
Angriff auf den falschen Frieden
Horror und Gesellschaftskritik
Den Menschen die Furcht zu nehmen, ist der grundlegende Antrieb menschlicher Zivilisation. Aufklärung und Wissenschaft verbannten die Angst ins Reich des Irrationalen. Weil sie dabei jedoch ihre Ursachen nicht überwinden können und zugleich neue Verstrickungen und Ängste schaffen, bleibt das zivilisatorische Unterfangen unvollständig. Das Horrorgenre legt den Finger in diese Wunde.
Horror ist zunächst ein Genre der populären Mythologie und eines der drei großen Elemente der Phantastik: Die Science-Fiction als skeptisch-progressive Spekulation über die Zukunft (iz3w 380) und die Fantasy als nostalgische Rückkehr in die Märchen-Vergangenheit umklammern semantisch und ikonographisch dieses Genre, das sich den Schrecken aus dem kollektiven und dem subjektiven Unterbewussten widmet.
Es ist, wie alle Genres der populären Mythologie, eine kathartische Einrichtung, die mit dem fiktiven Schrecken spielt, um den realen Schrecken zu bannen, und dient zugleich dem Übermitteln heimlicher oder verschlüsselter Botschaften. Mit dem Horror erklären wir einen Riss zwischen Ich und der Welt, Subjekt und Gesellschaft, Realität und Mythos, der beides ist: ein lustvoll herbei phantasierter Bruch und eine Wunde, die nach Heilung verlangt.
Horror ist damit mehr als ein Genre. Es ist eine Bild- und Erzählmaschine, die eine einfache Prämisse für eine endlose Produktion von (Alb-)Traumbildern nutzt: Etwas stimmt nicht mit der Welt, in der wir leben, nicht mit ihren Codes, nicht mit ihren Überzeugungen, nicht mit ihren Riten von Politik, Alltag und Sprache. Diese Ahnung ist das Angriffsziel all dieser Auflösungen und Einbrüche, der Gespenster und der verborgenen Architekturen, all das, was im Untergrund verborgen bleiben sollte und doch nicht verborgen werden kann. Bevor man sich der Wirklichkeit