Im Schatten der Mauer
Rezensiert von Katharina Hüll
29.04.2024
Veröffentlicht im iz3w-Heft 392
Kathrin Zeiske beschreibt in Ciudad Juárez: Alltag in der gefährlichsten Stadt der Welt den widersprüchlichen Alltag der Bewohner*innen von Ciudad Juárez, einer mexikanischen Grenzstadt im nördlichen Bundesstaat Chihuahua. Mit ihrer Zwillingsstadt El Paso in Texas, die auf der anderen Seite des Río Grande liegt, verbindet sie vier Brücken. Entlang des Grenzflusses verläuft auch die sogenannte »Muro de la Tortilla«, die Mauer, die Migrant*innen am Grenzübertritt hindern soll. Zeiske schreibt über Armut und Reichtum, Migration, Femizide, miserable Arbeitsbedingungen, Drogenkartelle, aber auch über das Alltagsleben, stets angereichert mit persönlichen Eindrücken und Zitaten aus Gesprächen, die sie mit Fakten unterfüttert. Zu der von ihr porträtierten Stadt pflegt die Autorin privat wie beruflich eine enge Beziehung: Viele Jahre hat sie dort als freie Journalistin gearbeitet, verbringt dort jährlich mehrere Monate – und hat sich vor Ort einen Namen als Wrestlerin im in Mexiko beliebten Lucha Libre gemacht.
Trotz der mitunter erschütternden Themen wird dabei klar: Es gibt Hoffnung
Der Schreibstil ist umgangssprachlich im besten Sinne und durch die kurzen Episoden einfach zu lesen. Immer wieder kommen auch Aktivist*innen zu Wort, die sich für die Rechte von Migrant*innen, von Arbeiter*innen und gegen die Gewalt an Frauen engagieren. Trotz der mitunter erschütternden Themen wird dabei klar: Es gibt Hoffnung. In einem Blick auf die Wirtschaft beleuchtet Zeiske etwa die schlechten Arbeitsbedingungen in der Montagearbeit und den Kampf einer Anwältin dagegen. Diese hängen zusammen mit einer weltweiten Industrie, die hochtechnisierte Produkte wie Windräder zu niedrigsten Löhnen produzieren lässt, sodass ihre Arbeiter*innen in Armut leben müssen. Mehrere porträtierte Familien berichten von der Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufstieg und Plänen für ihre Migration in die USA. Gleichzeitig leben sie in Angst vor Gewalt und der Verschleppung von Angehörigen, sowohl durch Kartelle als durch die mexikanische Armee. Bis 2050 soll sich die Anzahl der Rentner*innen verdoppeln, was heißt, dass es immer mehr alte Menschen ohne adäquate Versorgung gibt. Das Buch lohnt sich für alle, die sich für persönliche Geschichten hinter den Debatten um Migration, Frauenrechte und Arbeitsbedingungen interessieren und mehr über den Alltag im mexikanischen Grenzgebiet erfahren wollen. Ein bisschen Vorwissen ist hilfreich, aber keine Voraussetzung, da Zeiske auch viele Hintergrundinformationen einfließen lässt.