-Bank Kreditzusagen von 6,5 Milliarden Dollar für den Ausbau der kongolesischen Infrastruktur durch chinesische Unternehmen. Die Erschließung des Landes sollte so vorangebracht werden. Die Gegenleistung bestand in Abbaurechten für Bodenschätze. Organisiert wurde der Deal durch das Gemeinschaftsunternehmen Sicomines, bestehend aus staatlichen chinesischen Konzernen und dem alteingesessenen kongolesischen Staatsunternehmen Gecamines. In den folgenden Jahren wurde das Projekt, nachdem die Exim-Bank zu hohe Risiken sah und der Internationale Währungsfonds vor einer zu hohen Verschuldung der DRK warnte, abgespeckt. 2009 belief sich die Kredithöhe noch auf drei Milliarden Dollar. Nur ein Teil der Versprechen wurde in die Tat umgesetzt. Der Direktor von Southern Africa Ressource Watch, Claude Kabemba, analysierte, dass »die meisten kongolesischen Bürger*innen den Beitrag Chinas zur Entwicklung der Demokratischen Republik Kongo schätzen und das Abkommen begrüßen. Aber gleichzeitig kritisieren sie die Geheimhaltung und mangelnde Vorbereitung.«

Tatsächlich sind die chinesischen Infrastrukturinvestitionen weit hinter den Abmachungen zurückgeblieben. Kabemba schreibt 2016, dass sich die Infrastrukturausgaben Chinas auf etwa 750 Millionen Dollar belaufen. Das ist weniger als ein Drittel der vereinbarten Summe. Neuere verlässliche Zahlen sind nicht zu finden. Das verweist auch auf die Intransparenz dieser Geschäfte. Dass die Regierung die chinesischen Partner nicht stärker kritisierte, lag vermutlich an einem anderen Umstand: Gemäß der Menschenrechtsorganisation Global Witness beinhaltete der Vertrag einen »Unterschriftenbonus« von 250 Millionen Dollar, der direkt an die kongolesische Regierung und Präsident Kabila fließen sollte.

Zugleich verstoßen transnationale Unternehmen gegen Arbeitsschutzbestimmungen. Rund 80 Prozent des Kobalts wird industriell von großen Unternehmen gefördert. In einer Umfrage der britischen NGO Rights and Accountability in Development beklagten Arbeiter*innen ihre geringe Bezahlung. Die Löhne liegen oft bei nur drei Dollar am Tag, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge werden umgangen. Die Unternehmen stellen oft nicht die notwendige Schutzkleidung zur Verfügung. Auf Kritik können physische Übergriffe folgen. Das Bündnis zwischen Kapital und Staat im Bergbausektor wird auch durch die Rolle von Polizei und Militär deutlich, welche die Minen vor unerwünschtem Zutritt unabhängiger Medien schützen.

Reiche Gewinne und bleibende Armut

Die oben zitierte Rede hielt Zaïres Außenminister Mandungu 1975 während der siebten Sondertagung der UN-Generalversammlung, auf der über eine »New International Economic Order« (NIEO) beraten wurde. Die Idee war, internationale Wirtschaftsbeziehungen zugunsten der Länder im Globalen Süden zu reformieren. Die Protagonist*innen der NIEO schlugen Maßnahmen vor, um die Machtverhältnisse zwischen transnationalen Unternehmen und Staaten im Globalen Süden nachhaltig zu verändern. Ausgangspunkt war das souveräne Recht der Staaten, die Gewinne aus den heimischen Ressourcen zu kontrollieren. Internationale Produzentenbündnisse nach Vorbild des Ölkartells OPEC sollten die Rohstoffpreise stabilisieren. Ein internationaler Notfallfonds sollte Preisschwankungen ausgleichen. Um größeren Wert aus den Rohstoffen zu schöpfen, sahen die NIEO-Entwürfe einen Technologietransfer an den Globalen Süden vor. Handelsvorteile für Länder im Süden sollten ihre Industrien auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger machen.

Die Industrieländer und die in ihnen ansässigen transnationalen Unternehmen waren von diesen Vorschlägen zur Schwächung ihrer Machtposition nicht begeistert und verhinderten die Umsetzung der NIEO. Der DRK verblieb einzig das Recht, die eigenen Ressourcen mit geringen Gewinnen zu verkaufen. Die Wertschöpfung findet im Ausland statt, während in der DRK nur eine kleine Staatsklasse profitiert. Anders als Mandungu in seiner Rede behauptete, wurden die Ressourcen durch die Enteignung von 1973 nur nominell zum Eigentum des Volkes. Faktisch teilen die Staatsklasse und ausländische Unternehmen die Profite unter sich auf.

Sinisha Pfeifer und Marc Seuthe studieren Politikwissenschaft an der Universität Bremen. Der Artikel entstand im Rahmen einer Lehrforschung zur New International Economic Order und dem Blog nieo2.blog.

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 393 Heft bestellen
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