Ein zweites 1994?
Südafrika im Wahlkampf
30 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen in der Republik Südafrika zeichnet sich ein massiver Machtverlust des seither regierenden ANC ab. Neue Parteien verändern die politische Landschaft im von enormer Ungleichheit geprägten Land. Eine Reportage aus der heiß umworbene Provinz KwaZulu-Natal.
Im April 2023 machte in Südafrika der Slogan »2024 ist unser 1994« Furore. Dieser Satz, den die neue Partei Rise Mzansi* (RM) in Umlauf gebracht hat, trifft einen Nerv. Die vergangenen 30 Jahre seit der Demokratisierung Südafrikas werden von vielen als Dekaden leerer Versprechen empfunden. Manche erhoffen sich von den diesjährigen Wahlen eine Befreiung aus dieser endlosen Warteschleife. Obwohl der amtierende Präsident Cyril Ramaphosa bei seinen öffentlichen Auftritten immer wieder an die Errungenschaften seit dem Ende der Apartheid erinnert, sind sich die meisten einig: 1994 wurde die politische Apartheid beendet, nicht aber die ökonomische und soziale.
Von Armut und Enttäuschung
Die enorme Ungleichheit ist mit bloßem Auge sichtbar: Über die Hälfte der südafrikanischen Bevölkerung lebt an der nationalen Armutsgrenze. Die Lebensbedingungen in Townships und informellen Siedlungen sind äußerst prekär: Die Bewohner*innen leiden unter massiven Problemen mit der Wasser- und Stromversorgung (iz3w 393) – viele sind nicht einmal an das völlig unterversorgte öffentliche Netzwerk angeschlossen und legen ihre improvisierten Leitungen selbst. Durch die anhaltende Vernachlässigung der Infrastruktur zerbersten regelmäßig Wasser- und Abwasserleitungen und Häuser brechen in sich zusammen. In vielen verarmten Wohngebieten wird der Abfall nur unregelmäßig oder nie abgeholt und türmt sich auf inoffiziellen Müllhalden. Eine Arbeitslosenquote von 27 Prozent, weit verbreitete Drogen- und Bandenkriminalität, hohe Fallzahlen sexualisierter und häuslicher Gewalt sowie ungleiche Bildungschancen und die Unterfinanzierung von öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Schulen führen die Liste der Missstände fort, die das Alltagsleben von Millionen Südafrikaner*innen prägen.
1994 wurde die politische Apartheid beendet, nicht aber die ökonomische und soziale
Pünktlich zum 30. Geburtstag der jungen Demokratie erfährt der ANC (Afrikanischer Nationalkongress – African National Congress) einen solchen Vertrauensverlust, dass die aus der Befreiungsbewegung hervorgegangene Partei zum ersten Mal seit 1994 ihre Mehrheit verlieren könnte. Darin sehen einige der 380 alten und neuen Parteien, die sich dieses Jahr zur Wahl stellen, ihre Chance. In einem der ungleichsten Länder der Welt ist es nicht einfach, das Vertrauen der Wähler*innen zu gewinnen: Unter der Präsidentschaft von Jacob Zuma bis 2018 hat das Land massive Korruption und Staatsvereinnahmung erlebt, als der Staatspräsident den Unternehmen der Gupta-Familie lukrative Staatsaufträge zuschanzte und sich bereicherte. Als er deshalb zurücktreten muss, löst ihn der Millionär Cyril Ramaphosa als Präsident ab.
Viele Menschen erzählen, dass sie die immer wieder gebrochenen Versprechen leid sind: Vor allem in Townships und informellen Siedlungen ist die Hoffnung auf eine wirkliche Verbesserung gering. Ayanda*, ein um die 70 Jahre alter Bewohner aus dem Township Inanda, berichtet: »Jahrzehntelang zerfallen hier Häuser und öffentliche Infrastruktur, aber nur alle fünf Jahre, wenn der Wahlkampf beginnt, klopfen die Politiker*innen an unsere Türen.« Und dieses Jahr sind es besonders viele, die um die Gunst der enttäuschten Wahlberechtigten buhlen. Ayanda hat seine Stimme in den letzten sechs Wahlen seit 1994 immer dem ANC gegeben, dieses Mal will er die neue Partei RM wählen.
Dabei ist Inanda ein historischer Ort: Hier war der erste Präsident des ANC, John Langalibalele Dube zuhause. Vor allem aber ist es jenes Viertel, in dem der erste Präsident der demokratischen Republik Südafrika, Nelson Mandela, 1994 seine Stimme abgab. Damals waren die Hoffnungen und die Aufbruchsstimmung groß. Heute ist Inanda, eines der größten Townships von Durban, noch immer massiv vernachlässigt. Im März blieben viele Bewohner*innen wochenlang ohne Wasser. Die anhaltende Strom- und Wasserkrise verhärtet sich, als Hunderte städtische Mitarbeiter*innen Ende Februar in einen fast dreiwöchigen Streik traten, um bessere Löhne einzufordern. In dieser Zeit stand auch die Müllabfuhr still: Im ganzen Stadtgebiet sammelten sich Müllberge an, die in dem tropisch-schwülen Klima Durbans besonders schnell verrotten und ein Gesundheitsrisiko darstellen. Kaum zwei Monate vor der Wahl wirft das kein gutes Licht auf die Lage in der Provinz KwaZulu-Natal.
Alte Feindschaften
Die Provinz KwaZulu-Natal, die in der Durban liegt, ist für die anstehenden Wahlen von besonderer Bedeutung: Hier leben knapp 21 Prozent der landesweit registrierten Wähler*innen, über 5,7 Millionen. Durban ist immer wieder das Zentrum des Wahlkampfes. In der größten Stadt der Provinz mit dem 75.000 Plätze fassenden Moses Mabhida Stadion stellten drei etablierte Parteien ihr Parteiprogramm vor. Den Auftakt machte am 10. Februar 2023 die linke Partei EFF (Economic Freedom Fighters), deren Mitglieder lokal auch als »die roten Barette« bezeichnet werden. Zwei Wochen später färbte sich das Stadion gelb, als ANC-Anhänger*innen aus der ganzen Provinz anreisten, um ihren Präsidenten Ramaphosa zu unterstützen. Am 10. März stellte hier schließlich die rechtskonservative Zulu-nationalistische IFP (Inkatha Freedom Party) ihr Wahlprogramm vor.
KwaZulu-Natal ist politisch umkämpft, denn etwa 20 Prozent aller ANC-Mitglieder siedeln in der Provinz; aber sie ist auch die Hochburg der hauptsächlich von amaZulu* unterstützten IFP, die 1975 von dem ehemaligen ANC-Anhänger Mangosuthu Gatsha Buthelezi gegründet wurde. Bis in die 1980er Jahre stand die IFP nur amaZulu offen, die in dem seinerzeit als »Bantustan« definierten KwaZulu lebten. Historisch ist das Verhältnis von IFP und ANC stark belastet: Vor allem ab 1989 bis zu den ersten Wahlen 1994 kam es zu massiver Gewalt zwischen den Anhänger*innen beider Parteien. Die bewaffneten Kämpfe kosteten Tausende Menschen das Leben. Die südafrikanischen Verteidigungstruppen trainierten Zulu-Kämpfer in Camps und befeuerten die brutalen Auseinandersetzungen, um den ANC und die politische Macht der Schwarzen Bevölkerung zu schwächen. Vor den ersten Wahlen 1994 kooperierte die IFP mit einer Abspaltung der damals regierenden rassistischen Nationalpartei, um eine ANC-Regierung zu verhindern. Die IFP machte das nicht zuletzt, weil sie einen Machtverlust der traditionellen Autoritäten fürchtete.
Als Jacob Zuma als Zulu im Jahr 2009 das Präsidentschaftsamt übernimmt, steigen die Hoffnungen auf eine Aussöhnung der zerstrittenen Lager. Und tatsächlich fährt der ANC unter Zumas Führung die besten Wahlergebnisse in der Provinz ein. Als Zuma sein Amt 2018 wegen massiver Korruptionsskandale niederlegen muss und vom derzeit amtierenden Cyril Ramaphosa abgelöst wird, sinken die Stimmzahlen drastisch. Zuma versäumt es wiederholt zu den Anhörungen in der Untersuchungskommission zu erscheinen, die die Korruptionsvorwürfe aufklären soll. Deshalb wird schließlich ein Haftbefehl gegen den Ex-Präsidenten erlassen. Als er seine Haftstrafe im Juli 2021 antritt, versammeln sich seine Anhänger*innen zu massiven Protesten, die in gewaltsame Ausschreitungen und Plünderungen münden. Die blutigen Unruhen breiten sich auf die Provinz Gauteng aus und fordern 350 Todesopfer. Als KwaZulu-Natal tagelang im Ausnahmezustand ist, fühlen sich viele lokale Bewohner*innen an die traumatischen Erlebnisse der frühen 1990er-Jahre erinnert. Im Zuge der angespannten Lage kommt es im nördlichen Township Phoenix zu furchtbaren xenophoben Attacken, bei denen 36 afrikanische Bewohner*innen von Mobs, die von indischen Südafrikaner*innen * organisiert wurden, getötet werden. Die interethnische Gewalt hat im Norden Durbans eine lange Geschichte. Viele indische Südafrikaner*innen sind wegen anhaltender Spannungen aus Inanda in das angrenzende Phoenix umgesiedelt.
Gewaltausbrüche und Drohgebärden
Erst kürzlich, am 16. März, entzündet sich erneut Gewalt zwischen ANC- und IFP-Anhänger*innen. Grund ist ein Vorfall auf der Gedenkfeier zu Ehren Dinuzulu kaCetshwayos, der bis 1914 König der Zulu-Nation war: Siboniso Duma, der Provinzvorsitzende des ANC in KwaZulu-Natal, entreißt Thulasizwe Buthelezi, dem traditionellen Zulu-Premierminister, auf offener Bühne das Mikrofon, um dessen kritische Töne gegen den ANC zu verhindern. Diese demütigende Geste findet vor den Augen der königlichen Majestät Misuzulu kaZwelithini und des Präsidenten Cyril Ramaphosa statt. Nach der Veranstaltung kommt es zu gewaltsamen Übergriffen auf ANC-Anhänger*innen aus dem Publikum – 16 Verletzte müssen ins Krankenhaus gebracht werden.
Aber es ist nicht nur die Furcht vor Zusammenstößen zwischen der IFP und dem ANC, die die Bewohner*innen in der Provinz in Atem halten: Überraschenderweise ist der inzwischen 81-jährige Expräsident Jacob Zuma im Dezember 2023 wieder aufgetaucht, um seine Unterstützung für eine neu gegründete Partei zu verkünden – diese trägt keinen geringeren Namen als »Umkhonto weSizwe«, zu Deutsch »Speer der Nation«, also die Bezeichnung des militärischen ANC-Flügels, der nach 13 Jahren unbewaffneten Widerstands 1961 gegründet wurde, um sich mit Waffengewalt gegen das Apartheidregime zu verteidigen. Zuma provoziert bewusst mit diesem historischen Bezug und stellt seine MKP (Umkhonto weSizwe-Partei) als Befreiungsschlag gegenüber dem ANC vor, der – in seiner Darstellung – von Ramaphosa verraten wurde. Während der ANC noch gegen die Benutzung von Name und Symbolik der historischen Organisation klagt, vereint Zuma wieder eine erstaunlich große Anhängerschaft auf sich. Vor allem in KwaZulu-Natal wird der rund drei Monate jungen Partei nach aktuellen Schätzungen ein Stimmenanteil von 25 Prozent prognostiziert.
Die Anhänger*innen der MKP treten bei öffentlichen Veranstaltungen mitunter in militärischer Tarnkleidung auf und bedienen sich aggressiven Vokabulars. Und sie kündigen Gewalt an: Bonginkosi Khanyile, einer ihrer Jugendführer, warnt in einer öffentlichen Stellungnahme, dass die MKP Südafrikas Wahlen gewaltsam verhindern werde, wenn Jacob Zumas Name nicht auf den Wahlzetteln erscheinen sollte. Inzwischen wurde bekannt gegeben, dass Zuma von den Wahlen ausgeschlossen wird: Aufgrund seiner Verurteilung zu einer 15-monatigen Haftstrafe wegen Missachtung des Gerichts im Jahr 2021 darf er laut Gesetz nicht für die Wahlen kandidieren. Khanyile, der wegen öffentlicher Gewalt während der Juli-Unruhen 2021, welche im Anschluss an Zumas Verurteilung ausbrachen, angeklagt ist, wird mit den Worten zitiert: »Was machen wir wohl mit dem Militär, das sie einsetzen werden? Diese Soldaten wurden durch die Unruhen im Juli besiegt! Glauben Sie, dass Sie die MKP aufhalten können?« Es bleibt abzuwarten, ob die MKP-Anhänger*innen diese Drohungen am Wahltag wahrmachen.
Zumas Comeback?
Zuma tritt mit großen Versprechen an: Er will den Lastabwurf (Loadshedding), also die regulierten Stromabschaltungen, unter welchen das Land seit Jahren leidet, beenden. Besonders das letzte Jahr war mit durchschnittlich sechs Stunden Loadshedding pro Tag für Privathaushalte und Firmen nervenaufreibend. Außerdem will er traditionellen Autoritäten mehr Rechte einräumen, was ihm vor allem im ländlichen KwaZulu-Natal Zustimmung verschafft. Aber der Expräsident macht auch mit weniger populären Aussagen Schlagzeilen. In einer öffentlichen Ansprache kündigt er etwa an, schwangere Teenager nach Robben Island schicken zu wollen – auf die berüchtigte Gefängnisinsel, auf welche die Apartheidregierung Freiheitskämpfer*innen wie Nelson Mandela verbannte. Zuma stellt in Aussicht, dass die MKP dort eine Universität aufbaue, damit die minderjährigen Mütter ihre Ausbildungen abschließen könnten. Teenagerschwangerschaften, die in Südafrika sehr häufig sind, bezeichnet er als »Krankheiten«.
Über die Wahlbeteiligung entscheidet nicht zuletzt die Sicherheitslage
Obwohl der ANC sehr wahrscheinlich auf eines seiner schlechtesten Wahlergebnisse zusteuert, ist er dennoch die dominante Partei, die mit einem Koalitionspartner weiterregieren könnte. Denkbar ist etwa eine Zusammenarbeit mit den linken Economic Freedom Fighters, die sich 2013 vom ANC abgespaltet haben. Der EFF-Präsident Julius Malema war Vorsitzender der ANC-Jugendorganisation und wurde 2012 wegen Spaltung und parteischädigender Aussagen von der Partei ausgeschlossen. Als Reaktion auf das blutige Massaker von Marikana (iz3w 342), bei welchem im August 2012 34 streikende Minenarbeiter von der Polizei erschossen wurden, gründete er seine eigene Partei. Damals war er einer der wenigen Unterstützer der Minenarbeiter – weder der regierende ANC, der für die Anordnung des Blutbades verantwortlich gemacht wird, noch die Opposition setzten sich für die Rechte der marginalisierten Arbeiter und ihrer Hinterbliebenen ein. Zu diesem Zeitpunkt war der heute amtierende Präsident Cyril Ramaphosa Vorstandsmitglied der berüchtigten Lonmin-Mine, in welcher der Streik begann. Trotz mehrfacher Aufforderung der Witwen von Marikana ist er bis heute nie in die nach wie vor verarmte Region gereist, um die Hinterbliebenen zu treffen.
Aussicht auf Veränderung?
In den letzten beiden Wahlen hatte die Partei EFF eine Koalition mit dem ANC kategorisch ausgeschlossen. Dieses Mal stellt Malema in Aussicht, für einen Kurswechsel im Land »mit jedem« zusammenzuarbeiten. Als ihm Jacob Zuma am 3. März 2024 öffentlich zu seinem Geburtstag gratuliert, wird deutlich, wie ernst diese Aussage gemeint ist. Einst ein Protegé von Zuma, hatte sich Malema mit dem damaligen ANC-Präsidenten in den 2010ern tief zerstritten. Er warf Zuma Korruption und diktatorisches Verhalten vor; Zuma war wiederum maßgeblich an Malemas Parteiausschluss beteiligt. Inzwischen scheinen beide über persönliche und ideologische Differenzen hinwegzusehen. Weiter hat sich auch die zentristisch-liberale DA (Democratic Alliance) als traditionelle Oppositionspartei zum ANC auf dessen Machtverlust vorbereitet: Im August 2023 schloss sie zusammen mit sieben anderen konservativen Parteien den sogenannten »Mondlandungspakt«, eine Koalitionsvereinbarung, um den ANC – unter Ausschluss der EFF – zu entmachten.
Bis zum Wahltag am 29. Mai laufen die Kampagnen auf Hochtouren, aber ob die Menschen, die seit 1994 auf fließendes Wasser, Häuser und Jobs warten, sich von den neuen Versprechen überzeugen lassen, die ihnen in hunderten Wahlprogrammen gemacht werden, ist fraglich. Abahlali baseMjondolo (deutsch: Blechdachhüttenbewohner*innen), die größte soziale Bewegung in Postapartheid-Südafrika, die sich für die Rechte der marginalisierten und landlosen Schwarzen Bevölkerung einsetzt, beobachtet den Vorlauf zu den Wahlen aufmerksam. Es sei klar, dass diese Wahl keine Zauberei bringe: »Wer vor dem 29. Mai arm ist, wird es auch nach dem 29. Mai noch sein«, sagt der Präsident der Bewegung S’bu Zikode. Trotzdem hat er seine Mitglieder mit Nachdruck aufgefordert, sich für die Wahlen zu registrieren, denn in dem Ende einer ANC-Alleinregierung sieht er auch eine Chance auf Veränderung. Das Problem sei nur, dass es keine überzeugende Alternative gebe. Er hofft, dass eine Koalitionsregierung zumindest einen Verhandlungsraum öffnen könnte, in dem die Stimmen der Marginalisierten mehr Gehör finden. Wie fast jedes Jahr seit ihrer Gründung 2005 veranstaltet Abahlali baseMjondolo auch dieses Jahr wieder den »Unfreiheitstag«, einen Protest gegen den staatlichen »Freiheitstag«, der jedes Jahr am 27. April an die ersten freien Wahlen Südafrikas erinnert. Die Bewegung findet es zynisch, in einer von Ungleichheit, Armut und Landlosigkeit geprägten Nation die angebliche ‚Freiheit‘ der Schwarzen Bevölkerung zu feiern. Dieses Jahr wollen sie zu diesem Anlass eine Wahlempfehlung veröffentlichen: nicht, weil sie einer bestimmten Partei vertrauen, sondern schlichtweg weil sie den ANC abwählen wollen.
»Wer vor dem 29. Mai arm ist, wird es auch nach dem 29. Mai noch sein.«
Die uneingelösten Versprechen von 1994 und die wiederholten Korruptionsskandale fördern die Politikverdrossenheit: Zwar haben sich die Zahlen der zur Wahl registrierten Personen im Vergleich zu den letzten Wahlen um eine Million erhöht, aber angesichts des Bevölkerungswachstums bedeutet das prozentual keine Zunahme. Nun versuchen hunderte Parteien, die Stimmen dieser Wahlberechtigten zu ergattern. Wie viele der registrierten Wählerschaft letztlich an die Wahlurne gehen, wird sich zeigen. Darüber wird nicht zuletzt die Sicherheitslage an den Wahlstationen entscheiden.
Am 21. März 2024, einem gesetzlichen Feiertag in Südafrika, der dem Massaker in Sharpeville 1960 gedenkt und als Tag der Menschenrechte begangen wird, organisiert die Partei Rise Mzansi eine Suppenküche in Inanda. Der Andrang ist groß, denn angesichts der hohen Arbeitslosigkeit haben viele Menschen kein regelmäßiges Einkommen. Manche Bewohner*innen sind unter prekären Bedingungen ohne Arbeitsverträge und Sicherheiten angestellt. Eine Delegation von Rise Mzansi lässt sich die Probleme des Wohngebiets zeigen und besucht Familien, deren Häuser von den Fluten in den letzten beiden Jahren massiv beschädigt wurden. Eine junge Frau zeigt ihr Haus, dessen vorderer Teil bei einem Sturm in der vorangegangenen Nacht zusammengebrochen ist – die Konstruktion ist unter dem Starkregen eingefallen. Das Wahlkampfteam organisiert Freiwillige, die ihr am nächsten Tag beim Aufbau helfen. Ayanda schätzt diese Initiative in seiner Nachbarschaft und hofft, dass die junge Partei sich auch nach den Wahlen noch um die Bedürfnisse der Menschen kümmert, die über Dekaden hinweg einfach vergessen wurden. Obwohl Rise Mzansi eine große Medienkampagne fährt und es in kurzer Zeit zu einiger Bekanntheit gebracht hat, spielt sie in de
* Name von der Redaktion geändert