
Nationalismen im Wettstreit
Die ethnische Trennung auf Sansibar
Auf Sansibar gab es nicht einen Nationalismus, sondern zwei. Arabische und afrikanische Nationalist*innen wendeten sich in den 1960er-Jahren gegen die britische Kolonialherrschaft – und gegeneinander. Unter der Oberfläche des halbautonomen Teilstaates von Tansania bestehen diese ethnischen Spaltungen bis heute fort.
Auf den ersten Blick auf eine der beiden Hauptinseln Sansibars fällt ein entscheidender Unterschied zum Festland Tansanias ins Auge: Sämtliche Autokennzeichen sind mit der sansibarischen Flagge versehen und wenn eine Flagge im Wind weht, ist es die des Teilstaates Sansibar. Spricht man mit den Menschen vor Ort, identifizieren sie sich eher als Sansibaris und nicht als Bürger*innen Tansanias.
Andererseits ist ebenso augenfällig, dass die Gesellschaft Sansibars äußerst vielfältig ist: Indische, persische, afrikanische, europäische und arabische Einflüsse prägen das Bild der Hauptstadt und neben den Amtssprachen Kiswahili und Englisch sprechen die Menschen in vielen Gegenden Arabisch. Müsste diese Vielfalt nicht im Widerspruch zu der scheinbar starken kollektiven Identität und der Abgrenzung zum Festland stehen? Es ist komplizierter, denn im eigentlichen Sinne gab es auf der Insel nie einen Nationalismus, der alle Teile der Bevölkerung eingeschlossen hätte. Es gab zwei Nationalismen, einen afrikanischen und einen arabischen, die unterschiedlichen Zwecken dienten. Der Blick in die Landesgeschichte vor der Revolution 1964 erschließt ihre Herkunft.
Die koloniale Rassenkonstruktion...
Der arabische Einfluss auf Sansibar reicht bis ins 7. Jahrhundert zurück. Dort kamen vor allem Handelstreibende, aber auch politische und religiöse Flüchtlinge von Südarabien auf die Inseln. Sie gingen Bindungen mit der indigenen afrikanischen Bevölkerung ein. 1