künstlerische Grafik zum Buch »Queere Künsterlinnen of Colour«

Que(e)rver­bindungen zwischen Kunst und Dekolo­nialität

Rezensiert von Lara Grothe

17.10.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 399

»Wie würde eine Welt aussehen, in der Körper von Schwarzen, Indigenous, of Color Personen, die queer, trans* oder inter sind – von QTIBIPoCs oder Queers of Color – nicht regiert werden durch heterosexistische, transfeindliche und rassistische Bilder und Blicke?« Diese Frage stellt Rena Onat, die sich selbst als deutschtürkische queere Femme of Color bezeichnet, zu Beginn ihrer Dissertation Queere Künstler_innen of Color. Verhandlungen von Disidentifikation, Überleben und Un-Archiving im deutschen Kontext. In dem Buch werden die Auswirkungen von kolonialen und patriarchalen Strukturen auf künstlerisches Wissen analysiert.

Onat analysiert Werke aus Malerei, Fotografie, Film und Performance.

Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, dass Rassismus, sowie Sexismus und Heterosexismus nicht nur institutionell und diskursiv, sondern auch visuell produziert und reproduziert werden. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die weiße Familie aus der Mittelschicht, die gut und gerne für jedes Produkt in der Werbung performt. Onat analysiert Werke aus Malerei, Fotografie, Film und Performance. Themen, die dabei behandelt werden, sind zum Beispiel Alterisierung, Fremdzuschreibung und Fetischisierung.

Ein weitere zentraler Analysepunkt verläuft entlang der Frage, wie QTIBIPoC (Queers, Trans, Inter, Blacks, Indigenous, People of Color) Kunst auch als Werkzeug nutzen, um ihre Erfahrungswelt auszudrücken. Diese Praxis wird als Queeres Worldmaking beschrieben, das darauf abzielt, »andere Zustände als den Status Quo (wieder) zu erinnern, zu imaginieren und vorstellbar oder sogar real werden zu lassen«. Es geht nicht nur um ein Darstellen der gegenwärtigen Zustände, sondern auch darum, Visionen von einer gerechteren Welt zu zeichnen.

Selbstorganisierte Räume für QTIBIPoC, haben laut Onat eine besondere Bedeutung: Sie dienen zum Austausch, zur Vernetzung und zur gegenseitigen Stärkung von queeren BPoC Künstler*innen innerhalb einer rassistischen, sexistischen und queerfeindlichen Welt. Denn BIPoC Künstler*innen in Deutschland müssen ihre Kunst einem hauptsächlich weißen Publikum präsentieren. Daher muss das Kuratieren immer auch als antirassistische Praxis verstanden werden. Der erste Schritt hierfür ist das Sichtbarmachen von QTIBIPoC-Kunstwerken. Um dies zu ermöglichen, ist es notwendig, dass auch die Methoden – im akademischen Schaffen uns jenseits dessen – dekolonisiert werden.

Wer sich von einem wissenschaftlichen Schreibduktus nicht abschrecken lässt und tiefer in die Thematik von Kunst(geschichte) und ihren Verflechtungen mit gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen eintauchen möchte, ist bei Rena Onat an der richtigen Stelle.

Rena Onat: Queere Künstler_innen of Color. Verhandlungen von Disidentifikation, Überleben und Un-Archiving im deutschen Kontext. Transcript Verlag, Bielefeld 2023. 312 Seiten, 49 Euro.

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