Die Macht der Namen
Rezensiert von Jule Haas
01.05.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 396
Teil des Dossiers Feministische Kämpfe
Was ist ein Name? Was heißt es jemanden »bei seinem Namen zu nennen«? Wozu geben wir uns Namen? Und was bedeutet es, wenn diese Einordnung nicht selbst gewählt ist, ein Name keine Versprachlichung des Selbst ist, sondern ein Gefängnis darstellt? Was heißt es, einen Namen zu ändern?
alpha kartsakis Buch This is my name versammelt unterschiedlichste Menschen und ihre Gedanken zum Thema Namen, um Antworten auf diese Fragen zu finden: Etwa eine*n nicht-binäre*n Teenager*in aus Deutschland, einen verfolgten Journalisten aus der Türkei oder eine trans Frau aus Mexiko.
Einige der Beteiligten sehen Namen als Label, andere als Befehl, als Traum, als Last, als Verantwortung oder als Symbol. Gemeinsam haben alle, dass sich ihr Name fundamental mit ihrer Identität verknüpft. Die befragten Menschen haben ihre alten Namen aus den verschiedensten Gründen abgelegt, ergänzt oder verändert. Dabei geht es etwa um den Wunsch nach Einklang des Namens mit der eigenen Geschlechtsidentität und auch um den Schutz vor politischer Verfolgung.
»Es ist unausweichbar, dass wir, wenn wir uns nicht selbst definieren, von anderen definiert werden – zu deren Nutzen und zu unserem Nachteil.«
Zärtlich untersucht alpha mithilfe von Interviews und Essaybeiträgen den Prozess eines solchen Wechsels. »Ich frage mich, wo dieser Teil von mir jetzt ist? Der Teil, der in diesem Namen war?« fragt alpha und zeigt damit die Macht von Worten und Namen auf. Sie beeinflussen, wie und ob wir etwas wahrnehmen und kategorisieren, sodass eine Namensänderung immer auch den Verlust eines Teils eines Selbst bedeutet.
Der Text plädiert dennoch ganz deutlich für die enormen Möglichkeiten, und auch die Notwendigkeit, die eine Namensänderung für einige Menschen bedeutet. Indem Selbst-Benennung als Selbst-Befragung und Verortung dessen, wie man sich als Mensch ausdrücken möchte verstanden wird, wird der Akt der Namensänderung zum Akt des Aneignens der eigenen Beziehung zur Welt. Mit den Worten Audre Lordes, die alpha auch zitiert: »Es ist unausweichbar, dass wir, wenn wir uns nicht selbst definieren, von anderen definiert werden – zu deren Nutzen und zu unserem Nachteil.«
Indem die Interviewpartner*innen ihren eigenen Namen wählen, entscheiden sie selbst wie sie benannt werden wollen. Gleichzeitig wird dieser Name erst durch die Umwelt zur Bezeichnung dieses Selbst. Benannt werden heißt, mit der Umwelt in Austausch treten. Der Wechsel des Namens ist daher viel mehr als nur der Moment der Entscheidung, sondern ein Prozess. Durch alphas sorgsame, poetische Abbildung verschiedener solcher Prozesse werden die Leser*innen Teil von ihnen, während gleichzeitig einen Resonanzraum geschaffen wird, in dem die Menschen gehört werden.